Montag, 12. Oktober 2020

Menschliches Glauben: Selig die Gleichgestellten (S. 176)

 



Mai 1995


Dass der Papst eine Nonne selig spricht, gehört zu seinem traditionellen Selbstverständnis. Dass die Ordensfrau schon lange tot ist, erfüllt eine wesentliche Voraussetzung des Seligsprechungsprozesses, denn Lebende gehören nun einmal nicht in einen Totenkult. Dass ein Grund für die Seligsprechung in einem durch die Nonne vollbrachten Wunder liegt, beweist einmal mehr die Gleichheit beziehungsweise Wesenseinheit von Religion und okkultem Schamanentum, denn das päpstlich anerkannte Wunder besteht in der Heilung einer schwer kranken Japanerin. Weil die bereits im Jahre 1900 gestorbene Missionsschwester Helena Maria Stollwerk aus Rollesbroich in der Eifel stammte, machte sich denn auch die Gleichstellungsbeauftragte der Landesregierung NRW mit anderen Pilgern auf nach Rom, um der Seligsprechung beizuwohnen.

     Gegen eine private Teilnahme gibt es kaum Einwände, erscheint man allerdings in offizieller Funktion, zeugt dies von Instinktlosigkeit: Wird die Gleichberechtigung von Frauen nicht gerade durch die Religionen, besonders auch durch diesen Papst verhindert? Und welche Art der Gleichberechtigung gar erstreben Nonnen?

     Kurz vor Landtagswahlen zählt jede Geste – empirisch belegbar: besonders die der religiösen Anbiederung.


© Raymond Walden



Keine Kommentare: