September
1997
… der
Illustrierten BUNTE
komme
ich mir vor wie in einem Spiegelsaal der Gesellschaft mit einer
prallen Porträt-Galerie. Das Spiegelglas ist altersfleckig
eingetrübt und hier und da gesprungen. Gesichter allenthalben,
glasig, aufgedunsen, aufgemotzt mit dem betuchten Lächeln oder gar
Grinsen von Reichen, "Schönen" und Mächtigen. Hinter den
Fassaden verbirgt sich die geballte Leere gläserner Schädel, sind
eingeweckte Gehirne, die ihren ewigen Schwachsinn via Glasaugen
projizieren. Allein, ein Heer von Fotografen und Reportern ist mit
den „Stilaugenäußerungen“ nicht befriedigt. Das Innere muss
doch irgendwie zu outen sein! Da kommt Bewegung in das
Kristall-Szenario. Gesichter verwandeln sich in Ärsche, worauf sich
eine Kriechorgie auf Lackpapier dokumentiert.
Selbstverständlich sind
alle Mitarbeiter der „BUNTEN“ ehrbare Leute, die ich keineswegs
verunglimpfen möchte. Doch was kann ich dafür, wenn ich beim
Blättern so abstrus bunte Gedankenbilder entwickle? Das Heft wird
mir noch einige Zeit ins Haus flattern (Gewinn in irgendeinem
Preisausschreiben).
Ausgabe 41/97 weidet sich
an SPD-Schröders Scheidung, parallel zu einer Scheidung im
Adelsmilieu – ein wahrlich genialer Vielleicht-Kanzler, der so ein
Theater aufführt! Auch die Nachfolgemodelle von Claudia Schiffer
werden die Welt nicht bewegen, höchstens kapitalistische Konten.
Ach, und dann hat Frau Wepper die Promi-Droge Kokain genommen? "Was
Diana trug, wurde Mode". Donnerwetter - das wird "Deutschlands
buntestem Vogel", Rudolph Moshammer kaum Einbußen bescheren,
denn der weiß sogar etwas über Ödipuskomplexe und hat aus
"Gewissenhaftigkeit" keine Kinder. "Die Berge rufen"
– und Reinhold Messner spinnt schon wieder vom Yeti, Promis haben
"Visionen für das nächste Jahrtausend", "der
seltsame Reichtum von Dodis Vater", "Hochzeit in Spanien,
Hochadel im Festrausch", … Auch das noch: "Focus-Zauber
mit der Macht"; Herbert Burda und Chefredakteur Markwort hatten
geladen und die Politprominenz gesellte sich, anhand einer Fotoserie
selbstverständlich dokumentiert, zu allen möglichen anderen, auch
sehr "wichtigen" Leuten, die in Wahlperioden oder
Meisterschaftszyklen denken. Gar noch nicht erwähnt, die durchweg
aufrichtige Reklame, überhaupt die vielschichtigen
Blabla-Lebenshilfen.
Tonnenweise Sondermüll!
Unsere Zeit leidet an folgendem Fakt: Hochglanzpapier, wie es bei
Illustrierten verwendet wird, ist griffiger als jede Rolle
Toilettenpapier.
©
Raymond Walden