Mittwoch, 30. September 2020

Menschliches Glauben: 5. Esoterik, Freimauerer-Herrlichkeit (S. 159)

 


Januar 1985


Am Beispiel der Freimaurer lässt sich vergegenwärtigen, dass die gute Absicht allein noch keine Vernunft signalisiert. Die Söhne des Lichts, wie sich die Freimaurer selbst bezeichnen, folgen den Idealen Schönheit, Weisheit und Stärke und verstehen sich als Baumeister am „Tempel der Menschheit“. Humanität, Toleranz und Nächstenliebe verbieten jeden politischen Streit innerhalb der Freimaurer-Loge, in der „Stätte der Einigung und wahren Freundschaft“ wird niemand aufgrund seiner Religion benachteiligt. Verschwiegenheit wird von jedem Freimaurer unabdingbar gefordert. Das Ritual in diesem Mysterienbund geht zurück auf den ägyptischen Isiskult, die keltischen Druidenhaine und auf die Eleusinischen Mysterien. Winkelmaß, Zirkel und die Bibel sind die Symbole, die Drei gilt als „heilige Zahl“. Der Tempel bildet stets ein längliches Rechteck (vom Mittelpunkt der Erde bis in die Tiefe des Universums), darüber spannt sich die gewölbte Decke als Abbild des Sternenhimmels. In feierlicher Zeremonie wird die „Arbeit“ (so nennen die Freimaurer ihre Sitzungen) in der „gerechten und vollkommenen Loge“ verrichtet. (Quelle: Westdeutscher Rundfunk, 2. Programm, 10.1.1985, „Thema heute: Weisheit, Stärke, Schönheit – Die geheime Gesellschaft der Freimaurer“; alle weiteren Freimaurerzitate und Anmerkungen entstammen der Rundfunksendung.)

     Man muss sich erst vergewissern, ob man nicht falsch versteht; ein Bund von Männern erhebt allen Ernstes Anspruch darauf, „gerecht und vollkommen“ zu sein. Was mit dieser Vollkommenheit gemeint ist, wird unter anderem am Ende einer „Arbeit“ erkennbar, wenn es da etwa heißt: „Das Schwert bleibe uns Zeichen der Wahrheit und Zeichen der Gerechtigkeit.“ Es verwundert nicht, dass Frauen in diese vollkommene Gerechtigkeit nicht passen, philosophierte doch ein „Großmeister“, die Freimaurerei sei der Entstehung nach auf die „männliche Psyche“ zugeschnitten, es seien aber gerade Freimaurer, die sich schon immer für die „wahre Würde der Frau“ eingesetzt hätten. Gewährte man Frauen allerdings gemeinsam mit den Männern Zutritt zum Tempel, gingen da wohl doch einige „Dinge durcheinander“.

     Trotz dieses höheren Unsinns wurden die Freimaurer-Ideale zu Leitgedanken der Französischen Revolution. „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ sind auch die Prinzipien der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, von deren 59 Unterzeichnern 53 Freimaurer waren. Wie Washington und Jefferson bekannten sich 14 weitere US-Präsidenten, darunter Eisenhower, Truman und die beiden Roosevelts, zur Freimaurerei, die Freimaurer-Symbole sind sowohl in den Grundstein des Weißen Hauses eingemeißelt wie von den Apollo-11-Astronauten auf dem Mond hinterlegt worden. Andere Quellen sprechen von insgesamt 15 Freimaurer-Präsidenten (Kane, J.N.: Facts about the Presidents, New York, 1989), von 13 Freimaurern unter den Vätern der Verfassung und von neun Freimaurern, die die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet hätten. Die meisten der weltweit mehr als 5 Millionen Freimaurer, nämlich etwa 3,5 Millionen, leben in den USA (Quelle: Enceclopedia Americana).

     Die internationale Liste prominenter, einflussreicher Freimaurer ist umfangreich. Darf es da noch überraschen, wie alles andere als „vollkommen“ die Weltpolitik seit jeher abläuft unter der Führung von Menschen, die sich als Mitglieder einer vollkommenen und gerechten Gruppierung verstehen?


© Raymond Walden 

 

 

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