August 1998
„Spielen wie Flasche leer“, frei zitiert nach dem Ex-Bayern-Trainer, markiert belustigend wie traurig den Gesamtzustand derer da in (noch) Bonn und in den Provinzkapitalen von sogenannten Freistaaten deutsch-regionaler „Streusandbüchsenmentalität“, die sich ebenso friesisch platt wie rheinländisch schunkelnd oder „alpiaviolett“ äußert. Aus den zeitgenössischen Hofburgen werden die „demokratischen Dogmen“ verkündet, die kein anderes Ziel aufzuweisen scheinen, als die Demokratie auszuhebeln. Leere Lehren sind nicht nur inhaltslos, sie sind wertlos, weil falsch!
Geradezu ein Klassiker innerhalb dieses Vakuums ist die Bildungsstrategie, die natürliche Begabungsunterschiede in Gleichmacherei auflöst, indem sie Leistungen durch psychosoziologische Parawissenschaft nicht nur verwässert, sondern im Ergebnis sogar diffamiert. Die daraus zu folgernde hohle Sinnigkeit ist unbeschreiblich breit: Arbeitsplätze müssen angeblich durch massenhafte Waffenlieferungen an streitende Staaten erhalten werden, die mit dem zerstörerischen Instrumentarium unfassbares Leid erzeugen, das wir dann durch lächerliche Caritasspenden ein wenig lindern.
Unendlich ist diese Leere; sie dokumentiert sich exemplarisch in zwei kaum gewürdigten Vorgängen. Bundeskanzler Kohl ernennt einen Herrn von der Bild-Zeitung zu seinem Wahlkampfmanager, denn „Bild“ entspricht offensichtlich dem Niveau des Herrn Kanzlers oder aber dem IQ, den der Kanzler seinem Wahlvolk zubilligt. Er selbst hält sich auf großen Wahlplakaten für „Weltklasse“. Damit befindet er sich in der feinen Gesellschaft des NRW-Ministerpräsidenten Clement, der wiederum den RTL-Chef Thoma zu seinem Medienexperten (mit hoher Entlohnung) beruft, ausgerechnet jenen Mann, der auch für extreme Schwachsinnssendungen als Repräsentant dasteht. Und dieselbe NRW-Regierung glaubt wie andere Institutionen und Hochschulen, Lehrer müssten „Medienerziehung“ wider Gewalt und Pornografie in den Schulen veranstalten. Es soll leeres Stroh gedroschen werden vor Ort in den Klassenzimmern, in end- und ergebnislosen Lehrerkonferenzen, von hochtrabenden sogenannten Fortbildungen gar nicht zu reden.
Freilich viel prunkvollere Hoch-Zeiten feiert die leere Lehre in Unternehmen und Konzernen, die ihre leitenden Angestellten zu wahren Wahnsinnsseminaren delegieren. Keine noch so schräge psychopathische Idee kann davor abschrecken, die Untergebenen zu irritieren, gefügig zu machen und im Sinne des Unternehmens als Vervielfältiger der höhersinnigen Sinnleere zu rekrutieren, selbstredend steuerlich absetzbar.
Bunt wäre das Kaleidoskop leerer Lehren, deprimierend gar der „Befehlsnotstand“, leeres, unsinniges Zeug lehren zu müssen – und diesen Sud andererseits lernen zu sollen – immer eingedenk, dass fähige und auf der Höhe des Zeitgeists schwebende Wissensvermittler dies mit voller Überzeugung im Hinblick auf eine geistige Erneuerung tun.
Drei Tage Sonnenschein im deutschen Sommer rufen bereits die Ozonfetischisten auf den Plan und treiben selbst die weniger Überzeugten zu freilich lächerlichem Aktionismus: Autos mit ungeregeltem Katalysator sollen nicht mehr fahren, Ozontickets sollen dem unbelehrbaren Germanen das öffentliche Vehikel schmackhaft machen, weil „Grünspinnerte“ bei Sonnenschein generell in Tränen ausbrechen. Gestern noch schickte man Patienten zu Kuren in Ozonbäder!
Ach und erst die Gen-Problematik! Will man doch allen Ernstes Flecken auf dem Kleidchen der Monika Lewinski mit dem Sperma des US-Präsidenten vergleichen. Und irgend so ein Professörchen – freilich eine anerkannte Kapazität auf dem Ernährungssektor – muss nun eingestehen, dass seiner Bestätigungen der Schädlichkeit genmanipulierter Futterkartoffeln für Ratten eine schlichte Verwechslung der Versuchsreihen im Labor zugrunde liegt.
Die Überschwemmungen in China, dort schon Tradition, haben ihren Ursprung neuerdings im „Schwesterchen“ von „EL Niño“, jener Fata Morgana, der selbst seriöse Wetterpropheten verfallen sind. Alle wissen offensichtlich, um was es geht, aber keiner tut etwas, denn sie ahnen vielleicht, dass sie einem gewaltigen Worthülsensalat aufsitzen: das ist die eigentliche Leere.
So nährt sich manches Problem aus seinen eigenen Abfällen: Der Bettler wühlt im Abfalleimer der Zivilisation, der Bordellbetreiber philosophiert nicht, ob es das Zölibat, der Zölibat oder die Ehe heißt.
© Raymond Walden
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