Februar
1998
… oder:
Selbst im Karneval hat der opportunistische Schwachsinn Methode, wenn
Politiker für ihren angeblichen Humor in den Aachener
Albernheiten-Orden aufgenommen werden. Unabhängig von der
politischen Couleur pflegt man sich gegenseitig zu hofieren, zu
applaudierend, einander zuprostend und ach so lustig demokratisch. Im
echten Sinne ein Narrenclub, stets telegen in Szene gesetzt. Die sich
so possenhaft Offenbarenden vergessen selbst in der Bütt den
Wahlkampf nicht, denn auch Narrenvolkes-Stimme schafft die Grundlage
für das Regieren. Die Ordensritter gehören jener Gattung von
Menschen an, die sich auch in Verbänden, Kirchen, Aufsichtsräten
eingenistet hat; sie repräsentieren das gesellschaftliche Spektrum
der „Meinungsvielfalt“.
Unwillkürlich
schweifen meine Gedanken zu der Institution Fernsehen, die ja im
öffentlich-rechtlichen Rahmen auch von derartigen Leuten gesteuert
wird. Könnte man sich nicht rundum geborgen fühlen, wo doch ein
Theologe die Nachrichten verliest und ein anderer wie eine Fliege
durch alle esoterischen Sparten summt? Und welch ein erhebendes
Gefühl, predigt im Fernsehgottesdienst die Vizepräsidentin des
Bundestags von der Kanzel herunter in ihrer angestammten Rolle als
Pfarrerin. Trotzdem werden auch an diesem Tag im Fernsehen erneut
zahlreiche unterhaltsame Morde dargeboten, Gefühle und „Seelen“
vor allem junger Menschen verroht – als Antwort auf deren
eventuell später verübte Verbrechen wird dann vielleicht doch die
Todesstrafe hermüssen!
Der
Tod, das ist offensichtlich, stellt eine Option für die Religionen
und ihre Verbündeten dar. Seine Bedeutung wird thematisiert und
festgeschrieben. Das Recht auf ein humanes Leben wird von Leuten
dieser Prägung, ob auf der Narrenbühne, der Kanzel oder im
Parlament, kaum logisch begründet, weil spiritistische und Macht
begründende Gottheiten ihre
eigene, lockere Auslegung von Humanität haben.
Ich
unterstelle nicht einmal in jedem Falle bösen Willen, denn auch
diese Leute sind aus unserem Erziehungssysteme hervorgegangen. In
NRW sind viele Grundschulen Bekenntnisschulen (welch ein
Anachronismus!); die Eltern, auch jene, welche nicht der jeweiligen
Schulkonfession angehören, werden demnächst schriftlich erklären
müssen, dass ihre Kinder am Religionsunterricht teilnehmen. Wer das
nicht möchte, kann sein Kind zu einer „Gemeinschaftsschule“
schicken, die mitunter weit entfernt ist. Schon jetzt ist absehbar,
dass sich in den zuletzt genannten Schulen eine „Multi-Kulti-Szene“
mit allen Problemen entwickeln wird, während in den konfessionell
konformen Bildungseinrichtungen die „Elite“ im Geiste Gottes
behütet heranwachsen kann.
Eine
feine Gesellschaft – eben wider den tierischen Ernst.
©
Raymond Walden
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