November
1997
Richtig
schreiben, recht schreiben, gar rechts schreiben oder gerecht
schreiben? Das ist inzwischen die Frage des intellektuellen Seins
oder Nichtseins! Dabei ist nicht solchermaßen Anspruchslosigkeit das
Kriterium, sondern die Freiheit des Autors, sich innerhalb
unverzichtbarer Regeln Verständnis zu sichern. „Unverzichtbar“
meint nicht Regelwust, sondern Regelminimierung ohne
Ausdrucksverlust.
Was
die aktuelle Rechtschreibreform betrifft: Ich erlaube mir als
Schreibender, meinem Empfinden gerecht zu werden: Meine Leser müssen
mich schon so akzeptieren.
Die
Lehrer sollten vonseiten erst noch Auszubildender keinen Wildwuchs
hinnehmen, gipfelt dieser ja bereits vielfach in
Artikulationsunfähigkeit und in sich ausweitendem Analphabetentum.
Sprache darf jedoch nicht als Gängelungswerkzeug dienen, eher soll
sie ein Instrument der Befreiung sein. Den Gebrauch des Instruments
muss jeder freiheitliche Geist natürlich erst erlernen – oder aber
ist die Sprache dafür verantwortlich, dass sich das Freiheitliche
überhaupt entwickelt hat? Erst in dieser funktionierenden
Wechselbeziehung kann man Regeln hinterfragen, neu gestalten und
zielsicher auch individuell modifizieren.
Sprache ist das Zeugnis vom Menschen,
allerdings nicht von Menschlichkeit, denn auch Sprache kann blenden,
vortäuschen. – Rechtschreibung? Erst das Schreibenlernen
berechtigt zum Schreiben und vor allem – viel wichtiger – zum
Lesen.
Rechtschreibkundige wurden in früheren
Zeiten der Ketzerei verdächtigt, denn sie hatten natürlich die
Befähigung zur schriftlich dokumentierten Gesellschafts-, sprich
Religionskritik.
Bin
ich Ketzer? Aber ja doch! Denn über Sprache nur lässt sich, wenn
überhaupt, dem Esoterikkult, den Religionen und dem Verlust an
Menschlichem widersprechen. Und freie Sprache ist stets allen
festgeschriebenen Sprüchen und Suren überlegen.
Sprechen wir uns?
©
Raymond Walden
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