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Dienstag, 3. März 2020

Menschliches Glauben: "Naturheiler" auf dem Vormarsch (S. 70)


August 1997

Während aufgeklärte Stimmen mahnen, dass im medizinischen Bereich immer mehr Esoteriker (darunter auch ausgebildete Ärzte) ihr Unwesen treiben und die Krankenkassen genauer ihre diesbezüglichen Kostenerstattungen prüfen sollten, kommt ausgerechnet von den Grünen des Bundestags Einspruch: Eine intensivere Kontrolle könnte das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit einschränken!
     Demokratie wird zunehmend zum Spielball vorgetäuschter Wahrheiten! Stimmig in solchem Sinne ist denn auch das Vorhaben, in Lage-Hörste eine homöopathische Klinik für 30 Mio. DM zu bauen. Die Kassen sollen davon überzeugt werden, die Patientenaufenthalte zu bezahlen. Die Bezirksregierung Detmold hat jedenfalls schon grünes Licht gegeben. Ich bin sicher, den Verantwortlichen könnte auch ein Aufenthalt in der „Para-Klinik“ nicht helfen.




Trauersüchtig und kultverrückt (S. 70)

September 1997

Der plötzliche Tod der Lady Diana entbehrt sicherlich nicht einer gewissen Tragik; Betroffenheit und Mitgefühl sind persönliche Angelegenheiten, die zu respektieren und nicht zu kritisieren sind. Dennoch ist der Trauerfall auch ein extensives Beispiel für Massenpsychose, dekadente Geschäftssucht und Bewusstseinsspaltung, für ein gestörtes Verhältnis zum Tod, zur Realität schlechthin. Das Besondere: Nicht nur die Klientel der Boulevardpresse verlor den Kopf, sondern höchste Staatsrepräsentanten reihten sich in das Gestammel von Dümmlichkeiten ein.
     Alles, was Diana öffentlich darstellte, verdankte sie ihrem permanenten Kokettieren mit der Klatsch-Presse, der sie Einblicke offerierte in ein Leben in Saus und Braus. Dass auch diese Lebensart mitunter krank macht und Sorgen birgt, mag Trost sein für viele, die in erbärmlichen Umständen leben. Jedenfalls haben Frauen und Männer auf der üblichen Lebensbühne häufig viel quälendere Schicksale zu ertragen in der Sorge um Partner oder Familie, bei Krankheit, Not und Gewalt. Niemand setzt diesen oft wirklichen Heroen der Lebensbewältigung ein Monument.
     Aber nicht zuletzt aus diesen Kreisen ist das nun so öffentlich zelebrierte Phänomen erwachsen, denn im hoffnungslosen Selbstmitleid identifizieren sich viele mit jedem Kitsch, intensiver gar, wenn er königlicher Herkunft ist. Das Leid von Königlichen ist königlich, ist göttlich, verlangt nach heiligsprechender Mystik, der sich aber auch Wohlstandsbürger – in ihrer saturierten Langweile oder aber in ihrem strapazierenden permanenten Statuswettbewerb – mit Pathos anschließen. Ganz nebenbei lässt sich vielleicht die eigene Doppelmoral zudecken, zog doch "England's Rose" schlicht und ergreifend mit einem Playboy herum, freilich nachdem ihre Ehe zuvor gescheitert war.
     Feierlich mahnende Worte des Bruders der so Vergöttlichten ertönten im Tempel aller Tempel Englands; nur wenige Tage später erfuhr die Öffentlichkeit, dass auch seine privaten Verhältnisse zerrüttet sind. Blender und Schwätzer sind es, die sich tagelang in all ihrer Trivialität feiern ließen, nicht zuletzt von einer medienverwirrten Gesellschaft, die in Ermangelung wirklicher Götter ihre Sucht nach einer kindischen Trauer und Kultischem in einer makabren Hysterie auslebte.
     Und dennoch gestehe ich meine Betroffenheit, ja Ergriffenheit im Hinblick auf den Menschen Diana und ihre engsten Verwandten, weil mich jeder Mensch anrührt, wenn er, aus welchem Grund auch immer, tieftraurig ist. Ich bin überzeugt, dass sich durch Aufklärung und Entmystifizierung das Leid der Welt leichter ertragen ließe. Aufklärung bedeutet auch im weitesten Sinne Lebenserleichterung.


© Raymond Walden