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Sonntag, 21. August 2022

Sequenzen von Skepsis (506)

 


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:


5613

Mit Anstand möglichst Abstand aus Respekt vor Anderen, aber vor allem zum Schutz der eigenen Identität und Privatsphäre vor unliebsamen ganz „Anderen“.


5614

Verantwortungsbewusste Freiheit ist kein Marktgeschrei von „geimpften“ oder unbedachten Massen, auch nicht von Bonzen und Popen, sondern eine diskrete Selbstverständlichkeit in ehrlicher humaner, dem Leben zugewandter Praxis entgegen aller apokalyptischen Heraufbeschwörungen.


5615

Man wirft kein kosmonomisches Denken vor die Dummheit, nicht in ideologische Kampfseilquadrate, Arenen und auch nicht in Kathedralen, Moscheen, Synagogen, Tempel und Elite-Zirkel.


5616

Ist Dummheit die beständigste „Nachhaltigkeit“?


5617

Wer bei seinem Eintreten für die freiheitliche Demokratie zu Recht vor Rechtsextremismus warnt und geflissentlich den Linksextremismus ausspart oder verharmlost, hat nicht das Zeug zur Demokratie, mehr noch, er propagiert das Gegenteil.


5618

Rassismus trägt Tarnanzüge: politisch-ideologische, religiöse, soziale, biologische, finanzielle, intellektuelle, bildungs-elitäre, pseudo- und parawissenschaftliche, egomanische, opportunistische und viele mehr. Sie alle sind freiheitlich durchschaut und erkannt – offensichtlich von zu wenigen Menschen.


5619

Wer heute noch in politischem Rechts/Links denkt, hat nichts begriffen, denn es geht um die Abkehr und die Überwindung von üblichen Barbareien, propagiert und begangen von beiden ideologischen Verblendungen, und um eine bisher nicht erreichte Hinwendung zu aufrichtiger Humanität in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung, die sich der umfassenden Leidensverminderung bis hin zur Leidensverhinderung widmet und darüber hinaus verantwortlichen Genuss und Lebensfreude favorisiert, sie als seriöse Werte definiert und in kausaler Konsequenz friedlich und Frieden stiftend umsetzt.


5620

Lediglich Regierungen, die „Dreck am Stecken“ zu verbergen haben, belegen kritische Medien des In- und Auslands mit Verboten oder gar mit Strafen. Saubere freiheitliche Regierungen dagegen stecken selbst dreiste Lügenmachwerke in demokratischer Überlegenheit ohne schmerzliches Gezeter überzeugend weg.



© Raymond Walden

 

 

 

Freitag, 29. Mai 2020

Menschliches Glauben: Abstand (S. 88)


August 1998

Abstand zu halten, mag nicht nur bedeuten, Anstand zu bewahren – etwa im Straßenverkehr oder am Bankschalter – , sondern kann auch ein tiefer verankertes Sozialverhalten kennzeichnen: Überlegungen, gar Überlegenheit, im Abstand zu den Dingen, zu den Lebensphänomenen und folglich auch zum Ich. Abstand meint dann nicht Abseits oder Rückzug, denn der Abstandhaltende gewinnt an Überblick, der die eigene Vorsicht untermauert und natürlich auch zu Absagen, Stornierungen, Aufkündigungen führen kann, wohl aber kaum im Sinne von Resignation. Gerade die Kühle des Kopfes ist geeignet, leidenschaftliches Engagement zu begründen, eine Hingabe nicht mit billigem Fan-Gehabe, die auch keineswegs mit konservativem Patriotismus oder Nationalismus verwechselt werden möchte – und schon gar nicht mit moralisch-religiöser Überhöhung oder Unterwerfung.
     Abstand zu taxieren, erfordert klare Bewusstseinsvorgaben, um, bleiben wir beim Bild des Straßenverkehrs, vorausschauend zu fahren. Stets muss ich mit der Unzulänglichkeit, ja Dummheit anderer Straßenbenutzer rechnen. Die Möglichkeit eines technischen Versagens, die Berücksichtigung landschaftlicher und meteorologischer Gegebenheiten sowie meiner eigenen Fehlbarkeit in der Beurteilung aller zuvor genannten Gesichtspunkte können eine sachliche, selbstsichere Fahrweise zur Selbstverständlichkeit werden lassen, die aber niemals alle Risiken ausschließt. Insofern führt dieser verkehrstechnische Gedankenausflug zur allgemeinen Feststellung, dass sich Risiken nur minimalisieren, nicht abschaffen lassen.
     Mir scheint, dass diese Binsenweisheit von den meisten Menschen verdrängt wird. Deshalb gehen viele Zeitgenossen zwar auf Abstand im Sinne von „sich da raushalten“, glauben in einer derartigen Beziehungslosigkeit sicher zu sein – besonders wenn sie auch gegen jedes und alles versichert sind –, merken aber nicht, wie sehr gerade sie mittendrin stehen im oberflächlich nivellierenden Massentrend. Direkt gesteuert durch Werbung, politische Anmache, ideologische Missionierung und krankhaft kokettierende Eitelkeit, schrumpft der Abstand auf jene Minimalität, die sogenannte Steher einhalten, wenn sie auf ihren Rennrädern hinter einem Temposchrittmacher herjagen.
     Dies ist ein Grund für die irrationale Schnelllebigkeit, für die Vergesslichkeit, die zum Beispiel Wahlversprechen so wertlos macht. Noch einmal: Abstand meint nicht Abwinken, Teilnahmslosigkeit, wohl aber Distanz zur Subkultur, ganz besonders auch, weil dieses Phänomen der geschwätzigen Viellaberei mehr und mehr Einzug hält gerade in regionale, vielleicht nicht ganz so profilierte Stadtratsköpfe, die sich sogar bei der Abwasserbeseitigung auf ihre jeweiligen Gurus Joschka, Gerd oder Helmut berufen, sich gar vom Papst gesegnet fühlen. Abstand meint Feinfühligkeit, Respekt oder anders formuliert, niemandem zu nahe zu treten. Dies wiederum erfordert Takt. Doch welcher dieser Egoisten, aus denen die Masse sich zusammensetzt, kennt diesen Terminus überhaupt noch?
     Nun vernehme ich schon die Kritiker: „Der macht alles madig.“ Irrtum, ein Madigmacher hätte nämlich längst resigniert. Ich kenne immerhin einige Leute, die nicht aufgeben, die aktiv hart am Ball sind, weil sie begriffen haben, dass Lebensqualität in erster Linie heißt, feinfühligen Abstand zu erzeugen, zu wahren, Respekt entgegenzubringen, der Falschheit aber entschlossen zu begegnen, um die Grundlage eigener Besonnenheit zu erhalten. Ein Friedensprinzip!


© Raymond Walden