Dienstag, 19. Mai 2020

Menschliches Glauben: Religion Fußball (S. 85)


Mai 1998

Der Provinzclub Kaiserslautern wurde deutscher Fußballmeister und verwies die Finanzgiganten aus Bayern auf Platz zwei. Die sogenannten Fans vom Betzenberg unterscheiden sich allerdings keineswegs von denen der Weltstadtkicker, denn im Siegesrausch offenbarten sich einige der schwarzweiß getüpfelten „Großkopferten“ als das, was das Fernsehen denn auch gern wirkungsvoll ins Bild rückt: sinnentleerte arme Gestalten, die den FCK und seine Siege zu ihrer „Religion“ gemacht haben, für die sie - so wörtlich – „über Leichen gehen“. Natürlich freut sich der Zirkus „Profifußball“ über derart nützliche Idioten, das Fernsehen und die darin Werbenden profitieren allemal von solch gestandener Religiosität.
     Nur noch wenige Tage bis zur Seligkeit der „Weltmeisterschaft“ in Frankreich, wenn dann auch noch der Klang der Nationalhymnen die Religion Fußball zu dem erhebt, was ihre geldschweren Drahtzieher anstreben, nämlich Geld und Pathos für noch mehr Geld, freilich nur im Interesse der Fußballgläubigen. Und es gibt sie ja wirklich, die armen Nationen, in denen ein Sieg der Gladiatoren den alltäglichen Kummer der Menschen für ein paar Stunden vergessen macht.
     Doch bleiben wir fair gegenüber dem Fußball; er übernahm doch nur jene Mechanismen, die in allen möglichen Bereichen unserer Gesellschaft, nicht zuletzt bei unseren Politikern, von denen einige ja auch im Fußball mitmischen, als „gesunder Wettbewerb“ bezeichnet werden.


© Raymond Walden




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