Montag, 10. August 2020

Menschliches Glauben: Pädagogik, die keine ist (S. 130)


März 2001


Da in den zivilisierten Staaten fast jeder die Schule mehr oder weniger erfolgreich besuchte, fühlen sich auch viele berufen, bei Themen wie Schule, Erziehung oder Pädagogik mitzureden, sodass Konzeptionslosigkeit und der Mangel an Effektivität fröhliche Urständ feiern. Was immer man persönlich denken mag, nichts kann das allgegenwärtige Bildungsdefizit und die Orientierungslosigkeit einer immer größeren Anzahl von Jugendlichen schönreden. Einfache Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben oder Rechnen und an sich selbstverständliche Umgangsformen für das soziale Miteinander werden im heutigen Schulsystem unzureichend vermittelt, mehr noch, durch eine verantwortungslose Vermassung in Großschuleinrichtungen werden alle möglichen Negativfaktoren erst erzeugt und gefördert. Eine weitgehend antiautoritäre Erziehung auf der Basis einer Leistungsnivellierung, der Duldung von Disziplinlosigkeit und Unordnung bei gleichzeitiger Übergewichtung von sehr häufig völlig unvertretbarem, weil unqualifiziertem Elternwillen führt zu einem Chaos, das von Parteiideologen und ihren opportunen Ausführungsorganen nur noch gestützt wird. Lehrer stehen hilflos zwischen Vernunft und Schwachsinn, haben keine Mittel zur Durchsetzung sinnvoller Regeln und resignieren, erkranken scharenweise, denn Missstände dürfen nicht einmal mehr in klaren Beurteilungen ausgedrückt werden, Qualifikationen müssen auf immer niedrigerem Niveau erteilt werden, weil politische, nicht pädagogische Vorgaben die Demokratie missdeuten: Gleichberechtigung kann niemals Gleichbefähigung sein, weil die Menschen von Natur aus sehr verschieden sind.

     Es handelt sich sehr wohl um ein gesellschaftliches Problem; misst man also diese Gesellschaft an ihren Schulen, so fällt sie ganz einfach durch. Sich deshalb Privatschulen zuzuwenden, kann nur ein fragwürdiger Ausweg sein, blühen doch hier erst recht alle möglichen Absonderlichkeiten. Eltern müssen endlich wieder begreifen, dass sie sich ihren Kindern intensiver zuwenden müssen. Solange die Schulen derartig abwirtschaften, ist das Elternhaus erst recht gefordert. Das Problem liegt aber noch tiefer, denn inzwischen ist es so weit, dass die Eltern selbst durch diese defizitären Bildungsanstalten gegangen sind, es also gar nicht besser wissen können oder wollen. Und dann ist da noch der Einfluss der Medien, jener Großverleger und Institutionen, die sich allen Ernstes anschicken, „Medienerziehung“ in den Schulen zu etablieren, damit dem eigentlichen Lernprozess weitere Zeit verlorengehe, um den Medienschund mit den Kindern aufzuarbeiten, den diese wohlmeinenden Medienzaren zu verantworten haben.

     Wir gehen amerikanischen Zeiten des Massenalphabetismus entgegen, während beispielsweise die Herrschaften aus den Chefetagen großer Konzerne ihren Nachwuchs in privaten Eliteschulen fachlich auf hohem Niveau ausbilden und menschlich verkümmern lassen.

     Ich denke, es wird deutlich, wie anstrengend, aber auch wie lohnend es ist, Kinder in elterlicher Geborgenheit aufwachsen zu lassen.


© Raymond Walden

 

 

 

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