März
1995
Durch
Zufall geriet ich an jeweils eine Ausgabe der kanadischen Zeitschrift
Chatelain
und des Magazins Homemaker’s,
beide Publikationen scheinbar harmlos, familiär, für die
bürgerliche Frau. Chatelain
liefert von insgesamt 140 Seiten 105 (!) Werbung, Homemaker´s
58 von 106. Hinzu kommen
die redaktionellen Aufmacher, bei denen auf den ersten Blick nicht zu
entscheiden ist, ob es sich dabei nicht auch um zumindest indirekte
Werbung (Rezepte, etc.) handelt.
Es
sind dies Druckerzeugnisse, wie es sie ganz ähnlich in vielen Ländern
zu kaufen gibt. Sie verkörpern das Prinzip des überzogenen
materiellen Konsums, denn für jene, die geistigen Konsum vorziehen,
fehlt es nicht selten am redaktionellen Mindestangebot. Diese
pausenlos Worthülsen und Hohlnachrichten verbreitenden Medien sind
im Begriff, ihre eigentliche Grundlage, die demokratische
Meinungsfreiheit, zu zerstören, denn aus den Blättern spricht an
sich nur noch der Werbeauftraggeber, oft nicht einmal der, sondern
nur noch sein Produkt. Für die Leserpsyche ist es ohne Belang,
welche Produkte die Seiten füllen, denn es präsentiert sich in
jedem Fall eine der interaktiven Kommunikation unfähige,
abstumpfende Einbahnstraßeninformation, über die man höchstens bei
besonders originellen Werbespots einmal reflektiert.
Die
Wirtschaft missbraucht zügellos die Medien und die wiederum
prostituieren sich heftig, weil sie die Herausgabe bunter Seiten und
seichten Gefasels mit ihrer ursprünglichen Aufgabe als
Meinungsträger, Meinungsübermittler, Nachrichtenquelle und
Diskussionsgrundlage für ein eigenes Meinungsbild des Lesers
verwechseln.
Das
renommierte Nachrichtenmagazin Newsweek vom 13.3.1995 umfasst 58
Seiten, davon sind beinahe 45 mit Reklame gefüllt; deutsche
Printmedien dürften dem nicht nachstehen. Hin und wieder vernimmt
man die „Entschuldigung“, eine weitgehende Unabhängigkeit von
Werbung verteuere die Zeitungen. Der Verbraucher aber – wer sonst?
– trägt über die Produktpreise die Werbekosten und erkauft sich
für die zum Teil dekadente Werbung auch noch eine unfreie Presse.
Das ist einer der wesentlichen, „demokratisch“ verdrängten
skandalösen Missstände.
Der
auf dem amerikanischen Fernsehkanal CNN weltweit verbreitete Slogan
„Werbung – das Recht auszuwählen“ erinnert mich fatal an die
Menschenverhöhnung: „Jedem das Seine, mir das meiste.“
©
Raymond Walden
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