Sonntag, 15. Dezember 2019

Menschliches Glauben: Noch einmal: der Tod (S. 13)


Oktober 1995

Braucht man nicht doch den Glauben an irgendetwas Irrationales, um im Leben den Gedanken an den eigenen Tod zu verkraften?
    Indem ich die Natur als Abfolge von Kausalität und Logik und auch des Zufalls einigermaßen begriffen habe, die Faszination unserer Umwelt in der Sequenz von Werden und Vergehen erkenne, Menschlichkeit als höhere Stufe derselben Sequenz und damit den letztlich unerbittlichen Naturgesetzen unterworfen empfinde, habe ich keine Angst vor dem eigenen Ende. Mehr noch, ich möchte keinen Tag meines Daseins noch einmal erleben, sondern stets voranstreben, sogar wenn ich innehalte.
    In dem kosmischen Entwicklungsprozess spielt die Erde, spiele gar ich, eine so unbedeutende, aber von mir vor mir selbst zu verantwortende Rolle, dass ich mich geborgen fühle in einer Welt ohne kleinkariert aufrechnende Götter. Ich ängstige mich nur vor Schmerzen, die mir Menschen, auch aus falscher, sendungsbewusster Gesinnung heraus, gefühlsmäßig und körperlich – beim Sterben etwa durch Leidensverlängerung – zufügen könnten.


© Raymond Walden


 


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