Von der Störrischkeit des Interimsmenschen
Du
armer Esel, trägst seit Jahrtausenden die Lasten,
kennst
es ja nicht anders, dumm genug zu sein,
dass
andere deine Geschicklichkeit, Genügsamkeit und Ausdauer ausnutzen.
Und
in dieser stolzen Untertänigkeit bürdest du dir und deinesgleichen die
schwersten Schicksale auf, bist Täter und Opfer zugleich, aktiv und passiv in
einem immerwährenden Zirkelschluss.
Du
stopfst den Gänsen die Leber fett, um an deiner eigenen Fettleber zu leiden und
einzugehen, du züchtest den Schweinen eine zusätzliche Rippe an, auf dass deine
eigene Schwarte krache. Belügen lässt du dich von Ideologen und Predigern, wie
solltest du es anders bewahrheiten, als zu dogmatisieren, zu demagogisieren und
nachzubeten!
Gesundheit
wünscht man dir, um dich medikamentös lange als Kunden zu erhalten, und dich
zieht es im Gesundheitswahn zum probierenden Arzt, Quacksalber und
Risikofetischisten; du bist es dir wert und empfiehlst deine verfahrenen
Heilerfahrungen jedem, der sich oder dich für krank hält.
Autos
fährst du, die können mühelos über 200 km/h, du aber als Kurzsichtiger kannst
es nicht, und außerdem gelten überall irgendwelche
Geschwindigkeitsbegrenzungen. Du bringst das anderen schon bei, wenn sie deine
Kinder in der Spielstraße gefährden, du machst dich stark für Schikanen auf der
Fahrbahn – und auch sonst.
Gewaltfreiheit
ist dir ein Anliegen, deshalb täglich mindestens einen Krimi-Toten im
Fernsehen, wo ja zumeist das Gute siegt. Die Waffe in der Hand des moralisch
Edlen findet auch deine Zustimmung, sogar im freiheitlichen Waffenhandel oder
wenn „Mutbürger in Uniform“ bis zum Hindukusch deinen wohlverdienten
Freiheitswohlstand verteidigen und zur Nachahmung empfehlen wollen.
Du
treibst die Stiere durch Pamplona, damit es verletzte und tote Menschen wie
Tiere eventuell (hoffentlich?) gibt und du Kulturbewusstsein sogar heute mit
Blut absegnen kannst. Wie hoch hältst du die Ehre des Stiers, der in der Arena
vor belustigtem Prahlereigehabe ausgeblutet und erstochen wird!
Du
liebst das Risiko von anderen, das eigene eher nicht, es sei denn, du
euphorisierst dich in deiner dir schwanenden Ignoranz.
Wie
kein anderes Geschlecht auf dem Globus problematisierst du die Sexualität,
verklemmst dich bis zur Versklavung in Scheinmoral, kannst dem nicht entkommen,
da irrsinnige Tabus die Kulturen, das heißt, den Menschen bis in seine
ureigenen Privatsphären befehligen und bei Nichtbefolgung bis hin zur
Vernichtung bestrafen.
Du
benimmst dich wie der Elefant im Porzellanladen – du bist der Dickhäuter, dem
man beide Elfenbeinzähne und manch anderen Zahn gezogen hat.
Der
Wetterbericht findet stets dein intensives Interesse als eine natürliche
Risiko-Show: Irgendwo ist immer Unwetter, welch eine Tragödie!
Und
du trägst Mitschuld durch deine Energieverschwendung, durch deine persönliche
Klimaveränderung, durch deine Lebensweise, eigentlich durch dein Dasein.
Aber
du zeigst Einsicht, zahlst für „erneuerbare“ Energien, investierst
steuerbegünstigt in Dämmmaterialien, bis der Schimmel deine Wände ziert und du
dringend einen Tapetenwechsel brauchst – vielleicht per Flugzeug in ein
Ferienparadies mit Bauruinen und klimatisierten Spekulationsauswüchsen. Du
kommst gerne und sicherst den Einheimischen Arbeitsplätze.
Auch
Bildung hältst du für erforderlich, nur über das Maß bist du dir nicht im
Klaren. Im weltweiten Meer des Analphabetismus klingt es wie Hohn, das Abitur
für alle zu propagieren, widerspricht es doch darüber hinaus den Erkenntnissen
von individuell verschiedenen Talenten, Begabungen und Möglichkeiten.
Deine
Kinder sollen es besser haben, deshalb schickst du als Erziehungsversager die
Kleinen möglichst früh in öffentliche Obhut, besorgst ihnen einen genialen
Stundenplan zur Frühkarriere ohne Spielentfaltung. Und mit Schule hast du schließlich
die eigene Erfahrung, notfalls klagst du gute Noten für den Nachwuchs ein. Das
wäre doch gelacht, könnte man Disziplin(losigkeit) und Zensuren nicht
verhandeln!
Die
Zeiten von Autorität und Leistungskonzentration hältst du für überwunden, dir wird
diktiert von Bildschirmen und Mobiltelefonen, die dir Freiheit vorgaukeln, dich
aber mit allen persönlichen Daten dreist vermarkten. Du bist so emanzipiert in
deiner Ahnungslosigkeit, Geschwätzigkeit, in deinem modischen Gehabe, dass dich
weder Diäten, Schönheitsoperationen, Anti-Aging-Plunder, noch Medienauftritte
vor dem raschen Verfall deiner Scheinwelt bewahren.
Deshalb
dürstet es dich nach Glanz und Glamour von Royalität, nach Pop-Idolen und
Großverdienern des Sports. Du identifizierst dich devot mit Sternchen, die
nicht einmal Schnuppen sind, zumeist aber charakterliche Nieten.
Kurzum,
wegen einiger technischer Revolutionen siehst du in dir den Vertreter der neuen
Zeit, weil du gedankenlos lebst mit deinen Werbespots auf der Brust, mit deinen
Boulevard-Bildern im Schädel. Im Gieren nach Sensation verdrängst du das
Unangenehme und pflegst deine unersättliche Erwartungshaltung an die
Gesellschaft. Die macht es sich einfach und füttert dich mit allen
Fast-Food-Raffinessen.
Und
du rülpst zufrieden, während du schon dem nächsten Jahrmarkt zustrebst.
Wann
hast du dich eigentlich wirklich einmal in einen Notleidenden hinein versetzt?
Wann
hast du wirklich Hilfe mit nachhaltigen Spuren geleistet?
Wann
bist du gegen den Strom geschwommen?
Wann
hast du etwas Anspruchsvolles gelesen?
Kennst
du überhaupt noch die Zusammenhänge von Tag und Nacht, von Jahreszeiten?
Wann
sahst du zuletzt und bewusst die Sonne aufgehen?
„Wann
wirst du je verstehen?“
Ich
sage es dir, du wirst es leicht ertragen: Nie wirst du verstehen, denn du
gehörst zur Masse der Interimsmenschen, die sich zwar wie die „Krone der
Schöpfung“ benehmen, aber lediglich eine notwendige Zwischenlösung auf der
Entwicklung des Menschen zur Menschlichkeit darstellen. Keine außergewöhnliche
Schuld belastet dich, schicksalsbedingt bist du Mitläufer, also ganz „normal“.
In
Anlehnung an Freddy Quinn (Adiós, muchachos adiós): Und so müde macht es, (so)
ein Mensch zu sein.
Vielleicht
aber treibt dich die Strömung deines Lebens unverhofft zu einem Kliff, einem
Aussichtspunkt mit Rundblick bis zum Horizont und du stehst auf und sagst dir:
Ich will wissen, was dahinter ist.
Dieses
Ansinnen jedoch, das sollst du wissen, wenn du den Status des Interims
verlässt, wird von den herrschenden Sitten der Doppelmoral üblicherweise als
„Gotteslästerung“ oder politische Aufsässigkeit, sogar als „Hochverrat“
gewaltig diskreditiert und auch verfolgt.
Kein
Fortschritt aber wurde je der Menschheit geschenkt. Nur Religion und Ideologie
konstruieren solche „Gnaden“ und „Auserwähltheiten“.