August
1997
Während
aufgeklärte Stimmen mahnen, dass im medizinischen Bereich immer mehr
Esoteriker (darunter auch ausgebildete Ärzte) ihr Unwesen treiben
und die Krankenkassen genauer ihre diesbezüglichen
Kostenerstattungen prüfen sollten, kommt ausgerechnet von den Grünen
des Bundestags Einspruch: Eine intensivere Kontrolle könnte das
Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit einschränken!
Demokratie
wird zunehmend zum Spielball vorgetäuschter Wahrheiten! Stimmig in
solchem Sinne ist denn auch das Vorhaben, in Lage-Hörste eine
homöopathische Klinik für 30 Mio. DM zu bauen. Die Kassen sollen
davon überzeugt werden, die Patientenaufenthalte zu bezahlen. Die
Bezirksregierung Detmold hat jedenfalls schon grünes Licht gegeben.
Ich bin sicher, den Verantwortlichen könnte auch ein Aufenthalt in
der „Para-Klinik“ nicht helfen.
Trauersüchtig
und kultverrückt (S. 70)
September
1997
Der
plötzliche Tod der Lady Diana entbehrt sicherlich nicht einer
gewissen Tragik; Betroffenheit und Mitgefühl sind persönliche
Angelegenheiten, die zu respektieren und nicht zu kritisieren sind.
Dennoch ist der Trauerfall auch ein extensives Beispiel für
Massenpsychose, dekadente Geschäftssucht und Bewusstseinsspaltung,
für ein gestörtes Verhältnis zum Tod, zur Realität schlechthin.
Das Besondere: Nicht nur die Klientel der Boulevardpresse verlor den
Kopf, sondern höchste Staatsrepräsentanten reihten sich in das
Gestammel von Dümmlichkeiten ein.
Alles, was Diana
öffentlich darstellte, verdankte sie ihrem permanenten Kokettieren
mit der Klatsch-Presse, der sie Einblicke offerierte in ein Leben in
Saus und Braus. Dass auch diese Lebensart mitunter krank macht und
Sorgen birgt, mag Trost sein für viele, die in erbärmlichen
Umständen leben. Jedenfalls haben Frauen und Männer auf der
üblichen Lebensbühne häufig viel quälendere Schicksale zu
ertragen in der Sorge um Partner oder Familie, bei Krankheit, Not
und Gewalt. Niemand setzt diesen oft wirklichen Heroen der
Lebensbewältigung ein Monument.
Aber
nicht zuletzt aus diesen Kreisen ist das nun so öffentlich
zelebrierte Phänomen erwachsen, denn im hoffnungslosen Selbstmitleid
identifizieren sich viele mit jedem Kitsch, intensiver gar, wenn er
königlicher Herkunft ist. Das Leid von Königlichen ist königlich,
ist göttlich, verlangt nach heiligsprechender Mystik, der sich aber
auch Wohlstandsbürger – in ihrer saturierten Langweile oder aber
in ihrem strapazierenden permanenten Statuswettbewerb – mit Pathos
anschließen. Ganz nebenbei lässt sich vielleicht die eigene
Doppelmoral zudecken, zog doch "England's Rose" schlicht
und ergreifend mit einem Playboy herum, freilich nachdem ihre Ehe
zuvor gescheitert war.
Feierlich mahnende Worte
des Bruders der so Vergöttlichten ertönten im Tempel aller Tempel
Englands; nur wenige Tage später erfuhr die Öffentlichkeit, dass
auch seine privaten Verhältnisse zerrüttet sind. Blender und
Schwätzer sind es, die sich tagelang in all ihrer Trivialität
feiern ließen, nicht zuletzt von einer medienverwirrten
Gesellschaft, die in Ermangelung wirklicher Götter ihre Sucht nach
einer kindischen Trauer und Kultischem in einer makabren Hysterie
auslebte.
Und
dennoch gestehe ich meine Betroffenheit, ja Ergriffenheit im Hinblick
auf den Menschen Diana und ihre engsten Verwandten, weil mich jeder
Mensch anrührt, wenn er, aus welchem Grund auch immer, tieftraurig
ist. Ich bin überzeugt, dass sich durch Aufklärung und
Entmystifizierung das Leid der Welt leichter ertragen ließe.
Aufklärung bedeutet auch im weitesten Sinne Lebenserleichterung.
©
Raymond Walden