1999
Die
Deutschen sind keine „Herrenrasse“ und waren es auch nie,
deprimierender konnte die Selbstüberhöhung der Nazis nicht enden
als in millionenfachem, weltweitem Leid, mit der Bankrotterklärung
der Menschlichkeit. Und nichts anderes steht zu erwarten, wenn sich
andere Völker für „auserwählt“ halten, weil ihnen die
jeweiligen Politiker oder Religionsfürsten dies suggerieren. Im
Besonderen meine ich das orthodoxe Judentum. Laut einer dpa-Meldung
vom 14.2.1985 haben die Anhänger dieser Religion wirklich
weltbewegende Sorgen: „Jüdische Frauen dürfen sich nach
Auffassung des orthodoxen Oberrabbinats in Jerusalem nur künstlich
befruchten lassen, wenn der Samenspender kein Jude ist. Eine
künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Juden halten die
Oberrabbiner für unvereinbar mit dem jüdischen Religionsgesetz. ...
Die Zugehörigkeit des mit dem Samen eines nichtjüdischen Spenders
gezeugten Kindes zum Judentum bleibt gesichert: Jude ist nach uralter
Definition derjenige, der eine jüdische Mutter hat.“
In
diesem Zusammenhang wiederhole ich mich: Aufgrund der einander
widersprechenden und befehdenden Religionen ist es unsinnig und dem
Frieden keineswegs zuträglich, irgendeine Religion in
staatsbestimmende Funktionen zu erheben.
Insgesamt drei Stunden widmete das
Westdeutsche Fernsehen am 9.12. und
16.12.1996 Professor
Yeshayahou Leibowitz aus Israel. Der Mann, eine im Lande umstrittene
„graue Eminenz“, stellte sich aber eigentlich als exemplarischer
religiöser Chaoszeuge dar. Unter Berufung auf Religionsschriften
folgerte der Gelehrte (wobei mir nicht ganz klar wurde, inwieweit
Ironie eine Rolle spielte): „Über Werte kann man nicht streiten,
sondern nur Krieg führen.“ Man könne Werte also nicht auf
Verstandesebene begründen und vermitteln. Das allerdings meint ja
wohl im Klartext, dass Religion als ein Wert der jeweiligen
Gesellschaft nicht hinterfragt werden könne, dass es das Schicksal
der Menschheit sei, sich immer wieder auf religiöser Basis zu
zerfleischen. Leibowitz forderte nun keineswegs zum Krieg auf,
sondern verlangte – für die israelische Regierung äußerst
unangenehm – nach mehr Demokratie durch Minimierung des Staates
über das Individuum. Er beklagte zutreffend die Unterdrückung der
Menschenrechte und Anwendung der Folter durch den israelischen Staat
in den besetzten Palästinensergebieten. Er forderte sogar die jungen
Israelis zur Kriegsdienstverweigerung in den okkupierten Landesteilen
auf und wurde nicht müde, die Parallelen des israelischen
Nationalismus zum Hitler-Regime aufzuzeigen: „Es gibt Juden-Nazis!“
Die
vielen Gründe für den religiös-orthodoxen Einfluss – das wird
öffentlich geschickt verschwiegen - liegen, wie wir zuvor bei der
Definition der Zugehörigkeit zum Judentum erfahren haben, in einem
radikalen Sendungsbewusstsein, welches demokratische Prinzipien an
sich rigoros ablehnt, für die eigene Ideologie aber vehement
einfordert. Vergessen wir nicht, dass der so religiös geprägte
Staat Israel, unfriedlich im Innern wie nach außen, als Produkt
amerikanisch-westlicher Protektion besteht, begründet in einem
einflussreichen Judentum in jenen Staaten. Trotz der
Netanjahu-Regierung bleibt die Hoffnung, dass sich auch in Israel
eines Tages das Volk durchsetzen und seine Regierung die Kraft haben
wird, den ganzen Bibelballast diplomatisch geschickt zugunsten einer
weltoffenen Humanität abzubauen. Im globalen Interesse kann man dem
israelischen Volk nur Glück wünschen auf seinem Weg in einen
demokratisch verankerten Frieden mit seinen ihrer Religion wegen
ebenfalls religiös äußerst problematischen, weil
fundamentalistischen Nachbarn.
©
Raymond Walden