Donnerstag, 21. Mai 2020

Menschliches Glauben: Bibelsprüche für Johannes Rau (S. 86)


Mai 1998

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR II) forderte am 22.5.1998 seine Hörer auf, zum Abschied Johannes Raus von seinen politischen Ämtern passende Bibelsprüche zu faxen. Bemerkenswert, denn auch so lässt sich die staatlich-kirchliche Verquickung dokumentieren, für die nicht nur Johannes Rau ein Paradebeispiel ist.
     Machen wir uns nichts vor, für den beispiellosen Verfall der Hauptschulen in NRW ist dieser christliche Mann mitverantwortlich und für die Augenwischerei mit der angeblichen Chancengleichheit durch die Gesamtschule ebenfalls. In seiner Regentschaft verschlechterten sich die Bedingungen nicht nur für die Schüler, sondern auch für die (angehenden) Lehrer, für Studenten und Hochschullehrer. NRW war einmal die Nummer 1 unter den Bundesländern; unter Rau ging diese Position verloren.
     Der Abschied des Mannes, dem Ehrlichkeit und Fleiß nicht abzusprechen sind, produziert eine unerträgliche Gleichschaltung der öffentlichen Meinungsmacher, wenn etwa in der „Neuen Westfälischen“ vom 23.5.1998 die Überschrift „Der Junge kommt von der Kirche“ prangt und dann alle möglichen mehr oder weniger wichtigen Leute sich überwiegend in Lobeshymnen ergehen, die bei Friedhelm Ost gipfeln: „Das Werk von Johannes Rau sollte nach biblischem Maß bewertet werden.“ Bei so viel indifferentem Personenkult und salbungsvollen Reden auf dem SPD-Sonderparteitag, selbst von jenen Leuten, die Raus Rücktritt vorangetrieben haben, denke ich unwillkürlich an „Selig die Armen im Geiste“.
     Nun soll Rau auch als Nachfolger von Bundespräsident Herzog gehandelt werden. Das weist sogar einige Logik auf: Ein weithin gewürdigter Sonntagsredner übergäbe sein Amt an einen bibelfesten Prediger, auf dass Staat und Kirche weiterhin kungeln mögen.


© Raymond Walden




Keine Kommentare: