März
1998
Ich
nehme die Antwort vorweg: nein! Das wird natürlich nicht
überraschen, dennoch sind die Verhältnisse keineswegs so eindeutig.
Das
wesentliche Anliegen der Kosmonomie ist die Erkenntnis, dass die
einzelnen Lebensvorgänge mit der übergeordneten
Naturgesetzmäßigkeit zusammenhängen: Begründung von
Lebensqualität, Geborgenheit und Menschlichkeit nicht nur durch
Globalisierung, sondern durch Universalität, dadurch nicht
Gleichmacherei als Missverständnis vieler sich „Demokraten“
Nennenden, vielmehr Strukturbewusstsein als Basis für individuelle
Vielfalt und Freiheit.
In
einer zunehmend uniformierten Konsumgesellschaft, die ihren relativen
Reichtum (innerhalb existiert viel Armut) auf der Übervorteilung der
sogenannten Zweiten und Dritten Welt aufbaut, stoßen kosmonomische
Gedanken auf Ablehnung, weil sie äußerst unbequeme Wahrheiten
definieren, die sowohl die Betreiber aktiver Marktpolitik wie die
bequemen Verbraucher irritieren. Mehr noch scheucht die Kosmonomie
die religiösen und/oder esoterischen Chefideologen und ihre
demagogischen Ausführungsorgane auf. Also kann es nicht überraschen,
dass die Kosmonomie offiziell nirgends existiert. Mag man den
Vertretern der gängigen Staatsphilosophie nachsehen, dass sie
Kosmonomie ablehnen, so frage ich mich, warum auch an sich fähige
Kritiker unserer bestehenden Systeme nicht sonderlich viel Zustimmung
zeigen, sich stattdessen lieber in ihren jeweiligen Organisationen
durch Grundsatzdiskussionen aufreiben, wobei die angeblichen
Grundsätze den bisherigen vordergründigen Gedankenschemen, etwa
politisch links oder rechts, entsprechen. Verwickelt in die
Beschäftigung mit sich selbst, demonstriert man so die eigentliche
Gefangenschaft im Überkommenen, die Unfähigkeit zu wirklichem
Aufbruch. Der Internationale Bund für Atheisten und Konfessionslose
(IBKA) liefert derzeit ein Musterbeispiel dazu ab. Die Vehemenz,
gegen Bestehendes zu sein, scheint die Akteure dermaßen einzunebeln,
dass sie sich in ererbten Verhaltensmustern der Einflussnahme oder
Machtausübung innerhalb ihrer Organisation verschleißen.
Manchmal offenbart sich auch eine
Überraschung: Da stehe ich seit vielen Jahren mit einem Professor in
Kontakt, der selbst umfangreiche Arbeiten zur Gegenwartskritik
verfasst hat, die ich weitgehend teile, und nun kündigt er sein
Interesse an der Kosmonomie auf „ich kenne jetzt Ihre Diktion“,
nachdem ich dezidiert gegen die Anthroposophen argumentiert habe.
Es
mutet mich seltsam an, wenn ich seit bald drei Dekaden zu
astronomischen Vorträgen eingeladen werde, und zwar von
Gruppierungen mit mir größtenteils fremden Philosophien, die aber
ihrerseits von meinen aufklärerisch-wissenschaftlichen Ausführungen
immer wieder angetan sind. Zu diesen gehören alle möglichen
religiösen Veranstalter ebenso wie Rotarier, Lions-Brüder,
Freimaurer und studentische (Altherren-) Verbindungen, deren
regionale Selbstpflegegewohnheiten ich nicht gutheißen kann.
Ein
Sprichwort der afrikanischen Massai enthält sehr viel Wahres: „Wer
die Welt liebt, schließe den Mund und öffne die Augen.“ Ich
interpretiere dies so: Man betrachte die Welt hellwach, man lerne
erst und fortwährend, um sodann auch mit dem Munde andere Augen
öffnen zu können, indem man Meinungen ableitet und nicht
ideologische Muster skandiert. Gemessen am üblichen Gebaren unserer
„Vordenker“ und den Diskussionsgepflogenheiten einer
geschwätzigen Masse, ist auch dies freilich idealistisch, gleichwohl
nicht unmöglich.
Eine
andere Gefangenschaft beobachte ich in meinem recht vielschichtigen
Bekanntenkreis, wenn gerade auch sich für intellektuell Haltende im
engen wie weiteren Umfeld alle Register von Klatsch und Tratsch
pflegen, ohne sich offenbar dessen bewusst zu sein, dass sie
eigentlich über solchen Niederungen stehen sollten.
Kosmonomie
ist natürlich eine Vision, wie auch Frieden eine solche bedeutet!
Niemand wird bestreiten, dass es Frieden gibt oder geben kann. Und
die Kosmonomie gibt es ebenso, eigentlich war sie schon da, ehe ich
sie verbalisiert habe, und deshalb existiert sie ganz real. Nun mag
gefragt werden, wo denn der Wert eines Geschehens liege, das kaum
jemand in unserer Massenmediengesellschaft zur Kenntnis nehme. Ich
weigere mich allerdings, die Masse zum Maßstab aller Dinge zu
erklären, geschweige denn ihr Kompetenz zuzuerkennen. Echtes
Verständnis von Demokratie erfordert einen mündigen Bürger; von
dem entfernen wir uns immer gravierender, das heißt, Demokratie ist
heute längst eine Fata Morgana.
Trotz
dieses Debakels sehe ich keine andere Menschenwürde als eine
demokratische; deshalb ziehe ich es vor, nicht schweigend zu
resignieren, sondern Kieselsteine in die Brandung zu werfen,
Kieselsteine, die aufgrund ihrer Feinstruktur die Aufmerksamkeit so
manches bewussten Gezeitenwanderers finden.
Bemerkenswert auch: Im
Gegensatz zu Sektierern haben mich Politiker bisher nie diffamiert,
selbst bei entschiedener Ablehnung meiner Philosophie kam es zu
keinerlei verbalen Attacken, immer wieder aber zu Nichtreaktionen.
Aus gegebenem wahlzeitlichen Anlass stelle ich mir vor, ich müsste
mit Kohl, Schröder, den anderen, gar Clinton diskutieren. Worüber
eigentlich? Wissen die denn noch, worum es wirklich geht? Sie sind
Marionetten des Kapitals, der (un)feineren Maffia, ohne es zu merken?
©
Raymond Walden