„Denken
heißt der Unsicherheit nachlaufen, sich wegen großartiger Kleinigkeiten aufregen,
sich mit der Begierde eines Märtyrers in Abstraktionen einschließen, auf
Komplikationen aus sein wie andere auf Verlust oder Gewinn. Der Denker ist per
definitionem qualsüchtig.“
Quelle:
Cioran, E.M.: Gevierteilt, suhrkamp taschenbuch 1838, Frankfurt am Main, 1982,
S. 147
Dächte
ich ähnlich wie E.M. Cioran über das Denken, gäbe es jetzt nicht meine
Entgegnung, ja ich glaube, ich hätte nie etwas veröffentlicht.
Mir
bereitet das Denken Vergnügen und Trost – also Lebenserleichterung und
keineswegs ein „Nachlaufen der Unsicherheit“, wenngleich ich mir der
Unsicherheit in Form von möglichen Irrtümern bewusst bin. Sie entmutigen mich
nicht, spornen im Gegenteil sogar an.
Ein
gedankliches Engagement betrachte ich weniger als „aufregend“, eher als
erhellend, wobei doch die Einstufung „großartiger Kleinigkeiten“ ziemlich
eindeutig meiner Freiwilligkeit unterliegt.
Natürlich
lassen sich viele Dinge schon gar nicht durch mein Denken beeinflussen,
dass ich mich dennoch damit befasse, hat nichts mit einem „Märtyrertum“ in
eingeschlossenen „Abstraktionen“ zu tun, sondern mit der Befriedigung des
Herleitens und Durchschauens von selbst komplizierten Angelegenheiten, auch mit
der heiteren Gewissheit, sich nicht so leicht von sogenannten Vordenkern und
„think tanks“ hinters Licht führen zu lassen.
Bei
der manchmal sogar schmerzhaften Verwunderung über die Lobby des blanken
Unsinns bedeuten mir Erkenntnisse im analytischen Denken derartig freiatmigen
Gewinn, dass mir die Definition „qualsüchtig“ geradezu albern erscheint,
nachvollziehbar lediglich für den Fall einer totalen Resignation, für die
freilich viele Schicksale zweifelsfrei auch plausible Gründe liefern.
Die
Alternativen zum Denken wären Denkunfähigkeit und Gedankenlosigkeit, erstere
eher unbewusst, letztere vielleicht mit einiger nicht schuldfreien
Bequemlichkeit behaftet.
Ich
bezeichne mich für mich selbst als Denker, weitestgehend frei innerhalb des mir
natürlich vorgegebenen Milieus. Diese Freiheit in einer häufig widerwärtigen
engeren und weiteren Umgebung zu hegen und zu pflegen, um sie dann gelegentlich
zumindest in Portionen mit anderen Menschen auch global zu teilen, generiert
Entspannung, Gelassenheit und Friedfertigkeit als Voraussetzung für anhaltende
Neugier und Interessiertheit an der Welt, aus der die Kraft kommt, den
schrillsten Missdeutungen und Glaubenspostulaten in fundierter
Selbsteinschätzung zu begegnen.
Zum
Denken möchte ich herzlich einladen und vergegenwärtige mir durchaus die
Einschränkungen: Wer will überhaupt denken, und wer kann es gar nicht?