Mittwoch, 24. Juli 2019

Erwachen am Strand

Aus der Dünung jenes Strandes, an dem einst Menschen gefangen gehalten und gequält wurden, steigt die Sonne auf wie Menschlichkeit aus dem Meer politischer Verirrungen.
Nun bin ich gefangen seit vielen Jahren immer aufs Neue vom Aufstehen des Tages, dem ich mit Leib und Seele angehöre, wer weiß, wie lange noch.
Zögerlich, aber unwiderstehlich öffnet der Sonnenrand den ahnungsvollen dünnen Dunstvorhang, überstrahlt ihn schließlich mit erhellendem Gold, die Sonne hebt an, und ich schwimme auf sie zu, die schmale Mondsichel über mir.

Bald gibt mir eine Sandbank samtenen Stand im sommerlich warmen Meer von Argeles in Südfrankreich. Im Hinterland geheimnisvoll gewinnt der Machtanspruch des Canigou Bergmassives an Kontur, in Richtung Hafen schauend, folgt der Blick den Ausläufern der Pyrenäen beim Abtauchen der Bergkette in die scheinbar träumende Flut. Am fernen Strand der entgegengesetzten langen Düne meditiert ein esoterischer Sonnenanbeter, sonst herrscht raunende Einsamkeit.
Schwalben jagen lebenshungrig den Insekten nach, aus dem angrenzenden Naturreservat zwitschert und pfeift es lebensfroh.

Ein Strandfischer nähert sich in seinem leise kreisenden Boot, sein Arbeitstag begann viel früher, ebenso die tägliche Pflicht so vieler Menschen.
Als wolle er meine Betrachtungen nicht mit Profanem unterbrechen, dreht der Fischer ab, und meine „Sonne der Menschlichkeit“ gehört noch eine Weile mir allein an dem friedvollen Strand, der sich bald bevölkern wird.
Hitze ist angesagt, deutet sich an, und niemand weiß, welche Menschen irgendwo verbrennen, weil sie sich und die Sonne zu einseitig romantisieren, sich nicht schützen in hitziger Vermassung und Ignoranz gegenüber einer regelrecht variablen Natur und gegenüber einer so häufig verletzlichen und verletzenden Menschlichkeit.



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