Ich gestehe, dass der November nicht meine Zeit im Jahr ist, sosehr ich mich bemühe, möglichst jedem Lebensabschnitt viel Angenehmes abzugewinnen. Denn eines steht für mich außer Frage: Trotz aller Rückschläge und Widerwärtigkeiten braucht man im Leben Optimismus und vor allem bedarf es einer Öffnung zu den Menschen hin.
Dies allein fällt häufig sehr schwer, wobei die Ursache sowohl in der eigenen Verzagtheit wie auch in den Menschen liegt, mit denen man umzugehen hat.
Der November jedenfalls hält mit seinen diversen Totengedenktagen für mich ein reales Problem bereit: Die Trauer.
Oft frage ich mich, ob Trauer, die ich empfinde, nichts anderes ist als entrücktes Mitleid oder gar Selbstmitleid, das zwar einem realen Anlass entspringt, aber von einer surrealen Welt zeugt. Es ist deshalb so unangenehm, das eigene Verhältnis zur Trauer laut zu hinterfragen, weil die Zuhörer oder Leser allemal geneigt sind, daraus Forderungen an sie selbst zu erkennen.
Da ich jegliches Ansinnen in diese Richtung aufrichtig verneine, seien mir einige Bemerkungen zum Thema "Trauer" gestattet.
Der Tod an sich kann für einen naturwissenschaftlich geprägten Menschen nichts Schreckliches beinhalten, wohl aber der häufig leidvolle, tragische Weg des Sterbens. Die Problematik einer aktiven Leidensverkürzung, sprich Sterbehilfe, möchte ich hier gar nicht neu aufwerfen, sondern den Status des Todes charakterisieren.
Kann man allen Ernstes in Trauerreden Verstorbene persönlich ansprechen?
Definitiv besteht doch einzig und allein eine Wahrnehmung bei der Trauergemeinde; es handelt sich schlicht um einen Akt - bitte jetzt nichts Abwegiges interpretieren - der Selbstbefriedigung. Der Tote hat von dem ganzen Aufheben nichts mehr.
Dieses zu realisieren, scheint für mich ein wirklicher Weg der erleichterten Abschiednahme von Verstorbenen. Nichts geht mehr nach dem Tode; alles was man im Leben gegenüber dem Verstorbenen versäumte, falsch machte, lässt sich nicht mehr korrigieren. Jeder Versuch dieser Art ist nichts als auch scheinheilige Gefühlsduselei, die freilich von interessierter Seite mit „Aufarbeitung“ des Trauerfalls gravitätisch durchpsychologisiert wird.
Der Tod ist das logische und sinnvolle Ende, damit kann ich gut leben. Und dennoch wird mir das Dasein bisweilen schwer durch die direkte Konfrontation mit den Jenseitsgläubigen, denen ich in dieser Beziehung nicht zu folgen vermag, die aber von mir erwarten, dass ich ihren Totenriten respektvoll beiwohne, ja dass ich sie beispielsweise im Verwandtenkreis in Einzelheiten vollziehe.
Nein, der November, so wie diese Weltanschauung ihn geprägt hat, ist nicht mein Monat: Ich möchte niemals auf solche Art verabschiedet werden, zumindest müssen diejenigen, die mich dereinst auf herkömmliche Weise begraben wollen, wissen, dass ich dies ablehne.
Nun mag man fragen, warum ich all das eigentlich erzähle. - Ich denke, dass vielleicht eine ehrlich und offen geführte Diskussion über das Begehen entscheidender Stationen der individuellen Existenz einiges beitragen könnte zu einem entspannteren Verhältnis im menschlichen Miteinander.
Da fehlen einfach neue Antworten auf das mystische Weltbild.
Diesen Text verfasste ich im November 1997, veröffentlichte ihn in kleinerem Kreise und erneut im Jahre 2008 in meinem Buch "Menschliches Glauben", novumVerlag.
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