Montag, 20. Januar 2020

Sequenzen von Skepsis (364)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:

4667
Wie und was man isst, füllt die Karte der Identität.

4668
Die aufgeklärte Gesellschaft befreit sich von religiösen Mysterien und mutet niemandem neue zu.

4669
Nicht nur politische Praxis: Hochjubeln, dann unterjubeln.

4670
Frieden ist eine humane Errungenschaft in einer durchweg feindlichen Wildnis.

4671
Vom Frieden zu fantasieren und eifrig Waffen zu schmieden, erhärtet die Bewusstseinsspaltung des unfertigen Interimsmenschen.

4672
Ich erlaube mir keinen Hass gegen irgendjemanden. Angesichts so manchen Redners wird mir aber schlecht, was ich nur durch entschiedenen Abstand lindern kann.

4673
Liebe wärmt sich kaum an physischer Zurückgezogenheit.

4674
Was der Mensch nicht versteht, belegt er mit einem Glauben, für den er frömmelnd sogar tötet und selbst stirbt.

4675
So fragt man: Wem schreibst du was?“ Und ich muss sagen: „Niemandem nichts.“
Also jedem etwas, der sich darauf einlässt. – Es entsteht eine befreiende Distanz zur Masse.

4676
Die Klimapsychose schöpft aus jedem Wetter Furcht, peitscht zur Panik an im hysterischen Unverstand von Mensch und Natur.

4677
Die Bevölkerungsexplosion verursacht natürlich keinen planetaren Massenzuwachs, aber eine Überflutung mit geistigem Unrat schon – mit fatalem Zerstörungspotenzial.

4678
Lass Langeweile das Leben nicht verkürzen!

4679
Wo Geschmack und Lebenslust sich kultivieren,
will ich arbeiten, tanzen, singen, will ich regenerieren,
mich besinnen, mit Freude und Leid vereinen
und, ergriffen, auch weinen.


© Raymond Walden




Freitag, 17. Januar 2020

Notstand der Demokratie


Terrorismus sprießt da, wo für abweichende Meinungen statt freiheitlicher Diskussion vernichtende Strafe gefordert wird.

Deutschland schickt sich (schon wieder!) an, ein solches Nest zu werden, wo sich Unfreiheit auf ideologisierte Wissenschaft, das heißt, auf Pseudowissenschaft beruft.

Wenn sogenannte Geisteswissenschaftler den Naturwissenschaften durch konkrete politische Gesetzgebungen vorschreiben können, was naturgesetzlich relevant sei, dann ist die Gesellschaft bereits hochgradig hinters Licht geführt.
Demokratie als Emanzipation des Individuums wird pervertiert in Gesinnungs- oder Parteidiktat und folgsamen Massenkonsens.
Das gilt natürlich universal, beispielhaft sowohl für die indoktrinierte Wachstumsideologie wie für die gepredigte Klimahysterie!



Donnerstag, 16. Januar 2020

Menschliches Glauben: Reizklima (S. 44)


April 1995

Klimaexperten und Politiker tagten in der viel besungenen „Berliner Luft“ und es ging ihnen dabei die Puste aus. Da hilft kein Schönreden vonseiten der Veranstalter, Ignoranz und auch böser Wille (die Amerikaner wollten wie auf der Konferenz von Rio überhaupt keinen Beschluss) werfen die Frage nach dem Zweck solcher UN-Mammutveranstaltungen auf und die schonungslose Antwort heißt: Beruhigung der Habenichtse (man beschäftigt sich ja mit dem Problem) zur weiteren Profitsteigerung der Industriereichen, darüber hinaus Verunsicherung der Öffentlichkeit in den wohlhabenden Ländern, denn Verunsicherte sind leichter regierbar und im Kaufverhalten steuerbar.
     Es bestehen wissenschaftliche Anforderungen:
  1. Ist der Treibhauseffekt de facto durch Menschen verursacht oder innerhalb natürlicher Schwankungen zu sehen?
  2. Hat man die Gründe für die Entstehung des Ozonlochs wirklich verstanden?
  3. Solange Unklarheiten bestehen, muss sich die Menschheit so verhalten, als hätte sie all das verursacht. Das ist sie sich selbst und den Nachfolgegenerationen schuldig, so sie sich als „human“ versteht.
  4. Realen physikalisch-chemischen Bedrohungen kann man ausschließlich mit nüchterner Analyse und entsprechend abgeleiteten Maßnahmen begegnen. Alle Hinwendungen zum Irrationalen bedeuten Eskalation der Orientierungslosigkeit.
     Angesichts amerikanischer Profitborniertheit wäre vielleicht die Entdeckung eines Ozonlochs zwischen New York und Los Angeles hilfreich. Doch selbst dann, befürchte ich, bewegte sich nichts Konzeptionelles, sondern höchstens der Präsidententross zu irgendeiner aufgeblasenen ökumenischen Gebetsveranstaltung.


© Raymond Walden




Mittwoch, 15. Januar 2020

Menschliches Glauben: Wehrpflicht – die Nötigung durch den Staat (S. 43)


März 1995

Es hilft keine ethische Beschönigung, Soldaten dienen den jeweiligen Regierenden seit jeher zur gewaltsamen Durchsetzung ihrer Ziele.
     Soldaten: Tötende und selbst Sterbende auf Kommando, dazu gezwungen von zumeist Sonntagsreden haltenden, über Leichen gehenden „Volksführern“, „Volksvertretern“. Nichts in diesem Szenario hat etwas mit Verstand oder Menschenwürde gemeinsam. Jeder Staat, der heute seine Bürger zur Wehrpflicht zwingt, offenbart sich als System der Menschenverachtung, und jeder, der stattdessen den Zivildienst zulässt, neuerdings auch die Schweiz, muss sich fragen lassen, warum der Dienst am Menschen länger dauert als der mit der Waffe.
     Aber üben wir keine falschen Schuldzuweisungen. Kaum ist das Militär ein Kriegsgrund. Kriege entstehen durch ideologisch-religiöse Verblendung, durch exzessive Raffgier, durch Waffenproduzenten, Waffenhändler und durch Korruption. Deutschland wie viele andere Staaten „sichert Arbeitsplätze“ durch Waffenexporte, praktische und sehr wirksame Tötungspotenziale. Der christliche Kanzler wie seine sozialistischen Vorgänger, der eine in der „Gnade der späten Geburt“, der andere geläuterter Wehrmachtsuniformträger, ein wiederum anderer norwegischer Uniformträger, sind, ähnlich ihren internationalen Kollegen, von einer Finanzoption zur anderen geschwommen und getrieben. Und wen kümmert da ihr Geschwätz von gestern? Allein, das heutige Friedenspalaver wird immer unerträglicher.
     Ich freue mich über die vielen jungen Menschen, die sich dem Wehrdienst, der Nötigung zum Krieg, verweigern. Hoffentlich entspringt dieser Widerstand heute nicht nur der Bequemlichkeit. Denn viel schwerer hatten es die ca. 130.000 Wehrmachtsdeserteure, die auf Veranlassung der seinerzeitigen Militärgerichtsbarkeit zumeist kurz und bündig hingerichtet wurden. Die wenigen Überlebenden kämpfen in unserem Staat bisher vergebens um Rehabilitation. Man vergegenwärtige sich: Weil sie sich dem Hitler-Wahnsinnskrieg verweigert haben, gelten sie heute noch als vorbestraft. Das ist das wahre, dem gestrigen Militärdenken verhaftete Friedensbild des Deutschen Bundestages, der jetzt erneut den Opfern die Wiederherstellung der Ehre und damit Wiedergutmachung versagt hat.


© Raymond Walden



Dienstag, 14. Januar 2020

Menschliches Glauben: Presse-Freiheit, die wir wähnen (S. 42)


März 1995

Durch Zufall geriet ich an jeweils eine Ausgabe der kanadischen Zeitschrift Chatelain und des Magazins Homemaker’s, beide Publikationen scheinbar harmlos, familiär, für die bürgerliche Frau. Chatelain liefert  von insgesamt 140 Seiten 105 (!) Werbung, Homemaker´s 58 von 106. Hinzu kommen die redaktionellen Aufmacher, bei denen auf den ersten Blick nicht zu entscheiden ist, ob es sich dabei nicht auch um zumindest indirekte Werbung (Rezepte, etc.) handelt.
     Es sind dies Druckerzeugnisse, wie es sie ganz ähnlich in vielen Ländern zu kaufen gibt. Sie verkörpern das Prinzip des überzogenen materiellen Konsums, denn für jene, die geistigen Konsum vorziehen, fehlt es nicht selten am redaktionellen Mindestangebot. Diese pausenlos Worthülsen und Hohlnachrichten verbreitenden Medien sind im Begriff, ihre eigentliche Grundlage, die demokratische Meinungsfreiheit, zu zerstören, denn aus den Blättern spricht an sich nur noch der Werbeauftraggeber, oft nicht einmal der, sondern nur noch sein Produkt. Für die Leserpsyche ist es ohne Belang, welche Produkte die Seiten füllen, denn es präsentiert sich in jedem Fall eine der interaktiven Kommunikation unfähige, abstumpfende Einbahnstraßeninformation, über die man höchstens bei besonders originellen Werbespots einmal reflektiert.
     Die Wirtschaft missbraucht zügellos die Medien und die wiederum prostituieren sich heftig, weil sie die Herausgabe bunter Seiten und seichten Gefasels mit ihrer ursprünglichen Aufgabe als Meinungsträger, Meinungsübermittler, Nachrichtenquelle und Diskussionsgrundlage für ein eigenes Meinungsbild des Lesers verwechseln.
     Das renommierte Nachrichtenmagazin Newsweek  vom 13.3.1995 umfasst 58 Seiten, davon sind beinahe 45 mit Reklame gefüllt; deutsche Printmedien dürften dem nicht nachstehen. Hin und wieder vernimmt man die „Entschuldigung“, eine weitgehende Unabhängigkeit von Werbung verteuere die Zeitungen. Der Verbraucher aber – wer sonst? – trägt über die Produktpreise die Werbekosten und erkauft sich für die zum Teil dekadente Werbung auch noch eine unfreie Presse. Das ist einer der wesentlichen, „demokratisch“ verdrängten skandalösen Missstände.
    Der auf dem amerikanischen Fernsehkanal CNN weltweit verbreitete Slogan „Werbung – das Recht auszuwählen“ erinnert mich fatal an die Menschenverhöhnung: „Jedem das Seine, mir das meiste.“


© Raymond Walden



Montag, 13. Januar 2020

Menschliches Glauben: Demokratische Scheingefechte (S. 41)


März 1995

Regelmäßig wiederholen sich im kapitalistischen System Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten unter Berufung auf die „Tarifautonomie“ der oft streitbaren, auf Selbstdarstellung bedachten Partner. Die historische Bedeutung der Gewerkschaften ist anzuerkennen, haben sie doch die Unternehmer ein ums andere Mal gezwungen, ihre Profite mit den Arbeitern und Angestellten „zu teilen“. Freilich wurde nicht immer gerecht geteilt. Zur Jahrtausendwende, am Epochenbeginn der elektronischen Totalinformation, stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher Lohnspektakel, denn nach wie vor gilt: Höhere Löhne, steigende Preise, höhere Lohnforderungen, letztlich Geldentwertung!
     Kein Wirtschaftsexperte kann allen Ernstes behaupten, Inflation sei eine demokratische Notwendigkeit, wenngleich bisher quer durch alle demokratischen Staaten die Tarifpoker für das Funktionieren der pluralistischen Gesellschaftsordnung überhöht werden und die Kaufkraft der Währung sinkt – „Wachstum paradox“.
     Im Hinblick auf die umfassende elektronische Datenverarbeitung sind die Profite jedes Unternehmens schnell und objektiv zu beziffern; es muss also nicht über die Gewinne der Arbeitgeber gestritten werden. Aufgabe der Tarifpartner bleibt es, über angemessene Gewinnbeteiligung unter Berücksichtigung von unternehmerischen Investitionskosten zu verhandeln, ohne damit den Unternehmern Gründe für die Rechtfertigung von Preissteigerungen zu liefern. Streiks zeugen in diesem Zusammenhang von veralteten Denkstrukturen, die nicht von demokratischen Prinzipien geprägt sind.
     Gewinne und Löhne müssen in einer Demokratie öffentlich transparent werden, um ungerechtfertigte Bereicherungen auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen. Von Politikern, die selbst in Aufsichtsgremien von Industrie und Gewerkschaften sitzen und nicht über den Rand ihrer jeweiligen Verbände schauen können oder wollen, ist natürlich keine Änderung zu erwarten.



© Raymond Walden



Freitag, 10. Januar 2020

Menschliches Glauben: 2. Gesellschaft, Kultur: Denkwürdig (S. 39)


Denkwürdig


Februar 1995

Am 27.1.1945: Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee; die ganze Ungeheuerlichkeit deutschen Rassenwahns lässt sich nicht mehr beschönigen. Nun erfährt die Weltöffentlichkeit endlich, worüber zuvor auch im Ausland kaum jemand zu sprechen bereit gewesen ist, wovor die Diplomaten in aller Welt ihre Augen verschlossen haben.
     Nein, es gibt nichts mehr zu vertuschen, die Schmach lastet auf uns, und jedes einzelne Opfer, wenngleich namentlich vielleicht gar nicht erfasst, bewirkt jetzt, dass die halsstarrigen Schädel eines aberwitzigen Deutschtums und einer internationalen Tatenlosigkeit sich im Gedenken an die Toten respektvoll beugen müssen.
     27.1.1995: Hochwasser in einigen deutschen Landstrichen, die Medien sind aufgescheucht: Wird das „Jahrhunderthochwasser“ von 1993 übertroffen? – Oder leider nicht? Und nach dem gleichen Muster: Die Überflutung auf sämtlichen Medienkanälen – mit „Auschwitz“, das „man nicht vergessen darf“.
     Nein, dies ist ausschließlich vordergründiges Gedenken, die mediengerechte Aufbereitung, die Stunde der Sonntagsreden. Wie ist es nur möglich, das Andenken der unsäglichen zahlreichen Opfer, übrigens völlig gleichgültig, welcher Nationalität – es geht um Menschen –, derartig zu missbrauchen?
     Ich stelle Fragen:
  1. Wo bleibt der Hinweis, dass die Rote Armee das Lager zwar befreite, hernach aber selbst zur Menschenvernichtung benutzte und aus ihrem gesamten Besatzungsgebiet ein Gefängnis machte?
  2. Wie viele Verbrechen und Menschenopfer hat die Bundesrepublik Deutschland mitzuverantworten, gehört sie doch seit Jahrzehnten zu den führenden Waffenexporteuren?
  3. Wie viele Menschen hat der israelische Staat seit seinem Bestehen in nationalistischer Härte ausgelöscht?
  4. Welche Brutalitäten leisten sich immer wieder arabische „Organisationen“?
  5. Wie viel Vernichtungspotential haben die USA, an der Seite eines überaus einflussreichen Judentums und anderer religiöser Gruppen über die verschiedenen Regionen der Welt ergossen?
  6. Wo überall segnen und heiligen Religionen heute nach wie vor Waffen; dieselben Religionen, deren Vertreter in Auschwitz bei der offiziellen Gedenkfeier ihre Gebete „performierten“?
     Das Andenken der Opfer wird schmählich geschändet, denn gelernt haben die Staatslenker kaum etwas. Man stelle sich vor, die Opfer hätten bei der Gedenkfeier hören können, wie die Totenkränze, vom Getrampel der Soldatenstiefel begleitet, herangetragen wurden. Hatten die Menschenschlächter damals nicht militärische oder paramilitärische Uniformen angehabt? Und da schreibt der Bundespräsident Deutschlands in Auschwitz in das Gedenkbuch: „Hier öffnen die Toten den Lebenden die Augen“! Während er dies schreibt, mordet der „Männerfreund“ (was immer das ist) des Bundeskanzlers Helmut Kohl, der russische Präsident Jelzin, ungehindert im Kaukasus. Und Vertreter aus dem sich zerfleischenden ehemaligen Jugoslawien konterkarieren jegliche Friedfertigkeit.
     Als Deutscher verneige ich mich vor allen Opfern der Nazidiktatur; als Weltbürger verneige ich mich nicht minder vor den Opfern aller religiösen Fundamentalisten. Die Religionen, die jetzt in Auschwitz „beteten“, sind seit jeher friedensunfähig.
     Auschwitz war möglich, weil opportunistische, kleinkarierte Menschen mitmachten. Der Opportunismus beherrscht auch nach Hitler unverändert, vielleicht sogar ausgeklügelter, die Welt, weil im Verbund mit Religion bald jedes Knie – und jeder Mensch – gebeugt wird.
     Ich bewundere den Filmvorführer von Auschwitz, der 2000-mal im Jahr denselben Film über die Vernichtungsindustrie (heutige deutsche Industrieunternehmen, offensichtlich reuelos, eingeschlossen) zeigt, der selbst überlebendes Opfer ist und auf die Frage, ob es ihn nicht gruseln würde, im ehemaligen Lager Auschwitz zu leben und zu arbeiten, weit realistischer als Roman Herzog sagt: „Fürchten wir die Lebenden und nicht die Toten.“



© Raymond Walden



Mittwoch, 8. Januar 2020

Ergänzungen zum Monatsarchiv Dezember 2019


Im Monatsarchiv Dezember 2019 fehlen am Anfang fünf Beiträge, die mit den hier folgenden Links aufgerufen werden können:

02.12.2019
www.raymond-walden.blogspot.com/2019/12/sequenzen-von-skepsis-359.html

05.12.2019
www.raymond-walden.blogspot.com/2019/12/triviales.html

06.12.2019
www.raymond-walden.blogspot.com/2019/12/das-buch-menschliches-glauben-von.html

07.12.2019

www.raymond-walden.blogspot.com/2019/12/menschliches-glauben-1-natur.html

08.12.2019
www.raymond-walden.blogspot.com/2019/12/geschliffene-sichtweisen.html

Sequenzen von Skepsis (363)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:

4660
Jeder Krieg hat seine gläubigen Verfechter, die faktischen Feinde des Lebens.

4661
Wenn Priester Präsidenten preisen,
geht der Segen über Leichen und Versehrte,
über Witwen und Waisen,
denn Laudatoren wie Geehrte
gieren nach Macht in übereinstimmender Niedertracht.

4662
Religion heißt Kampf gegen den „Bösen“, den Anderen – in der Ermangelung kosmonomischen Weitblicks und universaler Humanität.

4663
Verschafft sich Idiotie die Mehrheit, verspielt Demokratie sogar den Konjunktiv, wie weltweit aktuell der Brauch – forcierend und primitiv.

4664
Fasse dich kurz, ganz im Sinne eines ebensolchen Lebens.

4665
Fairer, besonders auch internationaler Wettbewerb ist nur innerhalb eines allseits anerkannten und befolgten Regelsystems möglich. Außerhalb solcher Minimalübereinkunft herrscht subtiler oder offener Krieg, wie ihn der geistig unterentwickelte, entsprechend kleinkariert regierte Erdball seit jeher zeitigt.

4666
Der „Globus“ ist nicht durch gegeneinander arbeitende Systeme zu „retten“, sondern bedarf der Bündelung aller Anstrengungen zu einem globalen Wir.
Die evolutionäre Vielfalt aber lehrt, wie übrigens auch die Entwicklung der einzelnen Kulturen, dass ein Wir das Individuum voraussetzt.
Ein kosmonomisch-globales Wir verfolgt demgemäß keine Gleichmachereien innerhalb bisheriger Unterwerfungsideologien, sondern eine Wertschätzung und Wertschöpfung aus menschlichem Individualismus.
Über der Würde jedes einzelnen Menschen, existiert keine Macht, die zur Entwürdigung berechtigt.
Auch bei Straffälligkeit bleibt ein Grundwert an Menschenwürde unantastbar, soll sich die Strafverfolgung nicht selbst entwürdigen, das heißt, schuldig machen.


© Raymond Walden




Dienstag, 7. Januar 2020

Menschliches Glauben: Sonnenuntergang (S. 37)

Dezember 2001

Ein Tag geht zu Ende und die Sonne steigt hinab zum Westhorizont. Der Ort des Untergangs ist jedoch – ähnlich wie übrigens auch der des morgendlichen Aufgangs – nicht stationär. Bis zum Sommeranfang am 21. Juni wandert der Punkt am Horizont täglich ein Stück weiter nordwestlich, alsdann kehrt er die Bewegung um, bis zum Winteranfang am 21. Dezember täglich ein Stück zurück, über West nach Südwest. So dokumentiert sich die Höhe des täglichen Bogens, den die Sonne am Firmament beschreibt; es ist das Spiel der Jahreszeiten, mit den variierenden Nacht- und Tageslängen.
     Zum jeweiligen Tagesabschied wie auch beim Sonnenaufgang ist der Weg des Lichts durch die Erdatmosphäre besonders lang, die Lichtflut wird so weit gedämpft, dass sich große Sonnenflecken manchmal sogar mit dem bloßen Auge entdecken lassen. Diese Erscheinungen unterliegen einem Elfjahresrhythmus, denn unsere Sonne ist schlechthin das dynamische Zentrum unseres Planetensystems, eine Energiequelle mit vielen physikalischen und chemischen Zyklen. Wasserstoffkerne werden in Heliumkerne umgeschmolzen – ein Fusionsreaktor.
     Langsam verblasst der Taghimmel, scheinbar als offenes Feuer taucht die Sonne in den Ozean, flackert durch die Bäume des Waldes, die Wolken und die Silhouetten menschlicher Siedlungen verlieren sich im Rotgold. Schwächer wird die Glut, lautlos erlischt sie ganz, streut noch Leben in die Abenddämmerung, die sich niedersenkt und die Natur je nach geografischer Breite mehr oder weniger zögerlich in die Finsternis entlässt.
     Wie war unser Tag? Gehe ich müde an sein Ende oder treiben mich Ideen, Wünsche voran? Geruhsam entfaltet sich die Nacht; wenn ich möchte, mache ich sie zum Tag – diese Freiheit hat der moderne Mensch. Ich mag heute aber nicht, denn die Faszination des kontrastreich anschwellenden Sternenhimmels fängt mich ein. Ich blicke auf, staune, denke, erkenne mich wieder, bevor ich spät einschlafe in der ruhigen Gewissheit eines neuen Sonnenaufgangs, frei im Kräftespiel der Natur, so gänzlich frei von Orakeln, Götterfantasien und politischen Moden, eingeschränkt allein durch die stets allgegenwärtige und vertraute Möglichkeit, auch in dieser Nacht wie zu jedem anderen Zeitpunkt für immer einschlafen zu können. Ich bin Teil der Evolution.



© Raymond Walden



Montag, 6. Januar 2020

Menschliches Glauben: Mondimpressionen (S. 34)


November 2001

Wer nicht verlernt hat, auch die Faszination toter Materie zu genießen, mag nachvollziehen, warum der Mond uns Menschen gefangen nimmt. Ich rede nicht von esoterischen Schwärmereien, vielmehr von Erfahrungen, gesammelt etwa am Kraterschlund des Ätna, angesichts der Landschaftsformationen um Las Vegas, bestätigt durch den scharfen Fallwind auf der Südflanke Kretas oder durch die bizarre, Ewigkeit vortäuschende Vulkankomposition Gran Canaria; die Erde ist übersät mit derartigen Naturdokumenten.
     Und der Mond präsentiert sich nicht anders: für unabsehbare Zukunft schroff, schön und tot. Kein Stein besitzt Gefühle, noch ein Bewusstsein, aber er kann dadurch beeindrucken, dass er quasi unsterblich ist, existent über Jahrmillionen, einfach da, während wir so schnell altern und sinnvollerweise vergehen. Denn was wäre versteinerte Menschlichkeit?
     Wir unterliegen einem viel kürzeren Werdegang, der ja Leben erst ausmacht, und so betrachten wir den leblosen Mond mit Emotionen. Er ist unser bestens vertrauter kosmischer Nachbar und dennoch so fern. Auf alle unsere subjektiven Interpretationen hin schweigt er, es sei denn, wir öffnen uns, die leblose Materie bestaunend, die dann in den Licht-Schatten-Spielen des Erdtrabanten so viel Erhabenheit ausstrahlt.
     Die Sonne beleuchtet immer nur eine Hälfte des dunklen Körpers. Wir verbinden mit der Abfolge der Mondphasen sogar unseren irdischen Monat, ein Zeitmaß, letztlich einen Sektor unserer persönlichen Lebensspanne. – Der zunehmende Mond folgt nach Sonnenuntergang am Abendhimmel mit dem bekannten täglichen Gewinn an Lichtgestalt. Besonders am Zyklusanfang schimmert die unbeleuchtete Mondregion aschgrau, denn die Mondnacht wird durch eine „Vollerde“ erhellt. Unser Heimatplanet reflektiert Sonnenlicht zum Mond, von wo aus ein geringer Teil wieder zur Erde geworfen wird. Der Vollmond steht der Sonne diametral gegenüber, am höchsten um Mitternacht zur Zeit des tiefsten Sonnenorts unter dem Horizont. Als abnehmender Mond beleuchtet der Trabant die zweite Nachthälfte, täglich schmaler, bis er sich als Neumond am Taghimmel zur Sonne gesellt.
     Gerade einmal sieben Prozent des auftreffenden Sonnenlichts wirft der Mond zurück, und diese bescheidene Menge wird besonders in Horizontnähe durch die Erdatmosphäre weiter gedimmt, indem vor allem das blaue Licht je nach Feuchtigkeits - und Schwebstoffgehalt der Luft absorbiert und gestreut wird, sodass der Mond im langwelligen rötlichen Spektralbereich romantisch erscheint. Auch für die scheinbare Vergrößerung des Mondes in Horizontnähe ist die irdische Luft maßgeblich, sie wirkt gegenüber dem kosmischen Vakuum wie eine Linse und zusätzlich mischen sich psychologisch bedingte persönliche Sehgewohnheiten in das Bild vom Mond.
     Übrigens steht der Sommervollmond immer tiefer als der Wintervollmond, und, wie schon erwähnt, der Sonne diametral gegenüber. Also: hohe Sommersonne – tiefer Vollmond, flache Wintersonne – steiler Vollmond. Ebbe und Flut erzeugt der Mond im Zusammenspiel mit der Sonne unmittelbar durch Gravitation auf die Wassermassen während des Erdumlaufs. Der gemeinsame Schwerpunkt des Doppelplaneten Erde-Mond liegt aufgrund der geringen Mondmasse innerhalb des Erdkörpers, jedoch nicht im Erdmittelpunkt. Demzufolge webt die Erde ihre Bahn um die Sonne um diesen Schwerpunkt, was in geringerem Maße ebenfalls zum Schwappen der Ozeane im entsprechenden Rhythmus beiträgt. Dem Kommen und Gehen der Wassermassen haben sich in zahlreichen Küstenregionen biologische Zyklen angepasst, zum Beispiel solche der Fortpflanzung. Das menschliche Leben ist jedoch viel komplexer, als dass es lunaren Gezeiten folgen würde. So können wir den Mond befreit betrachten, uns hingeben der persönlichen Stimmung, ohne Mondsüchtigkeit und Deutungsschwere, man gönne sich die Zeit!
     An irdischen Markierungen wie dem Horizont, den Bäumen, Bergen, Gebäuden lässt sich die stetige Ostwestbewegung des Mondes als Ergebnis der Erddrehung verfolgen. Bei geduldigem, genauen Hinsehen, gar durch ein Fernglas, bemerkt man die Eigenbewegung des Mondes vor dem Sternenhintergrund als Ausdruck des Umlaufs um die Erde in Westostrichtung. Dabei kann es zu Stern-, seltener Planetenbedeckungen kommen: Der im Mittel 384.400 km von uns entfernte Mond schiebt sich vor einen Stern, der Lichtjahre tief im Universum residiert. Ganz plötzlich erlischt nun scheinbar der Stern am lunaren Ostrand, um nach dem Vorbeizug des Erdtrabanten an seinem Westrand wieder unvermittelt aufzutauchen. Es gibt keine Mondatmosphäre, die das Sternenlicht schwächt, daher das abrupte Verlöschen und Wiedererstrahlen. Durchschnittlich in einer Stunde wandert der Mond am Himmel um seinen eigenen Durchmesser weiter, etwa 0.5 Grad in östliche Richtung. – Für den intelligenten Menschen lässt sich die Diskussion über die Bedeutung des Mondes nicht auf Boulevard-Niveau führen.
     Das Auge nimmt sich die Zeit, mir die Weite des kalten Himmels zu vermitteln, eines Himmels, der dennoch in seiner blauschwarzen Unergründlichkeit Wärme, ja sogar Geborgenheit erzeugen kann. Ich bin eins mit der Weite, als Teil des Kosmos hier zu Hause.
     Wie zernarbt, faltig und trotzdem glatt der Mond aussieht! 150 Grad Celsius Hitze auf seiner Taghälfte und fast ebenso viele Grad Frost in der Mondnacht haben die Oberfläche gegerbt, die zusätzlich einem fortwährenden Bombardement von Meteoriten schutzlos ausgebreitet ist. Welch eine Oase dagegen unsere Erde, die jegliches Leben vor derartig feindlicher Schönheit schützt.
     Der Mond, er „geht so stille“, auch ich werde still, will jetzt nichts sagen. Und wenn mich gerade ein lieber Mensch hier oder fern in meiner Betrachtung begleitet, ist für diesen Augenblick unseres Daseins alles gesagt.


© Raymond Walden 


 

Sonntag, 5. Januar 2020

Menschliches Glauben: Sonnenaufgang (S. 33)

November 2001

Lange schon bevor die Sonne die ersten Strahlen über den Horizont in den neuen Tag schickt, weicht die Nacht der Dämmerung. Der Osthorizont gewinnt an Helligkeit, denn die Lichtfülle unseres noch unsichtbaren Tagesgestirns wird durch die Atome und Moleküle der Erdatmosphäre zunehmend gestreut. Ganz besonders gilt dies für den kurzwelligen blauen Lichtanteil, sodass sich für uns der wolkenlose Himmel im majestätischen Blau aufbaut. Schwebstoffe, etwa winzige Wassertröpfchen oder Staub, lassen vorzugsweise den langwelligen roten Part des Lichtspektrums passieren und wir erleben ein Morgenrot, das den Moment des ersten Sonnenstrahls verzaubert. Ganz plötzlich ist dann der westliche Sonnenrand da, steigt unaufhaltsam auf, gibt mehr und mehr vom Sonnenkörper frei. 1,4 Mio. Kilometer Sonnendurchmesser besetzen scheinbar nur einen halben Grad am Himmel; es dauert wenige Minuten bis die Sonne sich im vollen Glanz zeigt. Auch ihre Farbabstufung unterliegt dem optischen Verhalten der Erdenluft, horizontnah tiefrot, das obere Sonnensegment schon gelblich. Darüber hinaus prägt die Luft auch die Sonnenform, denn die horizontnahen Lichtstrahlen werden stärker gebrochen als die oberen Randstrahlen der Sonne. Die Unterkante unseres nächsten Sterns, nichts anderes ist die Sonne, erfährt eine scheinbare Anhebung, wodurch der Kugel ein ellipsoides Aussehen verliehen wird. Bald ist das Licht so hell, dass es unsere Augen überfordert, denn unaufhaltsam rotiert die Erde weiter Richtung Osten, lässt die Sonne immer weiter westlich von meinem geografischen Standort aufgehen.
     Ein neuer Tag in meinem Leben hat begonnen. Was werde ich alles durch das Licht sehen, was erkennen? Wie viel Leben wird die Kraft der Sonne speisen, wie viel ausdörren, gar versengen? Wie sähe eine intelligente Sonne uns Menschen in all den Ländern und Kontinenten? Mag sich die Sonne jetzt vor mir im Wasser des Ozeans spiegeln, mag sie Bergkuppen vergolden, eine Wiese, einen Waldrand überfluten, ein Häusermeer erhellen: Sie trifft mich; dies ist unser Tag!



© Raymond Walden 


 


Samstag, 4. Januar 2020

Sequenzen von Skepsis (362)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:

4648
Wer selbst nichts zu sagen hat, erfüllt immerhin die Voraussetzung zum Pressesprecher.

4649
Das Gegenteil von Musik ist Krach – ein Blutsverwandter der Politik.

4650
Die Dummheit ist grenzenlos, deshalb sorgt sie für Grenzen möglichst überall zum Zeichen ihrer gewaltigen Allmacht der Entmenschlichung.

4651
Kosmonomisches Prinzip:
Unter Achtung und Anwendung der Naturgesetze zum Wohle der Menschheit!

4652
Reden sei Silber, Schweigen sei Gold, hört man sagen. Aber mir scheint, Denken und Schreiben sind edler, nicht so metallisch.

4653
Im hohlen Schädel findet alles Glauben Platz.

4654
Besonders in Hauptstädten schießen die Lügen in den Himmel und dann rundherum und rundheraus auf Menschen, wo immer auf dem Globus.

4655
Jugend ist früher dahin, als sie selbst glauben mag. Setzt danach keine reifende Vernunft ein, greift Jugendwahn zu und verhindert lebenstüchtige Identität.

4656
In reichhaltiger und scheinbar unermüdlicher Dynamik schlägt sich jedes Herz zu Tode.

4657
Einsamkeit kommt nahe an die Wahrheit, Zweisamkeit fordert sie heraus.
(Ambivalent zu lesen.)

4658
Gefangen in den Tret- und Gebetsmühlen des täglichen Alltags, in seinen Erfordernissen, Pflichten, Zwängen, aber auch Lustbarkeiten und Träumereien, bleibt der Massenmensch unfähig zu wirksamer Hinterfragung; es fehlt an Zeit und am Willen.

4659
Freiheit setzt auf Wissen und Bildung, Ideologie stützt sich auf Desinformation und Gewalt, auf Indoktrination und Dogmen, sodass sich Gläubige in Ermangelung objektiven Wissens sogar als „Freie“ darstellen.


© Raymond Walden



Freitag, 3. Januar 2020

Menschliches Glauben: Gelassenheit (S. 32)


Februar 2001

Für viele Lebenssituationen erweist sich eine Grundhaltung als vorteilhaft, die aber von gar nicht so vielen Menschen an den Tag gelegt wird: Gelassenheit.
     Die gelassene Verhaltensweise dient vor allem dem eigenen Schutz vor Überreaktionen, also vor übereiltem und dadurch vielleicht auch falschem Handeln und möglicherweise sogar vor Energieverschwendung für gar nicht so wichtige Angelegenheiten. Gelassenheit verschafft Zeitgewinn, Abstand zum Problem und dadurch oft auch besseren Überblick, alles Kriterien für die Überlegenheit im Streitfalle oder die Souveränität in der alltäglichen Arbeitsbewältigung. Es handelt sich folglich nicht um eine Verdrängungsmentalität, dass man aus verschiedensten Gründen Entscheidungen einfach aus dem Wege gehen möchte, sondern sogar um das Gegenteil. Der gelassene Mensch ist in der Regel engagiert, verfügt über kein geringes Maß an Kenntnissen und ist bemüht, gerade auch in konkreten Fällen etwaige Wissenslücken aufzufüllen, ehe er zu einem Entschluss gelangt. Dabei kommt ihm zugute, dass er aus früheren gelassen bereinigten Situationen ein Fundament an Selbstsicherheit gegossen hat, das sich mit jeder neu gemeisterten Situation nur noch stabilisieren kann.
     Kaum jemand kommt als gelassener Mensch auf die Welt; für die meisten ist Gelassenheit eine bewusst herbeigeführte Verhaltensweise, die geübt werden möchte und zudem auch von der nervlichen Konstitution abhängt. Je reicher der Erfahrungsschatz im Leben, desto leichter mag Gelassenheit zu verwirklichen sein. Aber auch Gesichtspunkte außerhalb des bisher Erfahrenen lassen sich bis zu einem gewissen Grade üben, indem man sich immer wieder Situationen vorstellt, in die man unvermittelt zu jeder Zeit geraten könnte.
     Wie würde ich mich zum Beispiel verhalten, wenn ich genau in diesem Moment einen Schwächeanfall erlitte, wenn der Mensch neben mir stürbe, wenn nach der nächsten Straßenkurve ein Hindernis auftauchte. Dabei soll keineswegs ein fortwährendes imaginäres Krisenmanagement ablaufen, sondern lediglich eine Art von Vertrautheit mit Eventualitäten erzeugt werden. Wenn ich mir zum Beispiel ungeschminkt bewusst bin, dass mein Leben jeder Zeit zu Ende gehen kann, werde ich als Folge automatisch auch andere Gewichtungen in meinen täglichen Rhythmen und meinen mittel- und langfristigen Planungen vornehmen. Kurzfristiges Sichverschleißen wird eher als nutzlos erkannt werden, übertriebene Eile spätestens im Nachhinein meist überflüssig erscheinen. Im akuten Dringlichkeitsfall kann der Gelassene zielsicherer und wirkungsvoller Maßnahmen ergreifen als der nervlich Überlastete und Aufgeregte. Somit ist Gelassenheit für alle Beteiligten von Vorteil und stellt eigentlich für jeden Menschen eine innere Herausforderung dar, der man sich ruhig und engagiert stellen sollte. Denn völlig abwegig wäre es, Gelassenheit auf Desinteresse zu begründen.



© Raymond Walden





Donnerstag, 2. Januar 2020

Menschliches Glauben: Angesichts der ältesten Demokratie – eines Zukunftmodells? (S. 30)


November 1998

Dem 61 Quadratkilometer großen Staat nähern sich die meisten Besucher von Norden kommend über Rimini. Nachts schon von Weitem erkennbar sind die mit Lichtern übersäten Berghänge, die hinaufführen zur eigentlichen Festung San Marino. Tagsüber, vielleicht via Ravenna die SS16 entlangfahrend, fallen vor allem dunkelhäutige, sich freizügig prostituierende Frauen auf. Der Straßenaufstieg zur Republik San Marino ist sauber von zwielichtigem Sex, aber mit kommerziellem Schilderwald zugewuchert, der Verkehrs- und Hinweisschilder nicht selten ab- oder zuschattet. „Continua 50“ wird auf den meisten Straßen signalisiert; das heißt offensichtlich für Einheimische (ungefähr 25.000), möglichst schnell überholen zu müssen. Aber keine Frage: Hier stimmt die Infrastruktur; die grandiose Landschaftskulisse und die Menschen laden ein zum Verweilen und Genießen.
     Dennoch kommen mir Zweifel im Ambiente der ungezählten kleinen Läden und Boutiquen, die in steilen Gassen ideale Motive für Fotografen abgeben. Das Sortiment quillt über, beschränkt sich aber auf folgende Bereiche: Schmuck- und Lederwaren, Uhren, Parfüms, natürlich Briefmarken, Keramik, Touristenplunder, verkitschte Heiligensymbole, Alkoholika in verführerischen Flaschen und Waffen aller Art, aus verschiedensten Epochen, vom Schlagstock, Schlagring oder Dolch, von Handschellen, Peitschen, Pistolen bis hin zur legendären Uzi, der automatischen Schnellfeuerwaffe aus Israel. Eine Hauptattraktion ist das Museum der antiken Folterwerkzeuge. Besonders an Wochenenden knallen schon zu früher Morgenstunde an den Berghängen die Büchsen der wehrhaften San-Marinesen; man sagt mir, es seien Vögel im Visier. Wie auch immer, das Schießen ist salonfähig.
     Die Frage sei gestattet, ob die san-marinesische Demokratie nicht aus tiefster Provinzialität heraus definiert und heute vor allem publikumswirksam vermarktet wird. Zwar setzt man hier zweimal pro Jahr demokratisch und besonders feierlich die beiden Oberhäupter des Staates ein, doch die katholische Staatsreligion dürfte wohl kaum andersdenkende oder ungläubige Repräsentanten zulassen. Die gesetzlichen Feiertage sind im Wesentlichen eine lange Auflistung der Kirchenfeste. San Marino ist eine Demokratie, die in globaler Denkart bestenfalls eine Puppenstubenidylle verkörpern kann. Hier wurzelt zwar das Prinzip von Demokratie und Toleranz, die Entwicklung ist aber auf einer Vorstufe stecken geblieben, mit einem seltsamen Hang zur Waffentradition. Daran ändert auch die stilisierte große Sanduhr nichts, die die atomare Abrüstung der letzten Jahre darstellt und deren Fortsetzung einfordert.
     So vermittelt der Monte Titano als Festungssitz zwar rein äußerlich beeindruckende Weitsicht, philosophisch und psychologisch hingegen eher Enge. Und das, obgleich San Marino erfreulicherweise von keinem Adelsgeschlecht abhängig ist.


© Raymond Walden



Mittwoch, 1. Januar 2020

Menschliches Glauben: Kann man Menschen mögen? (S.28)


November 1998

Der ZDF-Nachrichtensprecher entschuldigt sich am 27.8.98 für die nun folgenden Bilder: Uniformierte im Kongo haben an irgendeiner Flussbrücke einen Zivilisten der politischen Gegenseite aufgefunden, misshandeln ihn, werfen ihn über das Brückengeländer tief hinunter in den Fluss. Als der Geschundene wieder auftaucht, sich dem rettenden Ufer zubewegt, schicken die Mörder einige Gewehrsalven nach unten. An anderer Stelle zerren überwiegend junge Leute triumphierend einen verkohlten Leichnam an den Beinen über die Straße.
     Da zumindest die wachen Köpfe unter uns wissen, dass weltweit Ähnliches täglich geschieht, häufig ausgeführt von Individuen, die nicht einmal die Wörter „Gewehr“ und „Tod“, geschweige denn „Leben“ schreiben können, drängt sich folgende Frage auf: Was ist eigentlich „menschlich“?
     Die deutsche Sprache unterscheidet da nicht so genau. Ist damit „human“ gemeint oder bedeutet es so viel wie „unvollkommen“ und beschreibt oberflächlich hochgradige Dummheit, Verkommenheit und Verrohung?
     „Mögen Sie eigentlich Kinder?“ fragte mich ein Schüler. Ich schränkte ein: „Nicht alle, denn ich mag auch nicht alle Erwachsenen.“ Freilich war die Antwort von diplomatischer Natur, denn mein „Mögen“ beschränkt sich auf die im Großen und Ganzen Humanen, das Heer der „Menschlichen“ irritiert mich. Es wäre in der Tat unerträglich, gäbe es sie nicht doch – Menschen mit humaner Gesinnung. So mancher Freund irritiert mich allerdings, wenn ich ihn in bisher unbekannter, etwa opportunistischer oder gar esoterischer Rolle erlebe. Dann frage ich mich, ob und wie ich umgekehrt enttäusche. Denn dies ist offensichtlich: Guter Wille allein reicht in unserem Dasein eben nicht aus; der Verstand darf sich niemals einem „Fraktionszwang“ unterwerfen. Wo aber beginnt im Alltag Fraktionsdruck?
     Ich provoziere: in so mancher Ehe, ist doch die institutionalisierte Lebensgemeinschaft keineswegs nur die Zweierbeziehung, sondern gleichzeitig die gesellschaftliche Basis für sexuelle Doppelmoral mit allen daran anschließenden negativen Folgen. Die Partner, zunächst ausgestattet mit besten Vorsätzen und gutem Willen, sind später im Sumpf der Eifersucht allemal in der Lage, einen Menschen über das Brückengeländer zu werfen. Und eigentlich völlig unbeteiligte Moralisten, „Sonderermittler“, haben noch jeden ins Visier der abschießenden, selbst längst abgeschossenen Öffentlichkeit gezerrt.
     Beziehen wir das auf den US-Präsidenten Clinton, der ein problematisches Verhältnis zur Wahrheit hat, trifft es doch nur einen Verfechter ebendieses Systems, in dessen gewinnsüchtigem Selbstverständnis noch jede Scheinheiligkeit honoriert wird, um sodann ins Lamentieren zu verfallen, wenn es die Situation erfordert.
     Allen Fundamentalisten, Nationalisten und Dogmatikern spreche ich Menschlichkeit ab. Aber versuche dem, der einen falschen Weg verfolgt, klar zu machen, dass er es tut – er wird es nicht verstehen. Ganz im Gegenteil, solche Leute halten sich oft wie Kohl im Wahlkampf für „Weltklasse“. In ihrer Wildwestmanier entscheiden sie aber über das Schicksal von Millionen. Und der Spieß wird in einer solchen Welt schnell umgedreht, indem derjenige, der nicht mitspielt, kurzerhand für verrückt erklärt wird.
     Zwei Dinge faszinieren mich indes: Es gibt echte Freundschaften und auch wahre Liebe, zumindest für manche Menschen, und es gelten objektive Naturgesetze. – Darin steckt so viel Hoffnung, so viel Dynamik.


© Raymond Walden




Dienstag, 31. Dezember 2019

Kein gutes neues Jahr


Ja, ich erlaube mir, kein „gutes neues Jahr“ zu wünschen: all jenen Bombenwerfern, Mininenlegern, Kriegstreibern, Aufrüstern, Waffenexporteuren,
all jenen Feinden freiheitlich demokratischer Lebensart,
denen, die nach Entmündigung der Bürger rufen, nach Verboten, nach Überwachungen, Vorschriften, Diktaten, „Notständen“,
jenen, die Presse- und Meinungsfreiheit ideologisch untergraben, die vorgeben, Natur zu schützen, um ihre indoktrinäre Bildungs- und Wissenschaftsferne an die Macht zu dirigieren, um scheinheilig und verlogen gegen Menschenrechte, Menschenwürde und Emanzipation zu freveln.

Allen Friedfertigen, Gewaltfreien und aufgeklärt aufrecht lebenden Menschen hingegen, gilt meine tief empfundene Sympathie.

Ihnen, uns allen, in schweren Zeiten
ein herzliches wie kosmonomisches* Glück auf!
für 2020







Montag, 30. Dezember 2019

Abgott Lüge


Du weißt, die Wahrheit verkauft sich schlecht,
du schreibst aber Wahrheit, jetzt erst recht.
Denn es geht um Verbrechen, um Leben und Tod,
um Armutsbekämpfung, Kriegstreiberei, um tägliches Brot.

Die Lüge ist Abgott mit agiler Gemeinde,
zerstört Vertrauen, macht aus Freunden Feinde.
Man huldigt der Lüge in Lügengebäuden,
redet von höherem Zwang in banalem Zeitvergeuden.

Die Lüge wohnt im Allerheiligsten, im Tabernakel,
sie öffnet ihn zum Lobpreis mit teuflischem Orakel,
durch die Gewölbe des Lügendoms hallt es,
von den sich biegenden Decken schallt es,
alarmierende Festtagsgeläute künden
von ideologischen und von diplomatischen Sünden.

Gehirnwäsche beginnt mit der Taufe,
und wirst du beschnitten, gleicht sich die Traufe.
Angst und Furcht sollen dich schrecken,
Glauben nicht Wissen (!) muss Kräfte wecken
des erzwungenen Schwurs der Lüge,
damit sie weiterhin und schamlos betrüge,
Freiheit, Würde und Demokratie verlasse
und jede andere Meinung hasse.

So war es schon immer, so ist es, so soll es sein?
Ich bin so frei: „Nein!“ und trete für Klarheit ein
mit wissenschaftlichen und objektiven Prämissen
gegen all jene, die beschwörend ideologische Flaggen hissen.


© Raymond Walden




Sonntag, 29. Dezember 2019

Menschliches Glauben: Angesichts der Insel Vilm (S. 27)


August 1998

Nur wenige Menschen kommen je auf den Vilm, jene kleine Insel von nicht einmal 100 ha, die südöstlich von Rügen im touristischen Schatten weilt und mehr vom Leben offenbaren kann als die neu erwachenden Rüganer Strandpromenaden. Denn auf Vilm hat das Leben wieder zu sich selbst gefunden.
     Verschiedene Umstände bescherten über einige Jahrhunderte hinweg der Insel eine relative Freiheit vom Menschen und gewährten damit der Pflanzen- und Tierwelt sowie der Küsten formenden Kraft des Meeres jene Selbstentfaltung, die Zeugnis ablegt für die Vergänglichkeit und die bescheidene Bedeutung des Individuums im Zeitmaß der Evolution.
     Maximal 30 Besucher täglich, heißt es, seien erlaubt, im Jahresschnitt sind es eher weniger. Wenngleich die Natur das eigentliche Inselerlebnis birgt, gibt es da einen philosophischen Ansatz.
     1959 wurde der Vilm für Besucher gänzlich gesperrt, und man baute eine Ferienhaussiedlung für hohe Staatsfunktionäre. Offensichtlich wollten die Kommunisten sich hier ein kleines Paradies bauen, leicht abschirmbar durch die seichten Boddengewässer, gut zu versorgen vom Rügener Hafen Lauterbach aus, doch irgendwie verraten die Anordnung und die geradezu sparsame Architektur der Häuser, dass die Erbauer von einem luxuriösen Lebensstil westlicher Prägung keine Ahnung hatten. Oder fühlten sie sich hier zu eng an ihrem eigentlichen Leben? Mag das auch der Grund dafür sein, dass die Anlage überhaupt wenig genutzt wurde? Seit 1990 dienen die einfachen Häuser der Internationalen Naturschutzakademie Insel Vilm als Forschungs- und Tagungsstätten.
     Lässt man die paar Häuser hinter sich, gelangt man in Wälder mit bis zu 300 Jahre alten Buchen, bizarr geformte alte Eichen haben so manches Wetter überdauert. Seit über 400 Jahren ist kein Baum mehr geschlagen worden. Der Urwald zeigt sich in allen Phasen seiner Entwicklung: als Blüte, Sämling, Trieb, als stattlicher Baum in kraftvoller Ganzheit und als modernder Tod, voller Schönheit, Ehrfurcht gebietend und zugleich etwas Schauder hervorrufend. Die Mücken scheinen nur die Einheimischen zu schonen. Auf kürzester Strecke wechseln die Küstenformationen, erzählen von der fernen Eiszeit und nahezu täglichen Abrissen, Anlandungen.
     Wer bist du, Wanderer, der nach wenigen Bootsminuten hier landet?
Hast du Augen, Ohren und Verstand, um zu erkennen, was Lebenszeit, was
Evolution heißt? Denn Du bist ihr Kind! 

 
© Raymond Walden



Samstag, 28. Dezember 2019

Menschliches Glauben: Das Glück zu reisen (S.26)


Mai 1998

Gedanken wurzeln in Traditionen und Herkunft, sie fliegen in Hektik und Raffgier, sie schweben in Träumen und Visionen, aber sie befreien sich, so ein Reisender denkt, ein Denkender reist. Dies meint nicht das bekannte Sprichwort „Reisen bildet“, sondern das Umschalten aus provinziellen oder urbanen Zwängen auf Eventualitäten, die in der modernen Zeit bis zu einem gewissen Grad kalkulierbar sind, aber letztlich immer eine Herausforderung in sich bergen. Freilich ist durch die Berechenbarkeit das Reisen für den Menschen von heute gegenüber früheren Generationen zur hellen Freude geworden. – Daher ja auch der Massentourismus, der dann aber wegen seiner Stupidität sofort in Nervenbelastung umschlägt.
     „Wie man sich bettet, so schläft man“ besitzt eine übertragbare Wahrheit: „Wie man seine Erwartungen begründet und die Wege plant, so ist die Lebensqualität während und nach der Reise“. Das bezieht sich zunächst vordergründig auf die Reiseroute, gilt aber viel gravierender für das gesamte Umfeld. Ich habe bisher das Glück gehabt, häufig und auch weit zu reisen; „Erhebet die Herzen“, heißt es an einer Stelle der katholischen Messfeier, an die ich mich erinnere, weil ich als Kind in die katholische Gemeinschaft eingebettet war. Heute weiß ich, dass dieser liturgische Schnickschnack nichts bedeutet gegenüber dem wirklichen Erleben dieser Erde, mit ihren Klima- und Kulturzonen, und nichts ist erbaulicher, als mit Überblick und Verständnis die jeweiligen lokalen Vorgänge annähernd, auch historisch, zu begreifen, ohne in diese wie auch immer verwickelt zu sein. Gedankenfreiheit kann erst zu einer solchen werden, hat sie das Wesen möglichst vieler Regionen „erfahren“. Literatur und andere geistige Quellen können in seltensten Fällen in Konkurrenz mit der konkreten Reise treten, wohl aber profitiert die Reise von zuvor angelesenem Wissen.
     All jenen stetig Nörgelnden, die da meinen, zu reisen sei ein Faktor der Umweltzerstörung, könnte man vielleicht entgegnen, dass bestimmte touristische Wachstumsbranchen neben der Landschaft auch den Geist (so überhaupt noch vorhanden) schädigen, doch würde dies zu einer Diskussion über die Mündigkeit der dumpfen Masse führen, die nicht reist, die verfrachtet wird, weil sie es in ihrem Unvermögen gar nicht anders erwartet. Echtes Reisen meint ja auch innehalten, verweilen, wird dadurch alles andere als mondän, gar überheblich. Wie auch immer – zu reisen meint weitverzweigte Verwurzelung des Ichs, schöner noch des Wirs, meint das extensive Erleben des Hier und Jetzt, eingewoben in die eigene Geschichtlichkeit, aufgebrochen, um der Zukunft etwas gewachsen zu sein, denn sie ist zwar begrenzt, ungewiss, hält letztlich aber für jeden den Tod bereit – am Ende aller Reisen.


© Raymond Walden



Freitag, 27. Dezember 2019

Menschliches Glauben: „Selbstdarsteller“ unwählbar (S. 24)


März 1998

Eine demokratische Wahl zu boykottieren, hat wenig Sinn, denn verweigerten sich alle, wäre dies das Ende der Demokratie. (Wir sind uns einig, dass Demokratie noch sehr entwicklungsbedürftig ist, um den Namen in voller Bedeutung zu führen.) Nach amerikanischem Vorbild laufen bereits jetzt die Medienkampagnen zur bevorstehenden deutschen Bundestagswahl an. Inhalte interessieren die Masse kaum, vielmehr, wie ein Kandidat „ankommt“, ob er „sexy“ ist – schlicht, ob er Medienwirksamkeit verkörpert. Wie in den billigen Fernsehshows kanalauf und -ab basiert das „Publikumsvotum“ weniger auf Bandbreite und Kompetenz, als vielmehr auf Stimmungsmache, auf der Präsentation und Akzeptanz von oberflächlichem Gehabe und Geschwätz: Das ist der eigentliche Zustand unserer zu einem beträchtlichen Teil verblödeten Gesellschaft. Jeder nicht konforme Skeptiker ist freilich in der Lage, daraus seine eigenen Schlüsse zu ziehen; mich reizt es dennoch, meine Auffassung zur Diskussion zu stellen.
     Kohl kann ich nicht wählen, weil der bei jeder Kandidatur das Volk belogen hat und dabei seine Politik auf christliche Traditionen stützt, die im globalen Maßstab lediglich regionale Einfalt repräsentieren.
     Schröder will ich nicht wählen, weil er sich von Kohl nur dadurch unterscheidet, dass er den häufigen Wechsel seiner Damenbekanntschaften öffentlich vermarktet, während Kohl mit seiner Angetrauten ein Kochbuch veröffentlicht. Lassen wir uns nicht täuschen – zum Beispiel in der Medienpolitik, im Schulwesen, in der Ausländerpolitik gibt es zwischen den beiden stärksten Parteien nur den Einheitskitt der Unfähigkeit, darüber hinaus das Buhlen um das Wohlwollen der Kirchen.
     Die FDP als stets überbewertetes Anhängsel, das zum eigenen Machterhalt so ziemlich jeden Unfug mitgestaltete, ist nicht meine Welt. Und schließlich können sich die Grünen, erst „Fundis“, dann „Realos“, also Weltfremde, dann Opportunisten, nur aufgrund der Dummheit der zuvor genannten Kartelle behaupten. Einer Erwähnung des schillernden Restes der deutschen Wahlbewerber bedarf es wohl kaum.
     Was ist zu tun? Soll ich Leute und Parteien wählen, die mir zuwider sind, quasi als „kleineres Übel“? Bisher war das meine Praxis. Diesmal folge ich dem Rat eines Freundes: „Selbstdarsteller wähle ich nicht.“ Das schreibe ich weniger drastisch auf den Wahlzettel, sollte eine Wählmaschine im Lokal stehen, wähle ich ungültig. „Die Freiheit nehme ich mir“, denn ich bin sicher, nichts mit der Stimmabgabe bewirken zu können. Mein Betätigungsfeld beschränkt sich auf das alltägliche Leben: Demokratie muss gelebt werden, standhaft, mit offenen Augen und Ohren, einem entschlossenen Mund und einer dynamischen PC-Tastatur.
     Mehr als alles andere aber schätze ich die Kommunikation mit unabhängig denkenden und zuverlässigen Menschen. Ich habe das Glück, einige von ihnen, mit ganz unterschiedlichen Charakteren, als Freunde erleben zu dürfen. 


 
© Raymond Walden