Montag, 8. Oktober 2012

Existiert Gott?


Von Peter Hart (GB)

In gewissem Sinne ist diese Frage der Fragen – die zwangsläufig keine sichere Antwort zulässt – ziemlich abgenutzt. Oder wenigstens könnte man sagen, ein beträchtlicher Grad von Langeweile setzt ein, sobald wir realisieren, dass die einzige Sicherheit darin besteht, dass es keine Sicherheit gibt und dass kein einziger Beweis existiert. Ich meine, man könnte genauso einem Kind erzählen, Gott lebe auf dem Dachboden. Und, wenn das Kind beständig seiner Mutter berichtet, dass es bei jedem Besuch des Dachbodens vergeblich nach Gott Ausschau gehalten habe, was wird die Mutter sagen? „Ach, Liebling, du musst an Gott glauben.“ Nun, das wird kaum das Problem lösen. In nächtlichen Stunden wird der Dachboden so leer bleiben wie jede Kirche und das Kind mag durchaus zweifeln, ob die Mutter der Verstand verlässt. Schlimmer noch, auch das Kind mag mit der Verehrung „Gottes auf dem Dachboden“ beginnen. Klingt das zu frivol? Nun, erschütternd und schrecklich ist die Kraft menschlicher Vorstellungen bei der Erfindung von Übernatürlichem: „Noch spektakulärer die Kraft, an das zu glauben, was sie erfunden hat.“ (John Cowper Powys, In Spite of)

Wir hörten genug super-spitzfindige Argumente von Philosophen und Theologen: Sie halten sich an die Spielregeln und ignorieren größtenteils die höchst unbequemen Fragen, die Kinder schon auf dem Spielplatz gerne stellen (und warum sollten wir nicht bei so frühem Alter beginnen?)
„Ja, wo ist er (Gott) eigentlich? Hab’ Ihn nie gesehen!“ „Was geht bei ihm ab, den ganzen Tag?“ Und dann in den Abschlussklassen: „So, man sagt, dass Gott uns den ganzen Tag beobachtet. Das ist nicht cool – was für ein perverser Voyeur!“

(Vor einigen Monaten befand sich ein leuchtend gelbes Poster über die gesamte Reklamefläche auf der Nordseite der Hills Road Eisenbahnbrücke. Der Wortlaut der Zeilen war Jesus kam, um uns von unseren Sünden zu befreien.  Eines Tages war ich zufällig auf dem Oberdeck eines Busses und saß neben einigen Schülern der Abschlussklasse vom Hills Road College in Cambridge. Sie schauten ratlos auf das Plakat – als etwas für ihr Leben ziemlich Unwichtiges und etwas jenseits ihres Verständnisses. Ich sagte ihnen trocken, dass ich ihn (Jesus) seit einiger Zeit nirgends gesehen hätte. Sie brachen in helles Gelächter aus. ..)

Aber in allem Ernst, wir sollten uns selbst fragen: „Was ist eigentlich der Sinn, einen Planeten zu kreieren – so wie die Erde – und ihn dann mit Menschen zu besiedeln, um einfach (sic) zu sehen, wie sie sich gegeneinander verhalten unter den irgendwie bizarren Bedingungen, in die sie sich hineingestellt finden? Hätte es dem so übernatürlichen Wesen sogar gefallen, eine Welt frei von Bösem und Leid zu erschaffen, müssten wir uns immer noch fragen: „Was genau könnte seine Absicht hinter solchem Tun sein?“ Zugegeben, das wäre eine sehr beträchtliche Verbesserung der vorherrschenden Bedingungen – um es milde auszudrücken – dennoch wäre es eine seltsamst anmutende Möglichkeit. Und dann der Aufbruch zu so immensem Ungemach: Rund 4.6 Milliarden Jahre der Entwicklung bis zum Erscheinen von Menschen mit ausreichender Intelligenz, Ihn/Sie/Es für den ursprünglichen Zeugungsakt zu preisen!
Ich beginne zu glauben, dass die außerordentliche Ineffektivität dieses Prozesses vielleicht der Grund für das ewige Shtoom (jiddisches Wort für komplettes Schweigen) ist, das Gott einhält. Andererseits frage ich mich, könnte es sein, dass Er/Sie/Es an schierer Langeweile der Allwissenheit gestorben ist, dem unbeschreiblichen Stumpfsinn, ein Leben zu führen, in dem es nicht einen einzigen Aspekt des Dramas oder des Wunders gibt. Nicht zu vergessen die pure Plackerei der Aufzeichnung jeder Tat und jedes Gedanken von Milliarden Menschen (logischerweise unmöglich, übrigens sogar für Gott), von denen – im Vergleich zur übernatürlichen Vorstellung von Gott – die meisten unerträglich unbedeutend und monoton erscheinen müssen. Gott, was für ein Leben!  Höchstwahrscheinlich eine Vakanz...

Ergänzende Anmerkung von Xenophanes von Kolophon, ungefähr 530 v.u.Z.:
„Hätten Kühe und Pferde oder Löwen Hände oder könnten sie mit ihren Händen zeichnen und Dinge verrichten wie die Menschen, Pferde hätten pferdeähnliche Götter, Kühe kuhähnliche Götter gezeichnet, und jede Spezies hätte Götterkörper wie ihren eigenen entworfen.
Äthiopier sagen, ihre Götter hätten flache Nasen und seien schwarz und Thraker behaupten, ihre Götter hätten blaue Augen und rotes Haar.“

Eigene Anmerkung des Autors:
Nach dem Lesen dieses Textes von Xenophanes mag es überraschen zu erfahren, dass er im Wesentlichen an einen einzigen Gott glaubte – und das ändert merklich die Bedeutung seiner Zeilen. Wie dem auch sei, er scheint sich eine Art von nicht zu reduzierender Einheit vorgestellt zu haben; etwas Ähnliches wie die Glaubensvorstellungen von Plotinus. Was das auch immer präzise bedeuten mag, es ist eine entschiedene Ablehnung der Vielgötterei und von Göttern mit menschlichen Charakterzügen.
Wir sind nicht in Gottes Vorstellung entstanden, wir haben Gott nach unseren eigenen (idealisierten) Vorstellungen geschaffen. Und wie wir es auch versuchen, wir können diese Vorstellung nicht aus unserem Gedächtnis drängen:
Michelangelos mächtige Vaterfigur – deren Wille ist unergründlich und nie haben wir ein einziges Wort von ihr gehört.

Nachwort von Raymond Walden:
Peter Hart ist wie ich seit einiger Zeit Autor des internationalen Magazins „Contemporary Literary Horizon (CHM), Bukarest, Rumänien, in dessen Ausgabe 4/2012  der Beitrag „Does God Exist?“ in englischer Sprache erschien. Mit freundlicher Genehmigung der CHM-Redaktion veröffentliche ich auf meiner Internetsite die durch mich erfolgte deutsche Übersetzung.
Gebeten um eine kurze Vorstellung seiner Person, antwortete mir Peter Hart Folgendes:

Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendetwas schreiben kann, das auch nur eine entfernteste Idee meines Selbstverständnisses vermitteln kann. Zum Beispiel besuchte ich 1959 im Alter von fünfzehn Jahren die Kunst-Schule in Hastings, aber diese Tatsache sagt nichts aus über die Atmosphäre dieser Institution. Wie bei den meisten Leuten, die Kunst-Schulen besuchen, stand meine berufliche Tätigkeit niemals in Beziehung zum Fach. Nach Tätigkeiten als Sicherheitswachmann, Krankenhauspförtner, und Krankenhaus-Putzmann begann ich, in einem Buchgeschäft zu arbeiten. Bis zu meinem Ruhestand war ich Buchverkäufer, und nun arbeite ich zwei Tage in der Woche am Computer der Kinder-Intensivstation bei Addenbrookes, Cambridge, UK. Mit anderen Worten, wieder Krankenhausarbeit!



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