November
1997
Vor
Bischöfen aus Großbritannien äußerte der Papst „auf dem Weg zum
Jahr 2.000 solle sich die Kirche von den Irrtümern der Vergangenheit
reinigen“ und „um Vergebung für ihre Irrtümer und Sünden
bitten“. („Neue Westfälische“, 24.10.97) Der Papst sagte
nicht, worauf sich das konkret bezieht. Es dürfte sich wohl um die
Altersheiligkeit handeln, die Gewissenserforschung hält, an Sünden
leidet, die sie nicht definiert, die aber offenbar trotz des
Unfehlbarkeitsanspruchs begangen worden sind.
Ich
erinnere mich an meinen kindlichen Beichtunterricht: Voraussetzung
für Vergebung sind das klare Bekennen der Missetat, die Reue und der
gute Vorsatz. Der Beichtvater wollte schon genau wissen, wie oft ich
freitags Fleisch gegessen, wie und wodurch ich unkeusch gehandelt
hatte. - Fazit: keine Absolution für den schweren Sünder in Rom!
Derweil
sorgt US-Präsident Clinton wieder einmal für ein aufgeheiztes
Klima, und zwar durch aufgeblasene Ankündigungen, den
amerikanischen Treibhausgas-Ausstoß zwischen den Jahren 2.008 und
2.012 auf das Niveau von 1990 zu senken. Ich mag nicht an einen
Irrtum Clintons glauben. Gezielt geht er seine Umweltsünden an,
dadurch zur Reue unfähig, und der gute Vorsatz heißt bei ihm
persönlicher Machterhalt und Untermauerung der amerikanischen
Vormacht. Dass seine Umweltvernachlässigung in Wirklichkeit Menschen
trifft, kaschiert der Diktator des Kapitalismus mit breit grinsendem
„God bless America“.
Dagegen nimmt sich ein erneutes
rechtsradikales Schmuddelvideo in Bundeswehrkreisen wie ein
Bauklötzchenspiel aus, auf das nun in einem Entrüstungssturm der
Meinungen eingedroschen wird. Allein die Scheinheiligkeit widert an:
Ein paar Wirrköpfe bei den „Bürgern in Uniform“ stellen längst
keine gravierende Gefahr dar, wenn man ihnen nur konsequent
begegnete. Allein, der militärische Zinnober an sich fußt
eindeutig auf rechtsnationalem Schwulst, und da beißt sich der
mörderische Apparat selbst in den Stahlhelm; den man zum Töten
aufsetzt. Nach der Schlacht heißt es: Helm ab zum Gebet!“
Selbstverständlich mit dem Gelöbnis, weiterzutöten.
Scientologen, mühsam
zusammengekratzt aus verschiedenen Ländern, forderten am 27. Oktober
1997 in Berlin „Religionsfreiheit“ à la USA: „Auch die
Gedanken eines Ron Hubbert sind frei.“ Das trifft natürlich
prinzipiell für jeden Idioten zu. Dass diesem okkulten Vorgehen im
Einzelfall nicht Einhalt geboten werden kann, ist auch ein Resultat
der allgemeinen Religiosität beziehungsweise Esoterikausrichtung,
die noch jeden einverleiben möchte, so er nur frei genug ist, Logik
und Kausalität zu verteufeln. Wenn „Religionsfreiheit“ als
Schrankenlosigkeit der Dummheit akzeptiert wird, stellt
Religionsfreiheit den entscheidenden Irrtum der Menschheit dar, der
letztlich zum Untergang führen wird. So oder so steht aber die
Freiheit des Denkens als Mut zur Entfaltung des Menschen im Gegensatz
zu religiöser Leib- und Geisteseigenschaft.
Eigentlich widerstreben
mir derartig heroische Worte, aber ich fürchte, ohne Schwarzseher zu
sein, dass uns die allgemein zugänglichen technologischen
Fortschritte nur noch weitere okkulte und verblödete Abgründe als
salonfähig eröffnen, deren Irrtümer in der Zukunft immer heftigere
Verelendungen erzeugen werden. Jegliches Hoffen auf die Träume und
Intentionen junger Generationen wird zum Trugbild.
Noch
einmal „Schwarzseher“: Besteht die Welt nicht fort, trotz aller
früheren Pessimisten? Ja, sie existiert, denn dem ungebremsten Drang
nach Fortpflanzung gemäß rücken so viele neue Menschen nach, dass
man die Zigmillionen Opfer von Grausamkeit übertüncht.
Das
sind Irrtümer, die nur durch Wachsamkeit zu überwinden sind, nicht
allerdings mit einer Nachtwächtermentalität, die einerseits auf
jugendliche Unerfahrenheit, andererseits auf Altersvergesslichkeit,
oder sogar -resignation setzt.
©
Raymond Walden