September
1995
Es
wachse eine Generation von Egoisten heran, meinte die Wehrbeauftragte
des Deutschen Bundestages, Frau Marienfeld, die steigende Zahl der
Kriegsdienstverweigerer kommentieren zu müssen. Christliches
Verständnis bevorzugt wie eh und je den Tötungsdienst gegenüber
dem Zivildienst!
Erfreulicherweise widerspricht
indirekt das höchste deutsche Gericht erneut: Man darf Soldaten als
„Mörder“ ansehen, ohne das Volk zu „verhetzen“. (Was auch
immer „verhetzen“ sein soll.)
„Ich
als Zahnarztfrau empfehle ...“, in diesem Stil stiefelte die
US-Präsidentenfrau H. Clinton, bedacht auf Eigendarstellung, mit
perlweißem Lächeln ans Pekinger Rednerpult der UN-Frauenkonferenz.
Und in diesem menschenverachtenden Regime des Gastgeberlandes brachte
sie Fundamentales über die Lippen: Frauenrechte seien Menschenrechte
und umgekehrt. – Nebenbei sei erlaubt, darauf hinzuweisen, dass die
Politik ihres Mannes alles daransetzt, mit den chinesischen
Menschenverachtern gute Geschäfte zu unterhalten.
„Gestalten und sparen“,
beweihräuchert CSU-Weigel den Haushalt der Bundesrepublik
Deutschland, den er zu verantworten hat. Auf 60 Milliarden DM (!!!)
steigt die Neuverschuldung dieses Zahlenjongleurs im
christlich-bayerischen Habitus.
Das
höhere Interesse der französischen Nation steht für den
Präsidenten der Käse- und Rotwein-Republik ohne Zweifel im
Vordergrund, wenn es um die Durchsetzung von Atomtests in kolonialen
Territorien geht. Der Ewiggestrige erdreistet sich sogar, europäische
Solidarität für sein regional-nationalistisches Muskelspiel
einzufordern. Greenpeace, keineswegs moralisch sauber, hat mehr
Format als Bundeskanzler Kohl, der das wieder einmal einer doppelten
Moral folgend aussitzt.
Seine
neuerliche Begegnung mit Jelzin beschrieb er folgendermaßen:
Russland sei eine erste Adresse im Balkankonflikt; wer das nicht
begreife, habe von Geschichte keine Ahnung. Stimmt!
Unterstützte Russland nicht, religiös
bedingt, die Serben und Deutschland die Gegenseite (oder wen dort
immer, besonders mit Waffen), dann ließe sich wahrscheinlich schnell
Frieden schaffen. Die beiden verstehen sich aber, daher geht das
De-facto-Sterben weiter. – Und die deutsche Rüstungsindustrie
sichert weitere Arbeitsplätze für Kohls nächsten Wahlkampf.
Am
3.9.95 empfange ich abends auf 11.675 MHz einen englischsprachigen
Kurzwellensender mit einer religiös-fundamentalistischen Abhandlung
über Theorien der Kindererziehung. Die Verbohrtheit gipfelt in der
Frage, wozu Theorien zur Kindererziehung überhaupt gut wären. Es
gäbe doch die Bibel und die sei diesbezüglich keine Theorie,
sondern Fakt. Die Redaktion sitzt in Würzburg, Deutschland und ist
als „Universelles Leben“ einschlägig bekannt. Der Sender
allerdings, der regelmäßig geistliche Ergüsse solcher Qualität
verbreitet, ist noch bekannter: Radio Moskau, Worldservice!
Über
die ASTRA-Satelliten habe ich auch die freie Wahl, RTL-Radio,
in sauberster Tonlage zu konsumieren, in endlosem Wiederholungszirkus
alter Schlager (manchmal durchaus anregend), garniert mit der
üblichen penetranten Werbung, die dem Programmwechsel dann
schließlich Vorschub leistet. Am gar nicht so späten Abend liefert
der Nostalgiekanal das auch bei der von ihm angepeilten Hörerschaft
offensichtlich unverzichtbare religiöse Betthupferl, gesprochen in
„biblischer“ Tonlage. Ich möchte das nicht unterbinden, aber ich
wünschte mir in meinem – technisch sehr breiten –
Empfangsspektrum nur einen religionsfreien und unabhängigen
Kanal.
Die
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kommentiert am 4.9.95 den
klassischen religiösen Brennpunkt: „Es bleibt dabei: Jerusalem ist
eine heilige Stadt, in der es, der Politik wie der Religion wegen,
oft unheilig zugeht.“
Zweimal klebte ich einen Aufruf in
einer Provinz-Hochschule an die Wand, um Kontakt zu religionsfreien
Menschen aufzunehmen. Die längste „Überlebenszeit“ meiner
wirklich dezenten Zettel betrug etwa 2 ½ Stunden. Sie wurden
beseitigt. Was würde wohl passieren, stellte ich mich beim nächsten
Mal schützend davor? (Was ich keineswegs vorhabe.)
„Fratzen“ mögen auch abstoßen
durch Überzeichnung. – Werden sie gewöhnlich nicht unterzeichnet?
©
Raymond Walden
***
Redaktioneller Hinweis:
Im Monatsarchiv fehlen die ersten drei Spots, sie lassen sich aber wie folgt aufrufen:
1.2. Sequenzen von Skepsis (365)
2.2. Menschliches Glauben: Bequeme Uneinigkeit (S. 50)
3.2. Nicht nur das Klima ändert sich
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Redaktioneller Hinweis:
Im Monatsarchiv fehlen die ersten drei Spots, sie lassen sich aber wie folgt aufrufen:
1.2. Sequenzen von Skepsis (365)
2.2. Menschliches Glauben: Bequeme Uneinigkeit (S. 50)
3.2. Nicht nur das Klima ändert sich
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