Juni 2001
Astrologie ist für keinen aufgeklärten Menschen ein ernst zu nehmendes Thema, doch nimmt weltweit im Rahmen der Bevölkerungsexplosion und regional im Rahmen ideologisch und kommerziell verlotternder Bildungssysteme der prozentuale Anteil der logisch und kausal denkenden Bürger trotz wissenschaftlich-technologischer Fortschritte ab und keineswegs zu. Entsprechend erblüht die Sterndeutung, nicht zuletzt durch die Medien, deren Nutzungsmöglichkeiten sich auch den Astrologen erschließen, in an sich widersinniger Intensität. Mag der einzelne Sterndeuter dies im Hinblick auf seinen finanziellen Gewinn begrüßen, mag er die Tatsache, dass so viele an die Aussagekraft der Gestirne glauben, als Beweis für die Richtigkeit astraler Analysen und Beratungen ansehen, so gibt es Gruppierungen, die seit jeher die Sterndeutung als Unterstützung ihrer okkulten Weltanschauungen nutzen, sie einbauen in die wirren Vorstellungen von vergeistigtem Dasein, von Schicksal durch Karma und Wiedergeburt. Alle derartigen Ansprüche entbehren weder der Tragik noch der Komik: In der Offenbarung wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit, daraus erwachsender Wissenschaftsfeindlichkeit und einer sich hemmungslos ausbreitenden, gefühlsbedingten Flucht aus der faktischen Welt zu tröstend abgehobenen Ufern von Scheinkontinenten und Zukunftsvisionen wandeln diese Geister- und Dämonenabhängigen vergleichsweise in einer immerwährenden „Love-Parade“, die Berge von Müll – so oder so – erzeugt.
Innerhalb solchen Szenarios spielen Anthroposophen unter Berufung auf ihren Begründer und Guru, Rudolf Steiner, keine unbedeutende Rolle – vor allem als Multiplikatoren, die über alle möglichen Kanäle wirken. In der Öffentlichkeit bemüht man sich in diesen Kreisen eher um ein Herunterspielen der Astrologie, die esoterische Praxis der Anthroposophen stellt sich anders dar. Das soll hier einmal demonstriert werden am Programm eines „Paritätischen Bildungswerkes, Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ und seines Studienhauses Rüspe:
Kurs 3 „Einführung in die Astrologie unter anthroposophischen Gesichtspunkten“
Kurs 42 „Spirituelle Psychologie – die Verbindung von irdischem und kosmischem Menschen“
Aus dem Inhalt: Die Verbindung des Menschen zu den Elementen, Planeten und dem Tierkreis – Was teilt sich aus dem Ätherischen und Seelisch-Geistigen des Menschen mit usw.
Kurs 52 „Sinn und Nutzen der Astrologie durch Deutung des eigenen Horoskops“
Aus dem Inhalt: Sie (die Astrologie) ermöglicht Einsicht, um in Kontakt zum eigenen Wesenszentrum zu gelangen, ...
Kurs 74 „Wie deute ich mein Horoskop? Ein Kurzlehrgang für Einsteiger“
Kurs 77 „Astrologie und Karma – Haben Sie einen „Drachen“ in Ihrem Geburtsbild?“
Kurs 113 „Dem Leben Tiefenschärfe geben“
Aus dem Inhalt: Die Wirkungen zwischen Kosmos und Mensch, die Zusammenhänge zwischen den Tierkreiskräften und die Sprache zwischen den Planetensphären wollen wir uns als Hintergrundwissen unter anthroposophischen Gesichtspunkten erarbeiten.
Kurs 116 „Der schwarze Mond im Horoskop“ – Astrologische Studien über Adams erste Frau, Lilith, und das archaisch Weibliche im Menschen
Kurs 125 „Seelische Muster und Konstitutionsfragen aus astrologischer Sicht“
Kurs 128 „Menschliches und kosmisches Denken“ – Eine Einführung in kosmische Gedankenformen auf der Grundlage der ‘Philosophie der Freiheit’ Rudolf Steiners
Aus dem Inhalt: In der Eurythmie werden die Tierkreis- und Planetenqualitäten anhand der entsprechenden eurythmischen Gesten erübt.
Kurs 129 „Einführung in die Astronomie und anthroposophische Kosmologie“
Aus dem Inhalt: Dabei werden wir immer wieder die vielfältigen Beziehungen der astronomischen Erscheinungen zum Menschen, den Naturreichen und der Erde aufsuchen, um dadurch mit Hilfe der Anthroposophie ein spirituelles Verständnis des Kosmos und des Menschen zu entwickeln.
Kurs 144 „Partnerschaftsvergleich im Horoskop“
Kurs 151 „Individuelles Schicksal und Zeitgeist im Horoskop“
Kurs 159 „Sensitive Menschen im Erkenntnislicht der Sterne“
Kurs 187 „Die zwölf Qualitäten des Tierkreises“
Aus dem Inhalt: Kunsttherapeutische Ansätze zur individuellen Erweiterung der persönlichen Effektivität in der therapeutischen Praxis
Kurs 190 „Ganzheitliche Astrologie: Der Mensch und die Sterne“
Aus dem Inhalt: Die Sternbilder und die Tierkreiszeichen – Prägende Trigone: Feuer, Wasser, Erde, Luft – Heilende Quadrate: kardinal, fest und beweglich – Sieben oder neun Planeten? – Die Wesensglieder des Menschen und die Sinne
Als einführende Literatur wird empfohlen: „Mensch und Sterne“, Themen aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners, herausgegeben von Dr. Hans Herbert Schöffler. „Rudolf Steiner und die Astrologie“ von Dr. Hans Herbert Schöffler. „Kosmische Aspekte von Geburt und Tod“ von Dr. G. Wachsmuth. „Astrologie und Anthroposophie“ von Dr. Elisabeth Vreede.
Einmal ausgestiegen aus jeglicher Vernunft, krönt sich der Wahnsinn durch Kurs 181 „Kurs für Eurythmisten und eurythmisch Fortgeschrittene“
Aus dem Inhalt: Neben der Eurythmie der sichtbaren Sprache gibt Rudolf Steiner eine Eurythmie aus dem Wesen des Menschen: zwölf Seelenformen und sieben Seeleninhalte, eine Seelenkunde der Eurythmie für die künstlerische Praxis. Besser bekannt sind die Gesten als Tierkreisgesten und Planetengebärden. Sie umfassen das gesamte menschliche Seelenwesen im Fühlen, Verstehen und Handeln in dieser Welt und der Welt des Überzeitlichen und Überräumlichen.
Es verwundert nun keineswegs, wenn im Kurs 183 endlich das anthroastrologische Weltbild definiert wird: „Kosmologische Menschenkunde und die Ich-Werdung des Menschen“, Arbeitsgrundlage: Rudolf Steiner, „Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos. Der Mensch – eine Hieroglyphe des Weltenalls“, GA 201
Das ist der gefährliche Ungeist! Der Mensch, die Verkörperung der Menschlichkeit, die auf Humanismus, auf den Menschenrechten, auf Emanzipation und intelligenter Entfaltung basiert, wird zur „Hieroglyphe des Weltenalls“ herabgewürdigt. Und so etwas geschieht unter staatlicher Förderung und Anerkennung, weil die anthroposophischen Kraken die Demokratie längst im Würgegriff haben und die sonst angeblich so wachsamen (Schein-)Demokraten wieder einmal verschlafen, was selbst ernannte Gralshüter tatsächlich zu verantworten haben.
Astrologie besteht keineswegs aus harmlosen Zeitungshoroskopen, über die man schmunzelt, sondern ist eine knallharte Entmündigung des Individuums unter dem Deckmantel der Esoterik, sie ist als Vorbereitung auf praktizierte Menschenverachtung zur Verankerung und Stabilisierung konkret diesseitiger Machtansprüche anzusehen. Die erleuchtet dahintrottenden Massen sind bequem vertröstet, schlichtweg überbelichtet und nicht einmal als „Hieroglyphe“ ernst zu nehmen. So lässt sich trefflich regieren!
© Raymond Walden