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Sonntag, 17. März 2024

Ein „frommer“ Wunsch eines durchaus realistischen Religionsfreien

 


Frühling im Norden kann es nur geben, da es sich im Süden herbstlich färbt.

Frieden global könnte nur existieren, wenn überall auch Stellvertreterkriege unterblieben.


Ein solches Phänomen wird sich adäquat aber nicht entwickeln, während sich einzelne Staaten nationalistisch überhöhen, Völker sich religiös und ideologisch „auswählen“, im Namen von Hieroglyphen und Scheinheiligkeit gegen alle Naturgesetzlichkeit und menschliche Gerechtigkeit zu verstoßen und zu freveln gegen Leben von seinem individuellen Frühlingsanfang an durch alle Stadien der persönlichen Jahreszeiten, ohne jegliche Skrupel, einmaliges und unersetzliches Leben zu zerquälen und zu zerstören.


Möge der astronomische Frühling Menschen ähnlich der Natur inspirieren und Besinnung entfalten.


Ein „frommer“ Wunsch eines durchaus realistischen Religionsfreien auf der Suche nach Hoffnung in kosmonomischen Bezügen. Dazu zähle ich auch die Möglichkeit, kosmonomisches Denken in der Welt zu verankern, und zwar allein durch ein „Fallenlassen“ solcher Gedanken „einfach so“ als Bemerkungen, dass sie bei beliebigen, auch zufälligen Gelegenheiten aufgegriffen werden und ebenso weitergereicht werden können – an Freiheit und nicht an Zwang oder Profit gebunden. Lediglich die Quellenangabe sollte im Sinne der Identifikation nie vergessen und nie manipuliert werden.

Allen Freiheitlichen, in welchen Ländern immer, gilt meine aufrichtige Sympathie und mein Hinweis zur Besonnenheit gegenüber der Übermacht des Destruktiven weltweit. Freiheit will und muss leben und nicht nur über Gräbern gewürdigt werden. 

 

 

 

Dienstag, 17. November 2020

Menschliches Glauben: Konsequenzen aus einem die Allgemeinheit überfordernden Weltbild (S. 208)

 


Mai 2001


Auf der Basis gegenseitiger menschlicher Achtung, Gewaltlosigkeit und Gleichberechtigung unternimmt die Kosmonomie den Versuch, Leben durch den Einsatz von Logik bei gleichzeitigem Fühlen und Mitfühlen zu bereichern und zu erleichtern. Ein Kosmonom müsste demnach ein glücklicherer Mensch als all die vom Glauben Gedemütigten sein – eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise! Kein Mensch entkommt so einfach den Prägemustern seiner Herkunft, seiner gesellschaftlichen Rolle im privaten wie im öffentlichen Bereich. Die umfangreich anwachsende Unterschiedlichkeit der kosmonomen Lebensauffassung gegenüber vielen herkömmlichen Philosophien birgt eine Fülle von Konfliktmöglichkeiten, die ihrerseits als Feuertaufe für jeden angehenden Kosmonomen wirken, gilt es doch, Auseinandersetzungen konsequent zu bestehen und gleichzeitig mitmenschliche Güte und Toleranz zu üben, vor allem gegenüber Religiösen, Dogmatikern wie auch Gedankenlosen, also eigentlich den Ver- und Behinderern von Kosmonomie.

     Aufgeklärte Menschen sind immer wieder im Räderwerk der Geschichte zerrieben worden, doch ohne die revolutionären und evolutionären Ideen und Taten dieser Vordenker und ihrer Gefolgschaften hätte „Zivilisation" nie stattgefunden. Allerdings genügt der Zivilisationsbegriff längst nicht kosmonomen Ansprüchen, denn es gibt Zivilisation nur in Bruchstücken innerhalb einer global wuchernden Barbarei der offenen und dogmatisierenden Gewalt, nicht selten verkleidet in diplomatischen Raffinessen und Intrigen auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu finden.

     Eine in sich ruhende Persönlichkeit bedarf schon besonderer Standfestigkeit und Selbstsicherheit, wenn in der Routine des täglichen Lebens auf Schritt und Tritt religiöse und paranormale Gesetze, Überlieferungen und Gewohnheiten direkt oder versteckt das Geschehen lenken. Jede Gottheit, die Gottesfurcht sowie das Gottvertrauen sind nur bedingt „gut" zu bewerten, bedeuten sie ja dem Kosmonomen nichts als Albernheiten, die angereichert sind mit transzendentalem Fetischismus des Leidens und Sterbens. Der religiösen Anmaßung, die jeweils einzig richtige Definition über Lebensbeginn, -verlauf und -ende zu besitzen, setzt die Kosmonomie objektivierbare Fakten der Geburtenregelung, des Humanismus und eines würdigen, auch selbst bestimmten Todes entgegen. Dadurch leben Kosmonomen in der Welt, die eine ganz andere ist als jene aus den Offenbarungsweisheiten der Irrationalisten, die mehrheitlich schuldlos im spiritistischen Dunst verharren. Und Nebelschwaden solcher Art wallen zwischen bornierter Religiosität, oberflächlichem Mittun und bequemer unreflektierter Anpassung.

     Hier zu unterscheiden und abzuwägen, wann und wo sich engagierter Widerstand lohnen könnte, ist für Kosmonomen oft langweilig bis widerwärtig, geht es doch mitunter um Probleme, die am eigentlichen Leben vorbeizielen. Sie lassen sich einfach nicht abschütteln und ignorieren, die Einladungen zu Taufen, Erstkommunionen, Konfirmationen, kirchlichen Trauungen, Beerdigungen etc., alle zugleich Eckpfeiler der Doppel- und Scheinmoral.

     Die Taufe: In-Beschlag-Nehmen des Menschen von Geburt an.

     Erstkommunion, Konfirmation: Missbrauch junger, weitgehend beurteilungs- und kritikunfähiger Menschen zur feierlich-religiösen Vergatterung.

     Kirchliche Trauungen: Verfestigung einer heuchlerischen Sexualität.

     Beerdigungen: Scheinentwurf eines besseren Jenseits.

     Solche spiritistischen Bollwerke reißt Kosmonomie nicht ein, aber Kosmonomen müssen sie verarbeiten, nicht nur als Gäste solcher Anlässe, sondern viel intensiver noch im eigenen Leben – etwa als Patient im Krankenhaus, in juristischen Angelegenheiten und besonders als alternder, schwächer werdender Mensch. Da heißt es, rechtzeitig bei gesunden Kräften und unter Berufung auf demokratische Rechte Vorsorge zu treffen, den Anspruch auf Selbstbestimmung schriftlich und mündlich verbindlich zu definieren. Niemand hat dem anderen seine ideologische Meinung aufzudrängen: keine Kirche dem Richter, kein Jurist dem Mediziner, kein Arzt dem Patienten. Aber stattdessen ist das heutige Gesundheitswesen eine unheilvolle Verquickung von Religionsträgerschaften etwa der Krankenhäuser und Altenheime, von Pharmaindustrielobby, religionsbegründeter Juristerei und überhofierten (-bezahlten) Medizinpäpsten einerseits und hoffnungslos überfordertem, ausgebeutetem Krankenhauspersonal andererseits.

     Größte Skepsis ist geboten gegenüber Ärzten, die mit geradezu lächerlichen Dissertationen ihre Doktortitel erwerben können, um als „Götter in Weiß" unter Berufung auf ihr Standesethos, bei vielen eher auf ihren Standesdünkel, die Entmündigung des Patienten zu perfektionieren. Kaum zu durchleuchten sind die teilweise abenteuerlichen paramedizinischen Ausrichtungen der Ärzte und dem setzt die deutsche Gesetzgebung noch die Krone auf, indem sie sogenannten Heilpraktikern alle möglichen Rechte einräumt.

     Ein Sprichwort erkennt richtig: „Auf See und vor Gericht ist man in Gottes Hand", das heißt, allen Eventualitäten sind Tür und Tor geöffnet. Bleiben wir im Bild, so ist man in der Medizin viel zu oft in Teufels Hand, weil viel zu viele am Patienten verdienen wollen. Bei der Gesundheit geht es um das unmittelbare, ureigene Recht auf den eigenen Körper und dieses Recht wird kein Kosmonom leichtfertig an Ärzte, Therapeuten und Apotheker delegieren. Letztere verfügen nicht selten über ein wahrhaftes Alchimisten-Warensortiment.

     Eine Gesellschaft, die sich ein Zweiklassen-Patientenrecht (Privat- und Kassenpatienten) herausnimmt, in dem Geld die Bedingungen regelt, zeigt ihr tatsächlich inhumanes Selbstverständnis. Und sie setzt dies fort in einem merkwürdigen Totenkult mit teuren bis sinnlos-luxuriösen Beerdigungen, so als hätten viele der Trauernden gegenüber den Verstorbenen einiges gutzumachen, was sie zu Lebzeiten des Verstorbenen versäumt haben. Doch es hilft kein Fabulieren: Tote haben nichts mehr davon; nur die Lebenden setzen sich (und sonst nichts) in Szene.

     „Vorbereitet" wird solches Tun durch ständige religiöse Infiltration, denken wir an die Verflochtenheiten von Schulen und Religionsunterricht, gar an staatliche Konfessionsschulen, besonders im Grundschulbereich. Kritisch zu hinterfragen sind vor allem auch die deutschen Volkshochschulen, längst etablierte Hochburgen der Esoterik, der spleenigen Selbstverwirklichung auf einer Ebene des aus allen möglichen Kulturkreisen importierten Andersseins in erleuchtetem Bewusstsein. Betrachten wir aber auch die Dauerpräsenz des Religiösen in den Medien, seriöse wie abgeschmackte, Schund verbreitende Sender und Blätter kennen „christliche" Kolumnen, religiöse oder pseudoreligiöse Besinnungsminuten, gemäß dem Strickmuster, man halte die Armen im Geiste dumm und mehre den eigenen Reichtum, zumindest den der Herrschenden.

     Dem gleichen Muster folgen politische Parteien und Regierungen, erinnert sei an das Konkordat Deutschlands mit dem Vatikan, oder vergegenwärtigen wir uns die nationalistisch-religiöse Verquickung der Schulen beispielsweise in den USA, wo die Kinder täglich der Nationalfahne und der Republik, für die sie steht, „der einen unteilbaren Nation unter Gott" Loyalität geloben. „In God we trust.“ – „Wir vertrauen auf Gott“ steht auf jeder Dollar-Note. So sanktioniert man die Mehrung des Eigenkapitals unter gnadenloser Übervorteilung von Menschen (auch anderen Staaten), Tieren und Umwelt.

     Bliebe es bei dem bloßen Erkennen der Missstände, auch in so vielen anderen Belangen, wäre das sicher der Beginn der persönlichen Resignation, die jedoch nicht gerechtfertigt ist. Gerade im Bewusstsein der Menschheitsentwicklung muss man zugeben, dass derjenige, der Freiheit will, der aufklärerische Unabhängigkeit sucht, in den „westlichen Demokratien" die bisher umfassendsten Möglichkeiten der Persönlichkeitsentfaltung besitzt, was keineswegs übermütig gefeiert, sondern relativ an der gesamten Menschheitstragödie gemessen werden soll. Innerhalb dieses Dramas also ein Aufbruch – mit kreativen Fakten, nicht Hoffnungen, denn das „Prinzip Hoffnung" ist kontra-kosmonom. Die vor allem vorausplanenden, logische Konsequenzen erfassenden Entscheidungen und Taten sind bei allgegenwärtiger Skepsis gegenüber Irrtumsmöglichkeiten kosmonomisch, meint eigentlich “human“, dem menschlichen Dasein sinngebend. So mag es manchmal unbequem erscheinen, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, es ist in Wahrheit jedoch ein beflügelndes Glück der Unabhängigkeit, wenn man zum Beispiel Familienfeste, von Geburt an bis hin zum Begräbnis ohne religiösen Firlefanz gestalten kann, wenn man weder einen Gott noch dessen Teufel zu fürchten hat, wenn man sich besinnt in einem Realisieren von Wertschätzungen des Lebens im Hier und Jetzt, der Destruktion konsequent begegnet durch Wachsamkeit, Ehrlichkeit vor allem gegenüber sich selbst und Engagement für die über den kleinkariert-regionalen Horizont hinaus bedeutsamen Zusammenhänge; in einer Welt aber, die sich einer ignoranten Masse nicht oder erst sehr wenig erschließt. Daher haben Kosmonomen sicherlich häufiger Schwierigkeiten, ähnlich unabhängige Mitmenschen zu finden.


© Raymond Walden

 

 

Samstag, 7. November 2020

Menschliches Glauben: Das Recht auf „Inseln“ (S. 198)

 


Februar 1996


Inseln als Grund und Boden kann im Kapitalismus jeder finanzkräftige Käufer erwerben; Inseln im übertragenen Sinne bedeuten freiheitliche Errungenschaften demokratischer Grundprinzipien. Eilande sind naturgemäß Gefährdungen ausgesetzt: „Narrenfreiheit“ heißt die Bedrohung für die ideellen Inseln, das sprichwörtliche „Reif-für-die-Insel-Sein“.

     Eine derartige Geistesverfassung steht nicht zur Debatte, wenn ich immer wieder an kosmonomische Zurückhaltung erinnere. Denn es sind die Religiösen, die den Globus überschwemmen mit wundersamen „Geheimnissen des Glaubens“, die ein aufgeklärter Geist eigentlich nur auf Inseln vermuten würde. Die fundamentalistische Glaubenssucht, auch Glaubenswut, donnert bevölkerungsexpandierend über die Kontenente, sodass keine religionsfreie Insel einem sinnlosen Kampf mit den psychischen Urgewalten geopfert werden sollte. Gewalt beruht doch auf der Unterentwicklung von Intelligenz schlechthin, oder sollte man ehrlicherweise vom Fehlen der Intelligenz sprechen? Es ergibt keinen Sinn, religiöse Kontingente in eigener zahlenmäßiger Unterlegenheit geistig anzugreifen, wäre doch das Echo nichts als ungenierte Intrige, Gewalt und Vernichtung. Bewahren wir uns stattdessen die religionsfreien Inseln und sorgen für Landgewinn für weitere aufgeschlossene Menschen. Diese allerdings müssen wir umwerben, nicht missionieren, denn sie sind ja schon unter uns die Aufgeklärten – nicht umwerben zur Einvernahme, sondern zur freiheitlich-humanen individuellen Lebensfreude, Lebensbereicherung und auch Lebensbewältigung.


© Raymond Walden

 

 

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Menschliches Glauben: Religion in Deutschland-Radio Berlin (S. 179)

 



Juni 1996


Täglich um zwölf Uhr läutet auf den Frequenzen von Deutschland-Radio Berlin die Freiheitsglocke, eine Stiftung der USA in Erinnerung an die Berliner Blockade 1948/49, und es werden pathetische Sätze verlesen.

    Obgleich in der Zeit der Zerrissenheit der Stadt diese Symbolik für Millionen Menschen Ausdruck feierlicher Hoffnung war, die ich nachvollziehen kann, drängt es mich zu Zwischenrufen.

     Ich glaube an die Unantastbarkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen.“

     Na, bravo!

     „Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde.“

     Welcher Gott gab unter welchem Namen seinen Propheten und irdischen Verwaltern gleichere Rechte als den einzelnen Menschen, die in verfeindeten Glaubensrichtungen von Geburt an gefangen und unterjocht werden?

     „Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo immer sie auftreten mögen.“

     Damit müsste der Versprechende weltweit gegen ein illustres Heer von Göttern antreten! Die könnte er zwar mit Logik und Geist spielend besiegen, doch setzten vor diesen Triumph die Götter die Dummheit, „gegen welche nun selbst die Himmlischen vergebens kämpfen“.

     Aber der Gelobende soll ja angespitzt werden für den bedingungslosen persönlichen Kampf im Dienste der gegeneinanderstehenden Systeme – und dies freilich exemplarisch unter einem Papsttum, das jetzt sein letztes Jahrtausend erleben muss: Entweder geht es unter und die Menschheit besteht fort, oder es bereitet sich und der Menschheit durch selbsterfüllende Prophetie das Ende!

     Ich hingegen verspreche nichts, aber ich kann gar nicht anders, als in meinem Umfeld „Freiheit von Religion“ zu propagieren, ausschließlich argumentativ, gemäß demokratischen Grundsätzen. Erst Freiheit von Religion bedeutet größtmögliche, aber niemals grenzenlose Freiheit.


© Raymond Walden



Freitag, 5. Juni 2020

Menschliches Glauben: Sind wir „nun mal ein christliches Land“? (S. 91)


November 1998

Ein CDU-Ratsherr, zugleich Lehrer, beklagte, dass sich an deutschen Schulen immer mehr Kinder vom Religionsunterricht befreien ließen und dadurch die Schulen vermehrt das Problem der Aufsicht von sogenannten Auffanggruppen zu bewältigen hätten. Und in der Tat, in diesen Gruppen sammeln sich nicht nur Konfessionslose, sondern Angehörige der verschiedenen nicht christlichen Religionen sowie gedankenlose Drückeberger.
     „Wir sind nun mal ein christliches Land“, vertrat der Pädagoge seine Weltsicht und forderte, all die anderen hätten sich unseren Werten und Normen zu fügen. Vordergründig mag man dem vielleicht zustimmen, doch was sind das für Normen im praktischen Leben, sind sie es wert, als unveränderlich für alle Zeiten zu gelten? Und verhält sich unsere Gesellschaft, wenn schon nicht human, wenigstens christlich gegenüber anderen Kulturen?
     Prof. Dr. Gerard Radnitzky schreibt in der Zeitschrift „Humanes Leben - Humanes Sterben“, Nr. 3/98: „Der klassische Liberalismus gibt für den öffentlich-politischen Bereich der persönlichen Freiheit die Priorität; der Fundamentalismus und daher auch die totalitäre Demokratie setzen andere Werte als 'letzte' Werte. Christen zum Beispiel neigen oft dazu, es als 'Christenpflicht' zu betrachten, missionarisch anderen ihre Moral aufzuoktroyieren – ein Totalitarismus in potentia.“
     Gerade unter diesem Blickwinkel ist die Rolle von Politikern und Parteien zu hinterfragen; wiederum zitiere ich aus „Humanes Leben - Humanes Sterben“, Nr. 3/98, diesmal Gedanken von Carl Jaspers: „Das Unheimliche ist: In der Freiheit selber liegt ein Grund des Verderbens. Die Welt politischer Freiheit ist verloren ohne große Staatsmänner, die durch die Schulung freier Männer zuverlässig von Generation zu Generation neu erwachsen. Mit allem, was sie tun, kämpfen sie in den gegebenen Chancen der Freiheit für diese. Sie kennen die Gefahr: Das Wagnis lohnt sich ihnen, weil es um das höchste Daseinsgut der Menschen geht. Sie haben Mut, Urteilskraft und Geduld. Von ihnen gilt, was von Perikles berichtet wurde: dass man ihn, seitdem er Athen lenkte, nicht mehr habe lachen sehen. Anders die Politiker. Sie sind opportunistische Realisten, Betriebmacher, listige Menschen und Erpresser. Unbekümmert vital handeln sie im Namen der Freiheit. Sie entziehen sich, wenn sie bloßgestellt sind, durch Lügen und Witze. Durch ihr Verhalten verhöhnen sie das Parlament, das, gleicher Art, es kaum merkt und nicht daran denkt, solche Frevler am Geist der Politik aus dem Sattel zu werfen. Mit sentimentalen Sprüchen täuschen sie einen Ernst vor. Sie sind Verderber der Freiheit.
     Dieser Typus von Politikern hält seine Aufgabe, ohne Berufung, für einen Beruf, einen vielfach aussichtsreichen, mit gutem Einkommen und Pensionsberechtigung. Sie meinen, er sei risikolos. Sie denken ohne Verantwortung. Dabei unterwerfen sie sich, in Gefahr ratlos, jeder sie vermeintlich sichernden oder wenigstens rettenden Macht, wie 1933. Kaum etwas war erniedrigender für sie und ihren Staat und kaum etwas richtiger als die Verachtung, die Hitler und Goebbels 1933 in ihren vollends in die Knie zwingenden Hohnreden über sie ergossen. Der Geist der freien Welt gibt ein zweideutiges Bild. Wir freien Völker sind noch keineswegs politisch eigentlich frei. Im wirtschaftlichen Wohlergehen, im Weiterschliddern, in bloßen Aufregungen liegt keine Freiheit. Die Aristokratie der Einsichtigen vermindert sich. Die Verteilung der Verantwortung erzeugt Verantwortungslosigkeit. Die Demokratie wird zur Parteienoligarchie.“ (Jaspers, Karl: Kleine Schule des philosophischen Denkens. 10. Aufl., München und Zürich 1997, S. 87f)“
     Im parteiübergreifenden Machtspiel manifestiert sich die bestechliche, einer doppelten Moral folgenden Kultur des Abendlandes, ganz besonders auch in Deutschland: Eine Turnschuh-Figur als Außenminister, ein RAF-Anwalt als Innenminister. Und allenthalben Politpromis, die ihre Kinder in anthroposophischen, „freien“ Waldorfschulen nach Steiners okkultem Weltbild verbilden lassen. – Diese „verchristlichte“ Landschaft ist zutiefst inhuman. Sich damit abzufinden, ist aus der Hoffnungslosigkeit heraus zwar verständlich, dennoch heißt Leben, heißt humanes Leben auch, sich herausfordern zu lassen, dem systematisierten Unsinn entgegenzutreten. Das kann sogar Spaß machen!


© Raymond Walden 


 

Samstag, 11. Mai 2019

Aus dem Nichts und zurück

 
Pointiert vorzutragen:
Allegro ma non troppo“

Aus dem Nichts kommen wir,
bestenfalls in Liebe gezeugt und willkommen.
Episoden gleich bleiben wir eine Weile hier,
dann wird uns das Leben wieder genommen.
Ins Nichts geht es zurück,
wie gewonnen so zerronnen“,
ein endgültiges Ende, man nenne es Glück,
und keine Ewigkeit, so unlogisch ersonnen.

So sinnlos das Ganze, für manche Verzweiflung der Grund,
doch lässt es sich leben mit anderem Sinnen,
mit Akzeptanz des Gegebenen als Wahrheit ohne Jenseitsschwund.
Im Rahmen des faktischen Seins lässt sich Erfüllung gewinnen
durch ein Streben und Genießen im Einklang mit Mensch und Natur.
Naturgesetze erforschen und nutzen im Schutze lebendiger Schicksalsgemeinschaft,
fairen Wettbewerb und Erfolg realisieren, dem Neuen wach auf der Spur,
dem Heute und Hier ehrlich verbunden, wie es humane Werte schafft.

Emanzipation, Freiheit, Empathie, Frieden und ja, Liebe
sind von Kindheit an gefühlvoll und verständlich vorzuleben,
vertrauend auf reale Wahrheiten und keine Märchenauftriebe:
Leid lindern, Not eindämmen, Drangsal beheben,
es macht Freude und gibt Sinn, für andere da zu sein, wenn's zählt,
auch sich auf herzliche und wissenseinsichtige Korrektheit zu verlassen,
wenn uns selbst das Schicksal quält.
Nein, es gibt keinen Grund, Menschen rassistisch zu hassen
und nein, keine Auserwähltheit ziert humanes Denken,
vielmehr Demut und Tatkraft in gleichberechtigter Koexistenz.
Kein Gott, keine Priester können uns lenken,
jeder – stets unheilige – Krieg ist Mord in Konsequenz.

Keine Ideologie hat das Recht, Mensch und Natur zu verderben!
Und wenn uns persönlich einst die Kräfte entschwinden, bleibt es
einzig unser ureigenes Recht, in Würde und Leidminimierung zu sterben.

Die Spuren, die wir hinterlassen,
werden uns folgen und genauso verblassen,
vielleicht erst nach Generationen
oder in gar geschichtlichen Moderationen,
hinaus ins Nichts, aus dem wir kamen zu reüssieren,
wohin wir unumstößlich und tröstlich diffundieren.

© Raymond Walden



Dienstag, 18. September 2018

Hymnen des realen Lebens

Leipzig, 8.9.2018, Thomaskirche, Thomanerchor, Motette

An denkwürdigem Ort herausragend musikalischen Wirkens tief religiöser Empfindungen erfreue ich mich an erlesenster Musik und ihrer Darbietung, ich, ein von jeder Religion Befreiter, in der Thomaskirche zu Leipzig.
Motette“ (geistlicher Chorgesang) nennt sich die weltberühmte Veranstaltung mit dem ebenso legendären Thomanerchor, in diesem Fall unter Mitwirkung von Solisten und Musikern des nicht minder hochkarätigen Gewandhaus Orchesters Leipzig.

Keineswegs überrascht der gottesdienstliche Charakter mit Lesung aus dem Evangelium, mit „Gemeindegesang“, mit Ansprache (Predigt), mit Vater-unser-Gebet und Segen. Alles sicher im Geiste des Komponisten, Johann Sebastian Bachs.
Mich beeindruckt die Musik, das Werk und nicht die religiöse Motivation des Urhebers. Und ich frage mich schon, welchen Einfluss derartig anrührende Musik einerseits und die gesungenen, für mich abstrusen Textinhalte andererseits auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen als Chormitglieder wohl haben. Denn der Chor bedeutet für die jungen Sänger äußerst kontrolliertes Engagement während wesentlicher Lebenszeit.

Von der Empore aus beobachte ich das Publikum in der voll besetzten Kirche. Längst nicht alle Zuhörer singen das Gemeindelied mit „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.
Es sind offensichtlich nicht wenige, die einzig wegen der Musik gekommen sind und kein Wort davon glauben, was so kunstvoll vertont ist.

Leipzig am Folgetag, 9.9.2018, Gewandhaus, „Leipzig singt“: Antonin Dvorak, „Stabat Mater“

Es stand die Mutter voll Schmerzen beim Kreuz ...“, ein monumentales Werk des tschechischen Komponisten über den Schmerz der „Gottesmutter“, emphatisch gesteigert in Dvoraks eigenem Schmerz durch den Verlust dreier seiner Kinder in kurzer Reihenfolge.

Gänsehaut“ überzieht den Zuhörer, wenn das volle Orchester, vier Gesangssolisten und eine Chorzusammensetzung von 500 Stimmen das unsägliche Leid im Pianissimo verinnerlichen oder im verzweifelten Fortissimo in die Welt hinaus „schreien“.
Dankbarkeit und Demut stellen sich ein ob solchen kulturellen Reichtums in einer Gegenwart, die immer lauter, banaler und oberflächlicher daherkommt.
Und wieder folge ich nicht den religiösen Inhalten, die ich in diesem Szenario sogar für „süchtig nach Leid“, für selbstzerstörerisch und masochistisch erachte, in des Wortes gesungener „Trunkenheit nach Leidensteilhabe“. Schon gar nicht schließe ich mich dem in endloser Wiederholung zum Himmel hinauf donnernden „Amen“ in dem Wunsch nach paradiesischer Herrlichkeit an.

Die Organisatoren von „Leipzig singt“ schreiben: „Die Musik bringt Trauer und Betroffenheit, Qualen und Schmerz zum Ausdruck … Es ist jedoch auch ein Werk der Anteilnahme … Ob wir nun an Gott glauben oder nicht, Werte wie Dankbarkeit und Anteilnahme sind menschliche Werte.“
(Quelle: Leipzig singt UG, Michael-Kazmierczak-Str.2 * 04157 Leipzig, 8. Mitsingkonzert, Programmheft)
Dieser Sichtweise schließe ich mich gerne an, denn religiöse Hymnen tragen für den aufgeklärten Menschen kaum einen Konfliktstoff, sondern vermitteln Erbauung und Kunstgenuss in der ganz diesseitigen, intellektuellen und emotionalen Welt. Sie sind ein Hymnus auf reale Lebenstiefe, auf eine märchenhafte und ganz konkrete Wirklichkeit.



Dienstag, 10. Mai 2016

Gehört der Islam zu Deutschland?

Eine leichtfertig hingeworfene Frage; nicht einmal der Grund für die Fragestellung ist ersichtlich, lässt man einmal eine gewisse opportune Aktualität außer Acht.
Was ist denn Deutschland?
Ein scheinbar säkularer Staat? Weitgehend in Kirchen- und Religionsangelegenheiten verwickelt? Und das, obwohl die Weltanschauungsgruppe der Religions- und Kirchenlosen die zahlenmäßig stärkste ist?
Stellen wirklich freiheitliche-demokratische Prinzipien das deutsche Grundverständnis dar oder folgt eine eher konservativ gedankenlose Gesellschaft mehr oder weniger ordentlich der staatlichen Obrigkeit in kapitalistisches Wachstum mit all seinen inhumanen Ursachen und Auswirkungen?
Erscheint es da nicht genehm, eine weitere konservative Ausrichtung, wie sie zweifellos die islamischen Strömungen propagieren, im scheinbaren Verbund einer „Ökumene“ willkommen zu heißen?

Was ist denn das Christentum angesichts seiner ungezählten Aufspaltungen und Bibelinterpretationen?
Und was ist der Islam in seinen gegenseitigen Zerfleischungen bei der Interpretation des Korans? Wozu führen islamische Gesellschaftsordnungen? Man schaue sich die von ihnen geprägten Länder an!

Durch seine eigenen Aufweichungen ermöglichte das ursprünglich nicht minder grausame Christentum immerhin die Ansätze der Aufklärung, die freilich im unersättlichen Kapitalismus inzwischen gemäß salonfähiger Übereinkünfte hinwegfinanziert werden.

Die Frage „Gehört der Islam zu Deutschland?“ wirkt geradezu albern, denn die verschiedenen islamischen Spielarten sind in Deutschland vorhanden, neuerdings häufiger, doch was heißt „neuerdings“? Noch einmal, was ist denn Deutschland aktuell, was war es früher, wie historisch kurzatmig und wechselhaft?

Es geht um die Schaffung eines aufgeklärten, freiheitlich-demokratischen, humanen, künftigen europäischen Lebensraumes.
Alle Religionen haben darin versagt und sind dabei, durch umfangreiche Nutzung neuer Technologien nur noch schmerzlicher zu entgleisen.
Religionsfreiheit“ ist „Freiheit in Beliebigkeit“, wer wollte sie infrage stellen, da sie ja existiert.
Das tatsächliche und sich zwangsläufig ergebende Gegeneinander der Religionen als typisches Merkmal aller sich „erwählt“ Wähnenden stört den öffentlichen Frieden und verhindert die humane Fort- und Höherentwicklung der Zivilisation.

Die als „humaner Fortschritt“ missgedeutete Religionsfreiheit implementiert in der Öffentlichkeit das Paradox von Religion und Demokratie – eine absolute, sich gegenseitig ausschließende Unmöglichkeit. Mit anderen Worten: ein Irrweg für die Zukunft, sogar konstitutionell festgeschrieben. Gerade wegen ihres bisweilen ehrwürdigen Alters bedürfen die immer wieder als demokratische Exempel gepriesenen Freiheitsmanifestationen einer säkular konsequenten Überarbeitung.

Der säkulare, aufgeklärte Staat folgt keinen religiösen Belehrungen so wie offiziell beispielsweise auch der Astrologie keinerlei Bedeutung mehr zukommt.

Keine private religiöse Sicht besitzt ein Recht, die säkulare Öffentlichkeit zu missionieren, mehr noch, es ist Pflicht, sich säkular in freiheitlich-friedlicher Weise zu integrieren oder aber die logische Konsequenz zu ziehen, im Falle von religiöser Verbohrtheit, sich einen adäquaten Lebensraum außerhalb der Aufklärung zu suchen.

Vermehrte religiöse Zuwanderung bedeutet in Deutschland wie in allen anderen Ländern gesellschaftspolitischen Rückschritt durch Zunahme von irrationalen Konflikten und auf diese Weise eine Schwächung der säkularen Errungenschaften.



Donnerstag, 30. April 2015

Atheismus ist kein Glauben


„Er war ein gläubiger Atheist. Er glaubte fest: Es gibt keinen Gott.“
(Stefan Fleischer, 1938, Rentner, vorher Organisator einer Großbank,
Sachlicher dagegen das Knaurs Herkunftswörterbuch: „Atheismus – Verneinung der Existenz Gottes“.

Der intelligente Mensch weiß um die Grenzen allen Wissens, der Gläubige reißt diese Grenzen mühelos ein. – Und versteht dabei nicht einmal den Inhalt dieses Satzes.
Aber das ist das Geheimnis des Glaubens, des Nichtverstehens, des Nichtwissens.

Wie sollte es „gläubige Atheisten“ geben, also Menschen, die glauben, es gäbe keinen Gott? Hier spielt doch schon die religiös voreingenommene Sprache verrückt. Etwas nicht Existentes werde Fakt, indem ich es bezweifele?
Wie könnte man gegen „nichts“ (= Gott) sein?
Oder, indem ich nicht an siebenköpfige Drachen „glaube“, existieren sie bereits? Denn ich spreche ja darüber?

Den wirklich religionsfreien Menschen kümmert überhaupt kein Gott, aber er wird penetrant konfrontiert durch Gläubige, die mit einer dummdreisten Sendungsarroganz das öffentliche Leben missbrauchen und für das religiöse Chaos der Welt sorgen.

Fehlerfreiheit eines Vortrages bedeutet beispielsweise unumwunden „frei von Fehlern“.
Religionsfreiheit mutiert in religiösen Vorstellungen nicht etwa zu „frei von Religion“, sondern zu einer Fülle unterschiedlichster, gleichgearteter Religionen, weg von Logik und Kausalität.
„Gott“ ist das Sammelsurium regionaler Hirngespinste, die sich in der Flucht aus dem Wissen über die Realität einig sind, hervorgegangen aus den gemeinsamen Nöten aller Menschen, verwurzelt in der Sterblichkeit.
Aus solcher Zwangslage erwachsen religiöse Lehren, jede vorwiegend im Besitz der einen und einzigen Wahrheit, die geradezu zwangsläufig mit „erschlagenden Argumenten“ die Andersdenkenden vorzeitig in das Jenseits der ewigen Erleuchtung oder der verdienten Höllenqualen befördern.

„Atheismus“ ist überhaupt keine solche oder ähnliche Lehre. Die Freiheit des Menschen von Religion verfügt über keinerlei nennenswerte Organisation und steht deshalb gegenüber all den Ideologien auf ziemlich verlorenem Posten, nicht zuletzt, weil sich einige religionsabtrünnige, aber ebenso totalitäre Doktrinen gerne „atheistisch“ nennen, ohne überhaupt zu begreifen, wie sie ihre grausame Lächerlichkeit dadurch untermauern.

Ein prophetischer Sonderling lud ein, seine singenden und tanzenden Aktien zu bewundern und anzubeten. Nach und nach folgten ihm viele, die wenigen im gar nicht interessierten Abseits Verharrenden verspottete er als gläubige Skeptiker. Sic.
Er erklärte seinen Glauben zur Staatsräson, zur verbindlichen Moral und Ethik und führte bald „Kreuzzüge“ um die Vorherrschaft gegen die jeweiligen Propheten der ewigen selbstleuchtenden Religionen von mysteriösen Bergen, Seen, Flüssen, von respektablen Bäumen, Wäldern, von verehrten Kühen, angehimmelten Sternen, halluzinierten Geistern, Dämonen, Engeln, Teufeln, von korrupten Götterscharen, Zwitterwesen, Heiligen, von Jungfrau- und Wiedergeburten bis hin zu dem auf einen einzigen Gottesbegriff verdichteten Wahn, der sich allein schon durch die provinzielle Diversität selbst widerlegt und modischen Epochen unterliegt, fernab jeglicher Unendlichkeit und ewiger Präsenz.

Der religionsfreie Mensch hingegen begnügt sich mit der einen bescheidenen, aber zurechnungsfähigen Existenz des Denkens auf der Basis objektiver Gesetzmäßigkeit und einfühlsamer Mitmenschlichkeit.
Beide Grundlagen würdigen Lebens vermag Religion in ihrer abgehobenen Konsequenz nicht zu erbringen. Global wirkt sie fatalistisch entzweiend und friedensunfähig.