September 2000
Rechtsextremes Gedankengut vor allem deutscher Prägung ist für jeden weltoffenen Geist eine unerträgliche Gesinnung, denn sie signalisiert nicht nur Diskriminierung, Ausgrenzung, Unterdrückung Andersdenkender, sondern viel mehr noch: menschenverachtende Gewaltanwendung. Keine demokratische Gesellschaft sollte auch nur ansatzweise solche Weltbilder dulden, denn sie gefährden die freiheitliche Basis einer offenen, pluralistischen Gemeinschaftsordnung. Aus ihrem Selbstverständnis heraus kann nun aber die Demokratie nicht gewaltsam gegen Neonazis vorgehen, sondern muss den Dialog suchen und Aufklärung gewährleisten. Im speziellen deutschen Fall versagt der Staat wieder einmal kläglich, denn er schafft es zum Beispiel nicht, die Parteiprogramme der NPD und DVU als verfassungswidrig zu entlarven. Stattdessen ruft er einzelne Bürger auf, sich gegen die Neorechten zu wehren, und veranlasst etwa Banken, neonazistischen Vereinigungen keine Kontoführungen mehr anzubieten. Welch eine Inkonsequenz! Wenn die Parteien als „verfassungskonform“ zugelassen werden, kann man sie nicht mit dem undemokratischen Mittel der Ächtung bekämpfen. Dieses Verfahren unterstreicht die Scheinheiligkeit der politisch Verantwortlichen, die gleichermaßen in der Prävention von Rechtsradikalismus Wesentliches versäumen.
Da kommen beispielsweise Hunderttausende von Ausländern nach Deutschland, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Die Kinder werden aber in normale Regelschulen geschickt, wo sie jahrelang dem Unterricht nicht folgen können. Darf man sich wundern, wenn diese Jugendlichen auf die schiefe Bahn geraten? Die Familien werden in vielen Städten in geradezu gettoähnlichen Wohnanlagen untergebracht, in sozialen Brennpunkten, die sich der deutsche Staat somit selbst schafft. Vor so viel bürokratischer Inkompetenz resigniert so mancher Sozialarbeiter, obgleich bestens motivierter, und der Normalbürger schon allemal.
Wenn dann die Gewalt der Rechten auf der Straße eskaliert, schaut der Staat mehr oder weniger weg; die Polizei registriert oft unter Gefährdung der eigenen Sicherheit die Personalien der Gesetzesbrecher, muss sie aber bald wieder freilassen, weil die Demokratie durch ihre führenden Köpfe in Politik und Justiz an jenem Ast sägen lässt, auf dem sie sitzt. Dies kommt nicht von ungefähr, denn die Rechtsradikalen wissen seit je, dass die politischen Feiertags- und Gedenktagsredner nicht selten aufgrund von Parteispenden, Verfilzungen und anderen Unaufrichtigkeiten ihre Posten bekleiden; man hat manchmal den Eindruck, die „Demokratie“ kuscht vor den Radikalen.
Es gibt aber keine Alternative zur Entschlossenheit gegenüber den braun-konservativen Horden, zumindest für ehrliche, auf allen Ebenen des Lebens konsequente Demokraten. Speziell Deutschland leidet wieder einmal an Politfiguren, die zu mehr Zivilcourage aufrufen, während sie selbst Aushängeschilder von Opportunität und leeren Formulierungen darstellen.
© Raymond Walden
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