Samstag, 29. August 2020

Sequenzen von Skepsis (381)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:

 

4877

Wenn jeder Mensch nur noch ein potenziell Ansteckender ist, dann haben Esoterik, Religion und Ideologie alles erreicht, dann sind wir an den Pforten der Drangsal angekommen. Es zeichnete sich schon lange ab im scheinheiligen globalen Ausbeutungssystem. Nicht „die Erde wurde untertan“, sondern der Mensch als geknetete Masse, die sich zum Unglück auch noch ihre modellierenden, Macht willkürlich missbrauchenden Peiniger in völliger Verkennung selbst bestellt.


4878

Wenn alles nach links oder rechts abbiegt, kann der geradeaus Vorangehende niemandem mehr etwas erklären. Es bleibt ihm nur Hoffnung auf selbstständig geradeaus Denkende.


4879

Dem Auf- und Untergang gilt das rege Interesse, dazwischen relativiert sich die Gewöhnung.


4880

Weil dem abstrusesten Unsinn die aufrichtigste Verehrung gilt, gibt es keine logische Argumentation, keinen Frieden, es sei denn, aufgeklärte Klugheit meidet die Auseinandersetzung und festigt vorausschauend ihre Friedfertigkeit.


4881

Nie vergesse man – es mag schwerfallen – , dass gegenüber am Verhandlungstisch immer ein Mensch sitzt; er mag schwer krank sein, dann braucht er Hilfe und keine Verteufelung.


4882

Scharfmacher düngen den Ackerboden der Scharfrichter.


4883

Körperliche Äußerlichkeiten und Eigenheiten haben in ernsthafter politischer Debatte kaum etwas zu suchen, es sei denn, sie resultieren programmatisch.


4884

Prächtige Kirchen, Gotteslob durch Reichtum – auf Kosten der Darbenden und Sterbenden.


4885

Europa! Wirrköpfe zerzausen dich wieder wie eh und je, und genauso fehlt es dir an Rückgrat, gebuckelt schleichst du wieder über deine ideologische und strategische Spielwiese, auf die deine eigenen Leithammel urinieren.


4886

Gebt allen Menschen, was des Menschen ist! Nahrung, Kleidung, Wohnung, Arbeit, Bildung, Hilfe in der Not, Freiheit, Recht und Empathie und niemals einen Schuldspruch von Beginn an, schon gar nicht ein solches vorgegaukeltes Erbe!


4887

Redaktioneller“ Hinweis: Es folgen wieder ein paar Tage Pause – ohne besonderen Anlass, mir ist einfach danach, ganz freiheitlich, aber ich bleibe verbindlich, mir selbst treu.


4888

Selbstverständlich halte ich Abstand zu allen, die das wünschen, und darüber hinaus gehe ich von mir aus auf Abstand zu immer mehr Menschen, die glauben, mir ihre bisweilen krankhaften Meinungen aufzwingen zu müssen. In freiheitlicher Achtung vor dem emanzipierten Menschen verbitte ich mir dumm-dreiste, nötigende Bevormundungen.


© Raymond Walden

 

 


 

Freitag, 28. August 2020

Menschliches Glauben: Die Staatslüge (S. 141)

 


Februar 1996


Seit 1981 war der ehemalige französische Staatspräsident François Mitterrand krebskrank. Um an der Macht zu bleiben, belog er sein Volk und die Welt, indem er sein Leiden verschwieg. Heimlich wurde er jahrelang behandelt, immerhin ein Mann, der über eine atomar gerüstete Streitmacht gebot. Jedem Lokführer oder Flugzeugpiloten hätte man gerechtfertigterweise seine Position entzogen. (Quelle: „Die Zeit“, 26.1.96) Aber scheinbar gilt für sendungsbewusste Politiker ein anderer Maßstab. So erklärt sich auch die banale Doppelmoral des Präsidenten, sich mehr oder weniger öffentlich neben der Ehefrau eine weitere Dame als Geliebte zu halten. – War er nicht Christ??

     Immerhin, und das ehrt den Franzosen, hat er seine Regentschaft einigermaßen bewältigt. Sein persönlicher Freund, der deutsche Kanzler Kohl, ist drauf und dran, viel drastischere Staatslügen auszusitzen. Seit seiner Amtsübernahme spricht er von sicheren Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Aus dem Geschichtsunterricht habe ich indes nicht vergessen, dass eine hohe Arbeitslosenquote Hitlers Machtergreifung seinerzeit wesentlich erleichterte – nunmehr ist diese sogar überschritten. Ich „vergesse“ auch nicht, wie Hitler mit Stalin über das Schicksal machtloser Völker des Ostens entschied. Heute unterstützt der deutsche Kanzler uneingeschränkt und fortdauernd den russischen Präsidenten Jelzin, der im Kaukasus ungehemmt den Freiheitswillen eines Volkes in Blut auflöst. In ihrer auf Machterhalt gerichteten Verbundenheit gehen Jelzin und Kohl über Leichen, weil der russische „Reformkurs“ angeblich gestützt werden müsse. So verrät der Christdemokrat Kohl freiheitliche Ideale, begünstigt durch die mangelhafte Präsenz einer nicht vorhandenen Opposition. Kann es da wundern, dass auch in den neuen Bundesländern Menschen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen und psychischen Leidensfähigkeit geraten, weil der Machtmensch aus Bonn seine eigenen Weissagungen über „blühende Landschaften“ längst als Täuschungsmanöver abgeheftet hat? Aber der Kanzler mit klerikalem Wohlwollen, der bei seinem Russlandbesuch im Februar 1996 jeden Kontakt mit der dortigen Opposition mied, besuchte stattdessen medienwirksam ein orthodoxes Kloster.

     Im Juni diese Jahres wird der römische „Vertreter Christi“ ihm persönlich die Aufwartung machen. Wiederum habe ich nicht vergessen, dass es vatikanischer Tradition entspricht, Regierungen zu hofieren, die sich auf Christentum, Gott oder Vorsehung berufen. „Gott mit uns“ stand auf dem Koppelschloss der Wehrmachtssoldaten. Aber das berührt schon eine weitere exemplarische Staatslüge: „In God we trust“ ziert die amerikanische Dollar-Note – „Wir vertrauen auf Gott“. Ein Blick auf das US-Sozialsystem offenbart Abgründe genauso wie das allgemeine Bildungsniveau – von den weltweiten amerikanischen Kriegsverbrechen ganz zu schweigen.


© Raymond Walden


Donnerstag, 27. August 2020

Menschliches Glauben: Ein „Soldat des Friedens“ ist gefallen. (S. 140)

 


Dezember 1995


Yitzhak Rabin wurde Opfer einer Gewalttat. Die Tragik und das menschliche Mitgefühl gründen sich darauf, dass er ausgerechnet für seine Bemühungen um den Frieden ermordet worden ist. Wieder einmal macht ein Verbrechen betroffen. Verständlich, dass eine breite Weltöffentlichkeit dem Toten ihre Reverenz erwies.

     Aber, ich frage, war sein Leben wertvoller als all die Leben, die er als herausragender israelischer Soldat auf dem Gewissen hatte? Rabin war ein ideologisch eingeengter Mensch wie große Teile sogar nicht religiöser israelischer Menschen auch, weil sie einen extrem starken Bezug zur Bibel haben. Der Mörder Rabins kommt aus ihren eigenen Reihen, geprägt von religiöser und nationalistischer Verblendung. Er hätte ohne jede Frage auch aus dem fundamentalistischen arabischen Lager kommen können.

     Die einzige Lehre für mich: „Wer vor dem Hintergrund irgendwelcher „heiligen Schriften“ Menschen tötet, ist friedensunfähig. Soldaten des Friedens sind in Ausübung ihres Kadavergehorsams ebenso Tötende. Es gibt gar keine Friedenssoldaten; Soldaten sind Krieger.


© Raymond Walden

 

 


Mittwoch, 26. August 2020

Menschliches Glauben: Das Credo deutscher Politik (S. 139)

 


Oktober 1995

 

WDR II, Hörfunk, „Morgenmagazin“: Interview mit Staatssekretär Schäfer vom Auswärtigen Amt, Anlass die Wiener Konferenz zur Ächtung von Landminen. Alle 20 Minuten, so ist zu hören, werde ein Mensch durch sogenannte Antipersonenminen verletzt oder getötet. Dermaßen unkontrolliert verbreitet seien die Mordinstrumente in über 60 Ländern der Erde. Es gehe in Wien ausschließlich um diese Minenart und nicht um Panzerabwehrminen. Der Moderator insistiert unerbittlich: Sollte die Bundesrepublik nicht das Verbot aller Minen fordern, die Herstellung und den Export untersagen?

     Dies sei nicht Thema in Wien, sagt der Staatssekretär in arroganter Gelassenheit, die mich zwischendurch sogar zu einem anderen Sender wechseln lässt. Doch dort ist Werbung angesagt, also kehre ich zurück und vernehme das allenthalben und überall zu belegende Credo der deutschen Politik schlechthin. Ein Verbot aller Minen könne man nie und nimmer auf der Konferenz durchsetzen; so bleibe der Politik immer das Mögliche des Machbaren, und man wolle sich nicht in Pathos verschleißen. – Wie gesagt, alle 20 Minuten ... Mir scheint, Minen sind nur eine der unbedeutenderen Ausgeburten der Politiker solcher Prägung.


© Raymond Walden

 

 


Dienstag, 25. August 2020

Menschliches Glauben: Ein kleiner Frieden geht zu Ende (S. 138)


August 1995


Nie wieder darf von diesem Boden Krieg ausgehen“, war das zunächst hohe Ziel, das nach 1945 von den Alliierten den Deutschen aufgestempelt wurde (die Sieger freilich bombten in den folgenden Dekaden, was das Zeug hielt), und die angeblich geläuterten (West-)Deutschen erlebten tatsächlich die wohl längste Friedensperiode in Zentraleuropa.

Dass sie ihr Industriewachstum auch einem blühenden Waffenhandel zu verdanken hatten, war völlig konform mit christlich-abendländischer Friedensauffassung. Der Kommunismus als der real erstandene Antichrist rechtfertigte Waffenexporte in selbst abenteuerlichste Stellvertreter-Kriegsregionen.

Man stelle sich vor, die Deutschen hätten zum Zeitpunkt ihrer Wiedervereinigung wirklich einmal eine außergewöhnliche Regierung besessen (auch, um die Schandtaten der Nazis durch nunmehr weltweit positives Vorbild zu sühnen). Diese fiktive Regierung wäre, treu dem christlichen Nichttötungsgebot, aus jedem Waffenhandel ausgestiegen, hätte ihr Militär ausschließlich zu Verteidigungszwecken beibehalten, hätte versucht, die NATO-Partner zu einem konsequenten Verteidigungsbündnis zu bewegen, verhielte sich einfach gewaltlos, friedlich. Tagträume? – Welchen Gegner hätte die NATO seit dem Zerfall des Kommunismus zu fürchten, wenn sie nicht selbst ihre Feinde und Feindbilder aufrüstete?

Briten mit viel zu eingeengten Inselhorizonten, Franzosen, narzisstischer Atombombenpolitik verfallen, die USA, europa- und weltentrückt, selfconcentrated, Japan, Wirtschaftsriese mit transzendenter Gesellschaft, wie Deutschland am Ende der militärischen Zurückhaltung: Die Regierungen (nicht die Völker!) all dieser Staaten frönen dem Wachstum, kennen keine Friedenskonzepte noch wirklich ehrliche Bemühungen zum Schutz des globalen Lebensraums.

Diese Versager rufen nach deutscher Kriegsteilnahme im ehemaligen Jugoslawien, weil sie Entlastung in ihrer chaotischen geschäftlichen Opportunität suchen. Und nun „marschiert“ Deutschland wieder, Militärseelsorger werden beten und segnen, und das Volk weiß wieder nichts. – Deutschlands kleiner Frieden ist dahin.

Am Rouletttisch der Kriegspolitik sitzt ab jetzt ein altbekannter Finanzriese mehr. Deutschland ist wieder hoffähig im Club der Schweine (G. Orwell: „Animal Farm“, Die Prinzen: „Man muss ein Schwein sein“).


© Raymond Walden



 

Montag, 24. August 2020

Menschliches Glauben: 4. Politik, „Glücksfall Kohl“ (S. 137)

 


April 1995

 

Von der „Bundeszentrale für politische Bildung“ in Bonn sollte man eine gewisse Neutralität erwarten können, haben doch parteipolitische Meinungsäußerungen nicht von vornherein irgendwelchen Bildungswert. In der Zeitung der Zentrale „Das Parlament“ wird hingegen klar, dass die Herausgeber politische Bildung gern auch mit der regierungsfreundlichen Darstellung politischer Sachverhalte verwechseln. Beispiel, Nr. 13-14,1995: „Der Bundeskanzler wird 65. Helmut Kohl – Glücksfall für Deutschland“. Michael Glos von der CSU-Landesgruppe biedert sich beim Regierungschef durch ungebremste Würdigung der kohlschen Eigenschaften an. Ich erlaube mir zu relativieren.

     1982 trat Kohl seine Regierung mit dem Versprechen an, jedem Auszubildenden einen Lehrplatz zu garantieren. Daraus ist nie etwas geworden. Mehr noch, seither gibt es in Deutschland hohe Arbeitslosenquoten. Die Staatsverschuldung ist nicht erst mit der deutschen Einigung ungehemmt gestiegen, trotz seinerzeitiger gegenteiliger Ankündigungen. Unbeirrter Wachstumsglaube zeitigt auf den verschiedensten Sektoren drastische Nebenwirkungen, die der Kanzler verdrängt. Kohl ist nicht aus eigener Fähigkeit der Einigungskanzler, sondern profitierte vom Zerbrechen des maroden Sowjetsystems. Als der Kanzler zuvor Honecker auf rotem Teppich empfangen hatte und den DDR-Kommunisten von Strauß Milliardenkredite vermittelt worden waren, hatten die christdemokratischen Herrschaften wie viele andere in der Bundesrepublik mit deutscher Einheit nichts im Sinn gehabt. Als Verdienst Kohls mag gelten, die Einheit unter den gegebenen Voraussetzungen schnell vorangetrieben zu haben, zumal im übrigen Europa separatistische Bewegungen die Völker mehr und mehr in Probleme trieben.

     Kohl hält sich an der Macht, weil seit Jahren keine überzeugende Opposition existiert. So ist dem Kanzler selbst ein Angriff auf die Pressefreiheit mit Auflösungsforderungen für Teile der ARD ungestraft möglich. Unter seiner Kanzlerschaft ist die dümmliche Verflachung und Desorientierung einer privaten Medienlandschaft mit allen zu verantwortenden gesellschaftspolitischen Konsequenzen erfolgt. Bei dieser Massenverblendung hilft dem Kanzler seine Kirchentreue, die die Verfilzung von Staat und Kirche festschreibt.


© Raymond Walden

 

 

 

Freitag, 21. August 2020

Inner Emigration

 



Cosmonomic Glimpse (18)

from a Viewpoint of Liberty



Ever since in mankind history

enlightenment has survived by inner emigration only.

The common “Interim Humans” have no idea of it,

they do not understand

because they want to believe

they want to be governed and lead by their adequate

Presidents, Chancellors, Kings and Popes

and their adjutants

who know in all

what is right

what has to be right

how to preach and insist

and how to punish any doubts

or exterminate any dissidents.

So

every Cosmonomer,

Pacifist, Cosmopolitan and Freethinker

is symbolizing an Island

within a tremendously roaring crowd

of inhumanity.


Take good care of yourself, my friend.

It is ours to live exemplarily in peace

and dignity

whenever and wherever we have the opportunity.

 

 

Montag, 17. August 2020

Corona-Hysterie


Corona bezeichnet eine dramatische und grausame Krankheit.


Aber viele Existenzen mehr werden gnadenlos zerstört durch die globale Corona-Hysterie, die eine drastische Realität aus Angst und Dummheit dokumentiert.


Die Mischung, geschürte Furcht und indoktrinierte Ignoranz, ist ja nun seit jeher als Machtmittel von Regierenden gegenüber zu entmündigenden und zu unterdrückenden Völkern bekannt. Auch Orwells totalitären Schweine (Animal Farm) herrschten dem Prinzip gemäß.

Dabei spielt es keine Rolle, ob sich Nazis, Kommunisten, Kapitalisten oder Nationalisten jeglicher Glaubensrichtungen als „Schweine“ aufspielen, sogenannte „Wissenschaftler“ sind immer mit von der Partie.

Wirkliche, seriöse Wissenschaftler hingegen landen im Abseits – oder sogar in der Verbannung.


Mit Wissenschaft nicht, mit Verantwortungsbewusstsein nicht, mit freiheitlicher Aufklärung und Demokratie nicht – und nicht mit kosmonomer Philosophie hat dieses irrwitzige Welt-Theater etwas gemeinsam.

Die bedrohliche Krankheit Corona verlangt indessen humanes, intelligentes, definitiv wissenschaftliches, objektivierbares, kausales Vorgehen zur Gesundung des Einzelnen – und besonders auch der Gesellschaft.


Panik erzeugende und befeuernde Medienkampagnen, basierend auf politischer Inkompetenz bezüglich eines ernsthaften medizinischen Problems im Jahre 2020, erweisen sich aber, nunmehr seit Monaten, als desaströse Irrwege.


Kulturvölker der Welt, das kann nicht euer Ernst sein!

 

 


 

Samstag, 15. August 2020

Vom freien Schreiben


Schreiben zu können, was man wie und wann will,

freiwillig,

ohne Auftrag und Terminzwang

und dabei ebenso freiwillig, der Wahrheit,

der Fairness und Menschenwürde verbunden,

zu sinnieren und zu formulieren,

das entfaltet Freiheit

im eigenen publizistischen Selbstverständnis,

das niemanden zum Lesen nötigt, keine Meinung oktroyiert,

wohl aber zum Denken – weniger zum Glauben – anregen mag,

um, wenn gewünscht,

eine saubere, sachliche Meinungsbildung zu initiieren

und konsequent kultiviert zu einem Ergebnis zu führen.


Ist eine innere wie öffentliche Diskussion jedoch unwillkommen

oder gar verboten,

bleibt dem Autor dennoch die ihm nicht zu nehmende Genugtuung

an seiner „in die Welt entsandte“ Denkweise.

Begegnet diese ihm gelegentlich als korrektes Zitat wieder,

irgendwo, irgendwann,

vielleicht sogar übersetzt in eine andere Sprache,

wird er gewiss

mit ein wenig bestätigender Zufriedenheit vor sich hin lächeln

in seiner außerordentlichen Freiheit, und er wünscht sich,

dass sie ihn nie verlassen möge,

diese kosmonomische und freie Selbstbestimmung,

für die er spricht, die er beschreibt.

 

 

 

Mittwoch, 12. August 2020

Sequenzen von Skepsis (380)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:


4865

Folgt man dem Wust üblicher Gesundheitsratgeber, fällt es schwer, nicht zu erkranken, nicht bereits krank zu sein.


4866

Niemand will eine Mauer bauen“, denn sie ist schon da!


4867

Wenn es zur Sache geht, offenbart sich der Mangel an Sachverstand.


4868

Inhaltlich unabhängig und frei sind nur die Urheber, die um des Schaffens willen arbeiten und wirken können und deren klarer Geist durch keine dogmatisierende Indoktrination verstümmelt wurde.


4869

Wo Leistung die Freude am Menschen ausstrahlt, da bringe dich ein, da verausgabe dich und rekreiere; du bist willkommen, geachtet und gleichberechtigt im ehrlichen Suchen und Streben nach dem lebendigen und humanen Drang von und nach Freiheit.


4870

Manche Stimme verstummt lange schon, bevor sie stirbt, weil sich das Leben bisher als verrückt genug erwies.


4871

Covid-19 ist eine sehr ernstzunehmende Krankheit zum einen, zum anderen eine außer Kontrolle geratene Psychose aufgrund weltweit geschürter Panik zum Schaden von Milliarden Menschen, die nicht erkrankt sind.


4872

Der „Faktenchecker“ heißt nicht Wahrheitsprüfer, denn im Auftrag der Lügner bestätigt er lediglich die Lüge als „richtig“ und unterstreicht durch den „denglischen“ Wissenschaftsanschein seine Windigkeit.


4873

Die schreibende Hand streichelt das Papier, sie mag es auch bürsten. Tippende Hände haben dazu keinen Bezug – in formatierter Eile und umgebrochener Sprache.


4874

Im sonnendurchfluteten Tal brummen und dröhnen die Mähdrescher und bringen die Ernte ein. Wohltuend die Ruhe danach, die Natur flüstert friedliches Leben. Dann schrilles Donnern und Grollen, aufsteigend und berstend, entschwindend und erneut kreisend hoch am Himmel. Eine ganz andere Ernte wird gedrillt, die dem Frieden das Feld verwüstet.


4875

Vereinsamt in der Masse zu sein, hat etwas Aussätziges, während mit Bedacht gewählte Einsamkeit Heilsames erwirken kann.


4876

Gezeichnet durch Vergangenheit, Gegenwärtiges flüchtig und oberflächlich durcheilend, Künftiges erhoffend – eher befürchtend, so vegetieren die Leichtgläubigkeit und das Eingezwängte, so verlebt sich der Interimsmensch.



© Raymond Walden


 

 

 

Dienstag, 11. August 2020

Menschliches Glauben: Verschlimmbesserung des Bildungssystems (S. 132)

 


Dezember 2001


Ein deutscher Pädagoge meldete sich Ende 2001 zu Worte und erlebte ein seltsames Wechselbad der Gefühle. Hier zunächst der authentische Text:

Als Lehrer einer Hauptschule mit 30 Jahren Berufserfahrung vertrat ich schon lange die Auffassung, dass nur eine weitgehend gleichgültige Öffentlichkeit die Augen vor dem Bildungsskandal in Deutschland derartig verschließen kann, dass es jetzt einer Vergleichsstudie (Pisa) quasi als Signal von außen bedurfte, den Missstand ungeschönt wahrzunehmen. Allein, die aufgescheuchte Reaktion auf die Studie beweist die pädagogische Orientierungslosigkeit der Gesellschaft, die ja dieses (Un-)Bildungssystem hervorbrachte. Im einfachsten und dümmlichsten Falle kritisiert man jetzt die Lehrer, und als solcher möchte ich an den Werdegang des Desasters erinnern.

  1. Da gab es einmal eine „Ganzheitsmethode“, mit der Schüler wirkungsvoller schreiben und lesen lernen sollten. – Fehlschlag!

  2. Die Mathematiker folgten der Philosophie der Mengenlehre. – Fehlschlag!

  3. Geisteswissenschaftliche („Schwafel"-)Fächer traten in den Vordergrund, die Naturwissenschaften wurden vernachlässigt.

  4. Rechtschreibung wurde zumindest in der Hauptschule erst in den Nebenfächern, bald auch in Englisch (Vokabeln lernen überflüssig!) und dann sogar in Deutsch immer weniger oder gar nicht bewertet.

  5. Bildete man zunächst aus etwa zehn verschiedenen Hauptschulen ein 10. Schuljahr für die besten Schüler zum Erwerb des Realabschlusses, dauerte es gar nicht lange, und fast jede Hauptschule richtete ein 10. Schuljahr ein. Möglich war das nur durch drastische Senkung der Leistungsanforderungen - eine Augenwischerei ohne Beispiel!

  6. Wenig später wurde ein weiterer 10. Jahrgangstyp A eingeführt, der de facto keine höhere Qualifikation darstellt als der Abschluss der 9. Klasse. Völlig demotivierte und frustrierte Schüler werden ein Jahr lang verwahrt!

  7. Gab es vor einigen Jahren noch Förderschulen, die Aussiedler- und Ausländerkinder in ihren sprachlichen Problemen auffingen, integriert man heute an Hauptschulen häufig, indem diese Kinder mit oft geringsten deutschen Sprachkenntnissen einfach in die Regelklassen kommen – mit all den sozialen Konflikten, die gewaltsam hochkochen.

  8. Der Kinderanteil fremder Kulturgruppen erreicht in vielen Klassen mehr als 75% – wer soll hier wohin und wie integriert werden?

  9. Aus diesem Spannungsfeld heraus und auch aus einem fatalen Erziehungsversagen der Elternhäuser erwächst eine gnadenlose Disziplinlosigkeit der Schüler gegenüber Mitschülern, Lehrern und schulischen Einrichtungen. Und die Schulministerien nahmen den Lehrern nahezu alle Möglichkeiten, Disziplin durchzusetzen, es sei denn, in einem Verwaltungswust „Klassenkonferenzen" zu organisieren, die sehr oft ausgehen wie das Hornberger Schießen. Ohne ein Mindestmaß an Disziplin und Ordnung ist Schule ein Zirkus, ein Schmierentheater.

  10. Der Elternwille wird im gesamten Schulwesen überbewertet und führt zu grotesken Entscheidungen der Schulträger, Schulverwaltungen und pädagogischen Konferenzen, denn viele Eltern sind schlicht inkompetent, sachunkundig, von falschem Ehrgeiz getrieben und leider oft Versager in der Kindererziehung. Die Defizite arbeitet keine Schule auf.

  11. Wenn es stimmt, dass 25% der Schulanfänger Sprachstörungen aufweisen, dann hat daran kein Lehrer Schuld, es sei denn die seinerzeitigen Lehrer der Eltern, die jetzt zu Hause die Kommunikation nicht pflegen können! Doch ich versichere, da ich jetzt ja solche Eltern vor mir habe, die ich selbst unterrichtete: Wir als Lehrer konnten schon damals wenig retten, was in Familien schiefging.

  12. Es hat sich pädagogisch weithin eingebürgert, den schwächeren Schülern über das normale Maß hinaus Aufmerksamkeit und Förderung zukommen zu lassen, eindeutig zu Lasten der normalen Schüler, denn der Lernfortschritt der gesamten Klasse wird auf diese Weise gebremst. Das Ergebnis zeigt die Studie Pisa!

  13. Die Eingangsklassen 5 der meisten Hauptschulen sind echte Restschulklassen, denn aus den Grundschulen strebt alles, unter den Verhältnissen verständlich, in andere Schulformen. Ich habe wiederholt 5. Klassen an der Hauptschule geleitet: Vielleicht 10 bis 20 % der Kinder waren nicht verhaltensauffällig, das heißt, die große Mehrheit ist gestört.

  14. Das Ergebnis basiert sicherlich auch, aber nicht nur auf der Kuschelecken- und Spielpädagogik der Grundschulen, die mit viel zu viel weiblichen Lehrkräften eine ungesunde Lebenssituation repräsentieren.

  15. Anstatt nun diesen und vielen weiteren Missständen klar zu begegnen, favorisieren Bildungspolitiker „autonome Schulen" die im Konkurrenzkampf untereinander stehen. Die Folgen sind vorhersehbar; es wird nach außen noch mehr gelogen, was die jeweilige Schule angeblich leiste. Modetrends und Schülereinzugsbereiche der unterschiedlichen Sozialschichten werden das hervorbringen, was nicht nur in den USA zu bestaunen ist: eine desaströse Allgemeinbildung, und die Reichen schicken ihre Kinder auf teure Elite- bzw. Privatschulen.


In allen Berufen gibt es engagierte und auch weniger geeignete Personen, so auch natürlicherweise bei den Lehrern; übrigens auch bei Hochschullehrern, die hauptsächlich manchen pädagogischen Unsinn zu verantworten haben. Ein System der Leistungskontrolle auch bei Lehrern ist berechtigt, mindestens ebenso berechtigt ist die Kontrolle der Kultusministerkonferenz, unter deren Mitgliedern seit Jahren die Inkompetenz fröhliche Urständ feiert, denn diese Herrschaften denken gerne nur in Wahlperioden und sind von Pädagogik offensichtlich ganz weit entfernt.

Letzteres gilt übrigens auch für viele Gymnasiallehrer, in deren Ausbildung Pädagogik viel zu kurz kommt.

Eine weitere Täuschung ist die Gesamtschule: Viel Gerede (Konferenzen) und nicht mehr Effizienz! Massenverschulung auf der Basis von Gleichmacherei, Anonymität und auch Negierung unterschiedlicher Begabungen, Talente und Bedürfnisse.

Wenn nun Politiker und ihre Berater glauben, auf das miserable Abschneiden deutscher Schüler im internationalen Vergleich mit „Diagnosefähigkeiten" der Lehrer für lese- und rechtschreibschwache Schüler reagieren zu müssen, offenbart sich der Diagnosebedarf für eben solche Schwätzer! Lehrer sollten in erster Linie lehren, Lernwillige fördern und zur Leistung motivieren. Diagnostizieren ist vor allem eine Aufgabe von Medizinern, Psychologen und Psychiatern.

Ferner sollte man nicht länger falsche Zusammenhänge mit Computern knüpfen, denn die Ausstattungen der Schulen sagen zunächst gar nichts über die Qualität des Bildungssystems aus. Vor jeden Bildschirm gehört erst einmal ein denkfähiger Kopf, das Denken spielt sich aber vorrangig in der Muttersprache ab, also ist diese in jedem Fall als zu beherrschendes Grundhandwerkszeug unverzichtbar.

Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her, ganz besonders auch, wenn sich Medienkonzerne in die Bildung finanzkräftig einmischen und „Medienerziehung" an den Schulen fordern. Was diese TV-, Rundfunk- und Pressemacher zunehmend an Schund in die Familien senden, ist schulisch nicht zu entsorgen.

Da mag es symptomatisch anmuten, wenn die beamtendeutschen Begriffe „Allgemeine Schulordnung" amtlich mit „ASCHO" und „kollegiumsinterne Fortbildung" mit „KIF" abgekürzt werden; jegliches Sprachgefühl ist offensichtlich verloren gegangen!

Jahrelanges Zusehen, wie die Lehrerschaft in Ermangelung von Neueinstellungen überalterte, schamvolles Verschweigen, dass immer mehr Lehrer in diesem Chaos resignieren, erkranken und vorzeitig den Ruhestand antreten, das sind weitere Versagen der parteiideologisch und nicht pädagogisch ausgerichteten Ministerien und untergeordneten Stellen. Allen demokratischen Parteien ist dieses Versagen anzukreiden, das überhaupt nicht für Wahlkämpfe taugt, auch wenn manche schon wieder ihr Parteisüppchen kochen möchten. Das Desaster ist viel schwerwiegender: Die Mündigkeit des Bürgers wurde und wird dilettantisch verhindert, ausgehebelt durch grenzenloses Anspruchsdenken, durch Egoismus, Familien- und Kinderfeindlichkeit, durch weinerliche Unbelastbarkeit und durch die Flucht vor jeder Anstrengung. Denn Schule muss auch Anstrengung wert sein, dann erst kann Freude an der Leistung, am Erfolg aufkommen. Dazu braucht es jetzt in dieser Gesellschaft besonnener Zivilcourage.“

Nach Erscheinen der vernichtenden Bilanz in einer Tageszeitung (ohne die Ausführungen über die Gesamtschule) folgte ein überwältigendes positives Echo, der Artikel fand durch ungezählte Kopien Verbreitung bis ins benachbarte Ausland. Ein emeritierter Professor zollte höchstes Lob und gestand ähnlich wie viele andere Pädagogik-Pensionäre, in seiner aktiven Zeit in der Lehrerausbildung nicht mutig genug gewesen zu sein, seine Stimme zu erheben.

Als der Kritiker, selbst ohne Parteizugehörigkeit, schließlich auch noch bei politischen Veranstaltungen zum Thema referierte, wurde er auf Druck einflussreicher Schulleiter zum Schweigen gezwungen.



© Raymond Walden



Redaktionelle Ergänzung:

Der Artikel erschien auch auf diesem Blog schon am 29.06.2009, nachzulesen => hier.

Die meisten Hauptschulen sind inzwischen geschlossen, pädagogisch und organisatorisch abgewirtschaftet, politisch vernachlässigt und fehlgeleitet!

Wie haben sich die Verantwortlichen auf den damals aktuellen Homepages der jeweiligen Schulen, auch im Konkurrenzkampf untereinander, selbst und den Eltern etwas vorgelogen!

Zu wie vielen „Fortbildungen“ wurden Lehrer verpflichtet, wie viele Arbeitszeit investierte man für die Erstellung der Internetseiten mit den jeweiligen rosigen „Schulprogrammen“!

Alles war erkennbar für denkende Pädagogen, doch die waren eher nicht gewünscht, sondern Konforme und Opportunisten!

Das „schillernde“ Schülerpotenzial des gescheiterten Schulsystems hat sich selbstredend mit dem Verschwinden der Schulform nicht aufgelöst; es wurde von den gegenwärtigen, so überaus „integrierenden“ Schulformen adaptiert – mit unveränderten Täuschungen der Öffentlichkeit bezüglich des Niveaus.

 

 

Montag, 10. August 2020

Menschliches Glauben: Pädagogik, die keine ist (S. 130)


März 2001


Da in den zivilisierten Staaten fast jeder die Schule mehr oder weniger erfolgreich besuchte, fühlen sich auch viele berufen, bei Themen wie Schule, Erziehung oder Pädagogik mitzureden, sodass Konzeptionslosigkeit und der Mangel an Effektivität fröhliche Urständ feiern. Was immer man persönlich denken mag, nichts kann das allgegenwärtige Bildungsdefizit und die Orientierungslosigkeit einer immer größeren Anzahl von Jugendlichen schönreden. Einfache Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben oder Rechnen und an sich selbstverständliche Umgangsformen für das soziale Miteinander werden im heutigen Schulsystem unzureichend vermittelt, mehr noch, durch eine verantwortungslose Vermassung in Großschuleinrichtungen werden alle möglichen Negativfaktoren erst erzeugt und gefördert. Eine weitgehend antiautoritäre Erziehung auf der Basis einer Leistungsnivellierung, der Duldung von Disziplinlosigkeit und Unordnung bei gleichzeitiger Übergewichtung von sehr häufig völlig unvertretbarem, weil unqualifiziertem Elternwillen führt zu einem Chaos, das von Parteiideologen und ihren opportunen Ausführungsorganen nur noch gestützt wird. Lehrer stehen hilflos zwischen Vernunft und Schwachsinn, haben keine Mittel zur Durchsetzung sinnvoller Regeln und resignieren, erkranken scharenweise, denn Missstände dürfen nicht einmal mehr in klaren Beurteilungen ausgedrückt werden, Qualifikationen müssen auf immer niedrigerem Niveau erteilt werden, weil politische, nicht pädagogische Vorgaben die Demokratie missdeuten: Gleichberechtigung kann niemals Gleichbefähigung sein, weil die Menschen von Natur aus sehr verschieden sind.

     Es handelt sich sehr wohl um ein gesellschaftliches Problem; misst man also diese Gesellschaft an ihren Schulen, so fällt sie ganz einfach durch. Sich deshalb Privatschulen zuzuwenden, kann nur ein fragwürdiger Ausweg sein, blühen doch hier erst recht alle möglichen Absonderlichkeiten. Eltern müssen endlich wieder begreifen, dass sie sich ihren Kindern intensiver zuwenden müssen. Solange die Schulen derartig abwirtschaften, ist das Elternhaus erst recht gefordert. Das Problem liegt aber noch tiefer, denn inzwischen ist es so weit, dass die Eltern selbst durch diese defizitären Bildungsanstalten gegangen sind, es also gar nicht besser wissen können oder wollen. Und dann ist da noch der Einfluss der Medien, jener Großverleger und Institutionen, die sich allen Ernstes anschicken, „Medienerziehung“ in den Schulen zu etablieren, damit dem eigentlichen Lernprozess weitere Zeit verlorengehe, um den Medienschund mit den Kindern aufzuarbeiten, den diese wohlmeinenden Medienzaren zu verantworten haben.

     Wir gehen amerikanischen Zeiten des Massenalphabetismus entgegen, während beispielsweise die Herrschaften aus den Chefetagen großer Konzerne ihren Nachwuchs in privaten Eliteschulen fachlich auf hohem Niveau ausbilden und menschlich verkümmern lassen.

     Ich denke, es wird deutlich, wie anstrengend, aber auch wie lohnend es ist, Kinder in elterlicher Geborgenheit aufwachsen zu lassen.


© Raymond Walden

 

 

 

Sonntag, 9. August 2020

Cosmonomic Truth


Hiroshima and Nagasaki:

Hostile radioactive greetings from America,

the land of the free!

Politicians there are as 'free' as all the

other warmongers everywhere.

Mankind is so 'free'

to create atomic weapons

for total destruction and complete killing!


Sorry, Hiroshima and Nagasaki,

your fate doesn't teach the rulers of the world.

Their mentalities have not changed really.

What happened thereafter?

Regrets?

Shame?

Apologies?

Charging?

Tribunals?

Justice?

Compensations?


Nothing like this!

Nationalist pride instead,

ridiculous justification of mass murder

threatening the world by gigantic weapon arsenals

and by unscrupulous ideological lies.


What the world is needing most

is recommended as Cosmonomic Truth!


 

 

 

Samstag, 8. August 2020

Menschliches Glauben: Leere Lehren, Leere lehren! (S. 128)


August 1998

Spielen wie Flasche leer“, frei zitiert nach dem Ex-Bayern-Trainer, markiert belustigend wie traurig den Gesamtzustand derer da in (noch) Bonn und in den Provinzkapitalen von sogenannten Freistaaten deutsch-regionaler „Streusandbüchsenmentalität“, die sich ebenso friesisch platt wie rheinländisch schunkelnd oder „alpiaviolett“ äußert. Aus den zeitgenössischen Hofburgen werden die „demokratischen Dogmen“ verkündet, die kein anderes Ziel aufzuweisen scheinen, als die Demokratie auszuhebeln. Leere Lehren sind nicht nur inhaltslos, sie sind wertlos, weil falsch!

     Geradezu ein Klassiker innerhalb dieses Vakuums ist die Bildungsstrategie, die natürliche Begabungsunterschiede in Gleichmacherei auflöst, indem sie Leistungen durch psychosoziologische Parawissenschaft nicht nur verwässert, sondern im Ergebnis sogar diffamiert. Die daraus zu folgernde hohle Sinnigkeit ist unbeschreiblich breit: Arbeitsplätze müssen angeblich durch massenhafte Waffenlieferungen an streitende Staaten erhalten werden, die mit dem zerstörerischen Instrumentarium unfassbares Leid erzeugen, das wir dann durch lächerliche Caritasspenden ein wenig lindern.

     Unendlich ist diese Leere; sie dokumentiert sich exemplarisch in zwei kaum gewürdigten Vorgängen. Bundeskanzler Kohl ernennt einen Herrn von der Bild-Zeitung zu seinem Wahlkampfmanager, denn „Bild“ entspricht offensichtlich dem Niveau des Herrn Kanzlers oder aber dem IQ, den der Kanzler seinem Wahlvolk zubilligt. Er selbst hält sich auf großen Wahlplakaten für „Weltklasse“. Damit befindet er sich in der feinen Gesellschaft des NRW-Ministerpräsidenten Clement, der wiederum den RTL-Chef Thoma zu seinem Medienexperten (mit hoher Entlohnung) beruft, ausgerechnet jenen Mann, der auch für extreme Schwachsinnssendungen als Repräsentant dasteht. Und dieselbe NRW-Regierung glaubt wie andere Institutionen und Hochschulen, Lehrer müssten „Medienerziehung“ wider Gewalt und Pornografie in den Schulen veranstalten. Es soll leeres Stroh gedroschen werden vor Ort in den Klassenzimmern, in end- und ergebnislosen Lehrerkonferenzen, von hochtrabenden sogenannten Fortbildungen gar nicht zu reden.

     Freilich viel prunkvollere Hoch-Zeiten feiert die leere Lehre in Unternehmen und Konzernen, die ihre leitenden Angestellten zu wahren Wahnsinnsseminaren delegieren. Keine noch so schräge psychopathische Idee kann davor abschrecken, die Untergebenen zu irritieren, gefügig zu machen und im Sinne des Unternehmens als Vervielfältiger der höhersinnigen Sinnleere zu rekrutieren, selbstredend steuerlich absetzbar.

     Bunt wäre das Kaleidoskop leerer Lehren, deprimierend gar der „Befehlsnotstand“, leeres, unsinniges Zeug lehren zu müssen – und diesen Sud andererseits lernen zu sollen – immer eingedenk, dass fähige und auf der Höhe des Zeitgeists schwebende Wissensvermittler dies mit voller Überzeugung im Hinblick auf eine geistige Erneuerung tun.

     Drei Tage Sonnenschein im deutschen Sommer rufen bereits die Ozonfetischisten auf den Plan und treiben selbst die weniger Überzeugten zu freilich lächerlichem Aktionismus: Autos mit ungeregeltem Katalysator sollen nicht mehr fahren, Ozontickets sollen dem unbelehrbaren Germanen das öffentliche Vehikel schmackhaft machen, weil „Grünspinnerte“ bei Sonnenschein generell in Tränen ausbrechen. Gestern noch schickte man Patienten zu Kuren in Ozonbäder!

     Ach und erst die Gen-Problematik! Will man doch allen Ernstes Flecken auf dem Kleidchen der Monika Lewinski mit dem Sperma des US-Präsidenten vergleichen. Und irgend so ein Professörchen – freilich eine anerkannte Kapazität auf dem Ernährungssektor – muss nun eingestehen, dass seiner Bestätigungen der Schädlichkeit genmanipulierter Futterkartoffeln für Ratten eine schlichte Verwechslung der Versuchsreihen im Labor zugrunde liegt.

     Die Überschwemmungen in China, dort schon Tradition, haben ihren Ursprung neuerdings im „Schwesterchen“ von „EL Niño“, jener Fata Morgana, der selbst seriöse Wetterpropheten verfallen sind. Alle wissen offensichtlich, um was es geht, aber keiner tut etwas, denn sie ahnen vielleicht, dass sie einem gewaltigen Worthülsensalat aufsitzen: das ist die eigentliche Leere.

     So nährt sich manches Problem aus seinen eigenen Abfällen: Der Bettler wühlt im Abfalleimer der Zivilisation, der Bordellbetreiber philosophiert nicht, ob es das Zölibat, der Zölibat oder die Ehe heißt.


© Raymond Walden 

 

 


 

Freitag, 7. August 2020

Zwischenbemerkung zu „Menschliches Glauben“

 


Das Buch wird hier „häppchenweise“ komplett noch einmal veröffentlicht, nachdem es vom „Mainstream“ über zehn Jahre hinweg geflissentlich totgeschwiegen wurde und sich auf dem Büchermarkt nicht behaupten konnte.

Man achte beim Lesen auf die jeweilige Jahreszahl der Artikelentstehung (soweit angegeben), zwangsläufig können Ähnlichkeiten im Tenor immer wieder auffallen, denn es war mir von Anbeginn (Das Buch erschien 2008.) ein Anliegen, Entwicklungen aufzuzeigen, die zum heute überdeutlich erkennbaren Zerfall des freiheitlich-demokratischen Systems und zur medialen Verdummung führten.

Es mag dabei berechtigterweise die Frage aufkommen, ob die „westlichen“ Gesellschaftsordnungen überhaupt je aufgeklärten humanen Ansprüchen in ausreichendem Maße gerecht wurden.

Ich mache keinen Hehl daraus, wie meine Antwort lautet.

Das ist eben der Grund, warum ich erstmalig schon 1981 (!) kosmonomische Gedanken zu Papier brachte und sie später, quasi als Kurzfassung meiner Philosophie, im Kosmonomischen Manifest komprimiert habe.

Seither hat der Inhalt des Manifests dramatisch an Aktualität gewonnen!

 

 

 

Donnerstag, 6. August 2020

Menschliches Glauben: Bildung: Das Bild von der Welt (S. 127)


Februar 1996


Bildungsauftrag, Allgemeinbildung, Fortbildung, Bildungsminister ... Einbildung – nur wenige der vielsagenden Wortzusammensetzungen mit dem Begriff „Bildung“, der jenes Gut beschreibt, das angeblich Menschlichkeit begründet.

     Die Crux mit der Bildung offenbart sich bei genauerem Nachfragen in der Einbildung, mit Weltanschauung Bildung zu vermitteln, Bildung wird also letztlich als Ideologiekonformität dargestellt, gar mit opportun elitärem Element, wähnt sich doch jedwede Elite im Sinne des von ihr geschaffenen oder gestützten Anschauungssystems, auserkoren zu sein, ausgestattet mit Sondervollmachten, die aus Tradition und Religion abzuleiten sind: die „tugendhafte“ Protektion und Korruption unter Berufung auf nicht beweisbare höhere Prinzipien. Die Anforderungen beispielsweise der Universität in Cambridge mögen intellektuell noch so hoch eingestuft werden, was ist der humane Wert, wenn dort bis heute die Frauendiskriminierung in vielen universitären Bereichen nicht überwunden ist? Die Tradition gilt mehr als die Menschenachtung – das Ergebnis einer Jahrhunderte währenden Verbildung.

     Das mystische Weltbild der Religionen animiert alle menschlichen Sinne und hat zur Entstehung geradezu überirdischer Kunstschätze der Gottesverehrung geführt, aber weitaus häufiger zu katastrophalen Gewaltausbrüchen im Namen eingebildeter Heiliger. Die Bildraster sind interkontinental austauschbar: Ob Wodu-Gott oder Heilige Dreieinigkeit, sie sitzen seit Jahrtausenden vernunftwidrig im Kulturerbgut, sodass sogar heute die Entdecker neuer Sichtweisen, getauft und vereinnahmt, wie sie nun einmal sind, vor den Konsequenzen ihrer Erkenntnisse zurückschrecken, mehrheitlich kniend unter dem Kreuz oder betend gen Mekka verharren und mit den subtilsten Waffen in der Hand den ausgebildeten Eingebildeten dienen. Jenen sind sie willfährig, die noch am kleinsten Zwist verdienen, weil sie die Unbildung des gemeinen Volkes ausnutzen und als Monopolisten Schwachsinn als Bildung administrieren, gar unter der Vorgabe von psychologisierten „Lerntheorien“. Allein, solche „Klugheit“ verfehlt die Herzensbildung, einen seltenen Wert in einer traditionell scheinheiligen Umgebung.

     “Kein Mensch darf gegen seinen Willen durch Menschen getötet werden“, gemäß dieser Prämisse mögen alle Götter sterben. Das Bild von der Welt ist ein menschliches, kein göttliches. Dies demokratisch zu erkennen und zu leben, ist die Bildung, die Menschlichkeit sogar zur Menschenfreundlichkeit reifen lassen könnte. Keine Religion ist dieser Aufgabe gewachsen, wie die Geschichte beweist. Ganz im Gegenteil, sie blenden alle mit ihren „Offenbarungen“ die Menschen und nehmen sie, frei nach Nietzsche, in die Pflicht: "Betrüge weiter, selbst Betrogener, du“!


© Raymond Walden





Mittwoch, 5. August 2020

Menschliches Glauben: Erdstrahl-Opfer: Bonner Forschungsministerium (S. 126)


Oktober 1995


Was die Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e. V. (GWUP) schon seinerzeit als Kritik vorbrachte, was sie vor allem durch eigene öffentlich dokumentierte Untersuchungen belegte, wird jetzt, wie „DER SPIEGEL“ vom 18.9.95 verlautbart, auch von dem amerikanischen Verhaltenspsychologen James Enright bestätigt. Die Münchner Physikprofessoren H.-D. Betz und H. König haben drei Jahre lang ihren eigenen Aberglauben, dass es Erdstrahlen gäbe, erforscht, und zwar mit 400.000 DM Unterstützung durch das damals von Riesenhuber geleitete Forschungsministerium. Am Ende müssen Betz und König eingestehen: Es gibt keine Erdstrahlen im Sinne einer wohldefinierten Strahlungsart.

     Bemerkenswert erscheint mir, dass Enrights jetzige Schlussfolgerung, Erdstrahlen seien eine „unrealistische Folklore“, stärkere Beachtung findet als die ebenso schlüssige und deutliche Beurteilung durch die GWUP. Amerikanisches gilt immer noch als höherstehend, besser und moderner. Deshalb leiden weite, an sich aufgeklärte Erdregionen wieder an esoterischem Irrationalismus, der in eben diesem wundersamen Amerika wuchert.

     Riesenhuber indessen schläft sicher gut über einem „Entstörsender“ unter seiner Matratze gegen Erdstrahlen abgesichert. So könnte auch eine Rückforderung vonseiten der Steuerzahler über 400 „Riesen“ das ministerielle Gewissen nicht erreichen. Aber die Deutschen von heute übertreffen ihren ehemaligen Forschungschef und investieren laut „Spiegel“ jährlich 100 Millionen Mark in den Erdstrahlenschutz.


© Raymond Walden





Dienstag, 4. August 2020

Sequenzen von Skepsis (379)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:


4856

So befangen gefangen sind wir, dass eine Befreiung daraus als merkwürdige Besonderheit auffällt.


4857

Ein „Weltuntergangsvirus“ erinnert die Menschheit an ihre Fehlentwicklungen und an ihre Frevel gegenüber allem „Nächsten“. Panik soll es nun richten – ein nächstes Vergehen ohne Sinn und Verstand!


4858

Verharmlosend spricht man vom „shitstorm“, um sich nicht das eklatante Bildungsdefizit und die primitive Verhaltensverrohung durch geistige und kulturelle Verwahrlosung breiter Bevölkerungsschichten einzugestehen.


4859

Auch eine, aber grundsätzliche Antwort auf „Pandemie“ ist die Besinnung auf Kosmonomie. – Das änderte freilich vieles.


4860

Stichhaltige Aphorismen treffen ins Mark, Honig-Aphorismen beträufeln die verspielten Seiten des Daseins.


4861

Was Eltern und Lehrer nicht lernten, können sie Kindern auch nicht beibringen, geschweige denn vorleben.


4862

Nichtwissen erkennt nicht das Defizit, mag es aber erahnen.


4863

Vertrauen wirkt wie eine paradiesische Rückversicherung, besteht es wirklich und begründet, gibt es nichts Höheres, Edleres im Miteinander.


4864

Schenke dem Kind Hoffnung, Selbstvertrauen, Zuversicht und Liebe, dass es heranwachsend Gefahren erkenne, nicht in Furcht versinke, sondern Herausforderungen in optimistischem Realismus annehme – oder verwerfe, um im Leben freiheitlicher Selbstbestimmung und Gleichberechtigung, in der Treue dazu unbeirrt, ein mutiges, beispielhaftes Charakterwesen zu sein, durch individuelle Reife gestärkt, wertvoll wie verantwortungsvoll für die freiheitlich-humane Gemeinschaft.


© Raymond Walden





Montag, 3. August 2020

Menschliches Glauben: „Die Schule der Zukunft soll Lernen lehren“! (S. 125)


Oktober 1995


Solches diskutiert man im Herbst 1995 öffentlich und in den Schulen.

     Inhaltlich sagten mir schon vor 35 Jahren meine Lehrer Ähnliches, nur konkreter:

     „Man muss wissen, wo man nachschlagen kann.“ „Bildungsexperten“ der Universität Bielefeld (jener Bildungseinrichtung, die einen Astrologen promovierte) und sich für kompetent haltende „Top-Manager“ wie H. Kopper (Chef der Deutschen Bank) und R. Mohn (Bertelsmann) plädieren nun in einem für den NRW Landesvater J. Rau verfassten Gutachten nach dreijähriger Erarbeitung dafür, die Grundschulzeit auf sechs Jahre zu verlängern und in der Grundschule auf Noten zu verzichten, kein Zeugnis mehr zu erstellen, stattdessen einen Bericht über die Entwicklung des Kindes anzufertigen. Diesen sollen angestellte Lehrer schreiben, die ihrerseits nach Leistung (auch außerhalb des Unterrichts) und nach weiteren Qualifikationen in ihrer Karrierelaufbahn beurteilt werden. Leitungspositionen sollten nur noch befristet vergeben werden.

     Ich denke hingegen, dass man nach diesem Prinzip die „Leitungspositionen“ der Urheber sofort befristen sollte.

     Denn solche „Fachleute“ verifizieren offensichtlich nicht in den Chefetagen, dass Fritzchen, der im 6. Schuljahr schon ein Pferd einigermaßen malen kann (und damit über optische Auffassungsgabe und Reproduzierbarkeit verfügt), nicht in der Lage ist, unter „Pferd“ etwas dem Bertelsmann-Lexikon zu entnehmen, weil F. im 6. Schuljahr noch immer nicht das Alphabet beherrscht. Am Fernseher kennt er aber den Knopf, mit dem er auch die Sender mit Bertelsmannbeteiligung einschaltet.


© Raymond Walden





Sonntag, 2. August 2020

Menschliches Glauben: Konferenzort Schule (S. 124)


April 1995

Schulen formen nicht nur die Mitglieder einer Gesellschaft, sondern sind zugleich ein Spiegelbild derselben. Seit es Schulen gibt, streitet man über ihre Konzeptionen; religiöse oder parteipolitische Gesichtspunkte stehen im Vordergrund, weniger die Aspekte des Lernerfolgs und der menschlichen Reifung, sprich Erziehung. Wir erleben die Demontage des Menschlichen, beklagen das bei vielen Gelegenheiten und verstricken uns immer ärger in konzeptionslose Mitbestimmung und scheindemokratische Verfahrensfragen.

    Um das menschliche Miteinander in der Schule zu reglementieren, gibt es sogenannte „Mitwirkungsorgane nach dem Schulmitwirkungsgesetz“. Es sind nicht weniger als elf Gremien: 1. die Schulkonferenz, 2. die Teilkonferenzen für besondere Aufgabengebiete, 3. die Lehrerkonferenz, 4. die Fachkonferenzen, 5. der Lehrerrat, 6. die Klassenkonferenzen, 7. die Schulpflegschaft, 8. die Klassenpflegschaft, 9. die Versammlung der Erziehungsberechtigten, 10. der Schülerrat und 11. die Schülerversammlung.

     Jede Konferenz läuft demokratisch ab, d.h. mit entsprechenden Einladungsfristen, Tagesordnungen, Anträgen, nicht immer mit Beschlussfassungen, aber fast ausnahmslos mit der Erstellung eines Protokolls. Es wird häufig über Dinge konferiert, die sowieso nicht zu ändern sind. Die Richtlinienkonferenzen in manchen Schulen haben z.B. keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die vom Kultusministerium erlassenen Verbindlichkeiten. Zahlreiche Initiativen von Schülern, Eltern und Lehrern versanden im Konferenzreigen; das Ergebnis ist Resignation oder mitunter lächerlicher Aktionismus.

     Die Hyperdemokratisierung verpflichtet die Lehrer sogar, sich in bestimmte Gremien (Lehrerrat, Schulkonferenz) wählen zu lassen – verordnete „Selbstbestimmung“.

     Die Schule ist ein signifikantes Beispiel für die Pervertierung der Demokratie, für das problemlose Diktieren vonseiten der Ministerien nach dem uralten Leitsatz: Teile und herrsche!

     Diesen Artikel habe ich bereits im Jahre 1986 entworfen, heute zitiert man wegen der wachsenden Probleme in vielen Schulen weniger die „Schulmitbestimmung“ als die „Allgemeine Schulordnung“, instinktvoll AschO abgekürzt.


© Raymond Walden




Samstag, 1. August 2020

Menschliches Glauben: Gläubiger Wissenschaftler hat „Beweise für Wahrheit der Bibel“ (S. 122)

März 1995

Vertraut man dem „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld und seiner Paderborner Variante „Westfälisches Volksblatt“, so wird das Glauben an die Bibel zu einem abgeschnittenen alten Zopf; ab jetzt gibt es „Beweise für die Wahrheit der Bibel“, denn winzige Papyrus-Schnipsel „belegen“ das „Jesus-Wort“.

    Sensationelle Entdeckung“ jubelt die ergebene Gazette, die es beispielsweise beharrlich vermeidet, über die Kontroverse des abtrünnigen Theologen Drewermann mit dem Paderborner Erzbischof zu berichten. Am 30.12.1994 ergoss sich in großer Aufmachung ostwestfälisch-lippisches Wissenschaftsverständnis über die Leserschaft, das im Zitat des Wissenschaftlers gipfelte: „Meinen Glauben kann ich nicht auf der Existenz von Papyrus-Fragmenten begründen, aber sie vervollständigen die Kette von Belegen, dass die Bibel doch Recht hat.“ – Wer hatte da was entdeckt?

     Der in Paderborn am „Institut für Bildung und Wissen“ (ibw) wirkende Historiker, Dr. Carsten Peter Thiede (42), weltweit als „Papyrus-Papst“ bekannt, stieß an der Universität Oxford auf drei Papyrus-Fragmente, die dort jahrzehntelang unbeachtet geblieben waren. In den 50er-Jahren war das Alter der nur zwei mal drei Zentimeter kleinen Schnipsel auf das 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung datiert worden. Innerhalb umfangreicher Erforschungen neutestamentarischer Papyri erkannte Thiede auf den genannten Bruchstücken eindeutig vorchristliche griechische Schrifttypen, deren Verwendung bereits Mitte des 1. Jahrhunderts geendet hatte. Damit ist für den Forscher klar, dass es sich um die, so die Zeitung, „älteste Abschrift des Matthäus-Evangeliums“ handelt, „das älteste Fragment des Neuen Testaments überhaupt“. Die Fragmente sind also 100 Jahre älter als bisher angenommen und avancieren somit zum „Augenzeugenbericht über das Leben Christi“.

     Der Skeptiker darf anmerken, dass ein Augenzeugenbericht keineswegs ein Beweis für die Wahrheit sein muss. Thiede will in Zusammenarbeit mit der Erzbischöflichen Bibliothek in Paderborn ein wissenschaftliches Archiv über die Papyrus-Forschung aufbauen. Gemeinsam mit einem Biologen der Paderborner Universität-Gesamthochschule hat er ein Epi-Fluoreszenzmikroskop für die Papyrusforschung entwickelt.

     Nichts ist einzuwenden gegen eine wissenschaftlich fundierte Altersbestimmung der Bibel ebenso wie anderer religiöser Bücher. Zu beanstanden ist mit Nachdruck die Missdeutung von Wissenschaft im Hinblick auf den Bibelinhalt, der größtenteils nicht nur unbeweisbar bleibt, sondern in zahlreichen Aussagen definitiv wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht.

     Es wird wohl so sein, dass Thiede auch weiterhin seinen Bibelglauben „wissenschaftlich“ verbreitet, ist er doch „überzeugter Christ“, Zugehöriger der Anglikanischen Kirche, die ihre Gründung einem heiratswütigen und Gattinnen mordenden König, nämlich Heinrich VIII., verdankt. Der „Paderborner Christus-Forscher“ (Originalformulierung der Zeitung) konnte angeblich früher schon mit anderen Kollegen zusammen anhand der Photogrammetrie die Identität des Christus-Grabes in der Grabeskirche von Jerusalem beweisen. Und er will von einem Computerspezialisten des Stuttgarter Planetariums untermauerte Belege dafür gefunden haben, dass der Weihnachtsstern zur Zeit der Christus-Geburt tatsächlich als Himmelsphänomen erschienen sei. Sachliche Astronomen weisen indessen darauf hin, dass bei der Unsicherheit über das Christus-Geburtsdatum vieles Spekulation bleibe und dass die in den Planetarien in diesem Zusammenhang bevorzugt genannte, weil publikumswirksame Jupiter/Saturn-Konjunktion eine sehr willkürliche Interpretation regelmäßig ablaufender Himmelsgeometrie darstelle.

     Es ist nicht bekannt, dass sich irgendeine Universität oder ein Institut, noch eine Redaktion von der Thiedeschen „Wissenschaftlichkeit“ distanziert hätte.


© Raymond Walden