Dezember
1998
Folgt
man alten Überlieferungen, so befand sich zur Geburtszeit Christi
ein besonders auffallender Stern am Himmel und wies bekanntermaßen
den Weisen aus dem Morgenlande den Weg nach Bethlehem. Mit dem
heutigen Kenntnisstand lässt sich ziemlich sicher nachweisen, dass
es keinen derartigen Stern gab, sodass der Schwerpunkt der
Betrachtung auf dem Symbolgehalt des Phänomens ruht. Die Gelehrten
oder Weisen vor 2.000 Jahren waren oft auch Himmelskundige, deren
Weisheiten jedoch weniger einer Wissenschaft in heutigem Sinne als
vielmehr einer Deutungskunst genügten; Astronomie und Astrologie
entsprachen noch ein und demselben. Davon aber unabhängig ist der
philosophische Wert des zitierten Himmelslichts als Zeichen der
Freude, des Optimismus, der menschlichen Wärme zu sehen. Sterne
allgemein hoben sich ab vom Alltäglichen als überirdisch oder gar
göttlich, charakterisiert als Garanten des Guten wie des Bösen.
Heute
wissen wir um die gewaltigen Energieprozesse innerhalb und außerhalb
von Sternen. Wir kennen den segensreichen, einzig Leben
ermöglichenden Erdabstand zur Sonne, unser Planetensystem haben wir
sehr gut verstanden und auch schon manche Struktur unserer
Heimatgalaxis definiert. Daher wissen wir: Es gab keinen
physikalischen „Weihnachtsstern“; weder als Supernova, noch als
Kometen (der sowieso kein Stern ist).
Nun
kennt man das Geburtsjahr Christi nicht so genau, so dass drei etwa 7
Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung zu beobachtende enge
Jupiter/Saturn-Konjunktionen, also Zusammentreffen der Planeten am
Firmament, die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Viele
populärwissenschaftliche Darstellungen folgen dieser Erklärung für
die Existenz des Weihnachtssterns, doch erscheint dies eher
opportunistisch, denn über einen Zeitraum von nur wenigen Jahren
existieren am Himmel derart viele Zyklen, sodass sich zu beinahe
jedem irdischen Geschehen irgendeine, oft auch an den Haaren
herbeigezogene, Himmelsentsprechung konstruieren lässt, so man nur
will.
Das
wiederum ist das Geheimnis der heutigen Astrologie als Täuschung auf
der ganzen Linie, begünstigt durch die Mentalität einer
Gesellschaft, die millionenfach Weihnachtssterne aufhängt im kalten
Geschäftslicht, das jeden Sternhimmel, selbst den in unserer Seele,
niederstrahlt. Glücklich waren die Weisen damals; sie folgten einem
klaren, verzaubernden Sternhimmel und einer freudigen Hingabe. Die
Marksteine heute sind zum Beispiel kommerzielle Skybeamer, die den
Nachthimmel dem Menschen entfremden. Die Lichtverschmutzung geht
einher mit unsäglichen Abfallmassen, die wir in den Himmel und
wieder herabbefördern durch militärische Projekte, extensiven
Menschen- und Gütertourismus und durch geistige Verseuchungen, die
via Satellitenfernsehen die Menschen befallen. Der Massenmensch
verfügt über entrückte und verrückte Weltbilder, obgleich ihm die
moderne Forschung wirklich grandiose Weiten eröffnet, denen er sich
aber verschließt. Das ist die eigentliche Tragik.
Schon
ein bescheidenes Fernglas kann zu Einsichten führen, denn die
überwältigende Anzahl der verschiedenen Himmelsphänomene hat
allemal die Qualität eines Weihnachtssterns, den eigenen Standort
physiologisch wie psychologisch-philosophisch zu bestimmen. Man muss
sich allerdings, frei nach Kant, bemühen: Sapere aude – wage es, deinen Verstand zu gebrauchen!
©
Raymond Walden
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