Februar
1995
Therapeut
(grch. „Wärter, Pfleger“), Heilbehandler, jemand, der eine
Therapie (Heilbehandlung) anwendet; behandelnder Arzt. Quelle: Die
Große Bertelsmann Lexikothek.
Glaubt man dem scheidenden
NRW-Kultusminister, Hans Schwier, und wer glaubt einem so erfahrenen
Pädagogen nicht(!), dann haben alle Schulreformen, einschließlich
geisteswissenschaftlicher Lehrplanüberfrachtung, gleichmachender
Gesamtschule und unverminderter Religionspräferenz, die heutigen
Schülergenerationen krank gemacht. Für die Zukunft sieht Schwier
realistischerweise Behandlungsbedarf, denn er forderte, der Lehrer
von morgen müsse verstärkt „Therapeut, Freizeitgestalter, Freund
und Helfer“ sein.
Die
Aufgabe der fachlichen Vorbereitung unserer angehenden Pädagogen
werde durch die Universitäten voll und ganz erfüllt, aber es
bestehe Nachholbedarf, was die „erzieherische Kompetenz“
betreffe. – Man glaubt, nicht richtig zu verstehen. Waren es nicht
die Reformpädagogen der 70er Jahre, die hauptsächlich auf
fachliche, eher unpersönliche Wissensvermittlung setzten?
Wichtige Kernbereiche wie Lern- und
Entwicklungspsychologie sowie Sozialpädagogik, die zur Bewältigung
der vielfachen Probleme in der heranwachsenden Generation einfach
dazugehörten, würden vernachlässigt. „Wie soll aber der Lehrer
später auf aktuelle Konflikte reagieren, wenn er nicht weiß, nach
welchen Mechanismen sich Aggressionen entwickeln?“ fragte der
Minister.
Ihm
und allen nach ihm regierenden Ideologiepädagogen, rot wie schwarz,
erlaube ich mir, eine Nachhilfeminute in Soziologie zu erteilen. Man
verfahre wie folgt:
- Man gründe mehr Privatsender mit „Crime-and-Sex-Programmes“ …,
- … überlasse immer mehr ausländische Schüler und Spätaussiedler ohne deutsche Sprachkenntnisse der Regelschule, natürlich ohne zusätzliche Förderung ...,
- … senke das Bildungsniveau in überbevölkerten „Bildungsfabriken“ ...,
- … verwässere verwaltungsaufgebläht die Durchsetzung der fundamentalen Jugendschutzgesetze ...,
- … toleriere dumme Jugendzeitschriften, welche die Jugend de facto um des Profits willen verachten, indem sie ihre Leser durch Vortäuschung falscher Lebenssichtweisen in die Irre führen, usw. usw.
Und
dann werden sich Professoren als nützliche Idioten dieser
Philosophie finden und den Pädagogen und Schülern „Medienkunde“
als Unterrichtsfach anbieten! Die erforderlichen Unterrichtsstunden
wird man in naturwissenschaftlichen Fächern und vielleicht in
Deutsch und Mathematik einsparen oder sie entsprechend integrieren.
Ein
Staat, und sei er noch so demokratisch, der seine Schüler zum großen
Teil für krank, der Therapie bedürftig erklären müsste, wäre von
der Wurzel her marode, er wäre selbst die Krankheit. Die Therapeuten
hätten wirklich ein unübersehbares Betätigungsfeld vor sich: die
Parlamente sowie Opportunisten aller Art. Allein, die Therapeuten
gibt es nicht. Dieses System kann nur noch auf Wunderheiler hoffen. –
Oder auf mutige Nonkonformisten, die weder „Gott noch Teufel“
fürchten.
©
Raymond Walden
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