Montag, 9. November 2020

Menschliches Glauben: Ein bisweilen aussichtsloses Unterfangen (S. 199)

 


März 1996


Längst nicht abgeschlossen ist die Epoche der Nationalstaaten, vielmehr offenbart eine globale Betrachtung einen zunehmenden Strom nationaler und nationalistischer Bestrebungen. Sowohl in den Industriestaaten wie in den weniger oder gar nicht einflussreichen Ländern fehlt, wenn es denn zur Nagelprobe kommt, der universale Bezug. Unverändert geht es um die Verteilung regionaler Machtsphären und diese Herrschaftsansprüche werden ausnahmslos von allen Regierungen in scheinheiliger Doppelmoral erbarmungslos durchgesetzt.

     Kein Machthaber der Erde könnte sich, verhielte er sich gemäß der kosmonomischen Philosophie, heute behaupten, denn die Massen, „demokratische“ wie diktatorisch unterworfene, sind unreif wie die Regenten. Kosmonomen können realistischerweise nur Individuen sein, die sich nicht heroisch in welche Schlacht auch immer stürzen, die sich nicht zu einem Verband oder dergleichen formieren, sondern die Freiheit des Einzelnen humanistisch mit Inhalt füllen.

     Sollte man also meinen, Kosmonomen seien „Auserwählte“, die es sich leisten, den Widerwärtigkeiten der Politik auszuweichen? – Grundsätzlich könnte man dies sogar bejahen, doch ist zu relativieren: Natürlich bedeutet Kosmonomie Abstand vom Parteiengerangel, aber es darf nicht geschwiegen werden, wo Aufklärungsbemühungen sinnvoll erscheinen. Sich einigelnde Kosmonomen wären nicht „Auserwählte“, sondern tragisch-komische Weltflüchtlinge und kauzige Sektierer. Es ist wichtig, immer wieder öffentlich Einspruch gegen Esoterik, Okkultismus und Religion zu erheben – aus dem geistigen Refugium der Kosmonomie heraus. Aber das Aufbegehren muss nicht immer auf einer Bühne geschehen. Jeder möge auf seinen privaten Umkreis Einfluss nehmen. Die Kunst besteht darin, sachfundierte Überlegungen menschenfreundlich zu überbringen. Ein allerdings bisweilen aussichtsloses Unterfangen! Und dann bleibt nur zu schweigen.


© Raymond Walden



Keine Kommentare: