Das Wort „Sterbehilfe“ ist derartig tabubelastet, dass es geradezu tödliche Sprengkraft verkörpert. Weltanschauliche Emotionen verhindern bisher eine verantwortungsbewusste, an objektiven Fakten orientierte und vor allem der Humanität verpflichtete Diskussion.
Eine immer höhere Lebenserwartung treibt zunehmend in Pflegebedürftigkeit und in häufig langes Siechtum, die gewonnenen Lebensjahre im Alter bedeuten individuell langes Leiden und gesellschaftlich eine schon bald nicht mehr zu erfüllende Finanzleistung der arbeitsfähigen Generation.
Trotz aller archaischen und modernistischen Verdrängungsmechanismen rückt das Sterben, weniger der Tod, in den Brennpunkt jedes Einzelnen, und wer von einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung spricht, wird auf Dauer nicht länger an dem Begriff vorbei kommen: „Recht auf einen würdevollen und Leiden minimierenden eigenen Tod“.
Die unverzichtbare Basis für dieses Recht ist das Recht auf Leben, und zwar ein Leben in Würde, Selbstbestimmung, freiheitlich-demokratischer, gleichberechtigter Verankerung, die keinerlei ideologisch einengende Bevormundung akzeptiert, die eine Ethik aus der Menschenwürde herleitet mit einem verbindlichen, unantastbaren Wert gegenüber allen religiösen Unterwerfungsphilosophien.
Die Märchen über Götter, letztlich als Garanten des Leidens, gehören ins philosophische Panoptikum.
Hingegen steht die Menschenwürde über jedem Patriotismus, höher als politisches Kalkül und gebietet ohne Ausnahme jedem, niemanden gegen seinen Willen zu töten (Sonderfall: Notwehr.).
Das ist die einzige Ethik, die sich unmissverständlich am Individuum und nicht an Ideen, Ideologien, Herrschern oder Mode ausrichtet – Ethik im eigentlichen Sinne.
Das gängige medizinische Ethos äußert sich kurz etwa so: „Aufgabe des Arztes ist die Heilung und nicht die Tötung.“
Damit ist die Sterbehilfe vom Tisch.
Neuerdings schleicht sich eine Zögerlichkeit in die Diskussion, denn man wägt ab zwischen „aktiver“ und „passiver“ Sterbehilfe. Die aktive Hilfe durch Gabe einer tödlichen Medizin wird geächtet, die passive Hilfe durch Beenden lebensverlängernder Maßnahmen gelangt in den Bereich des Möglichen.
Während man im Allgemeinen bei Militäreinsätzen wie selbstverständlich und skrupellos junge Menschen in den Tod schickt, sie ihrerseits zum Töten entsendet, verweigert man in offensichtlicher Scheinmoral unheilbar Schwerstkranken und Alten den von ihnen ersehnten Tod. Und nur darum geht es, sterben wollenden Menschen in objektiv aussichtsloser Lage den sanften Gnadentod zu gönnen, wie er in der Tiermedizin längst üblich ist.
Es kann nicht sein, diesen würdigen schmerzlosen Tod unter Berufung auf Missbrauchsgefahren und mit Hinweisen gar auf das Dritte Reich weiterhin zu verhindern, Sterbehilfe zu kriminalisieren.
Angesichts des zunehmenden Ausmaßes der Leiden ist es die zwingende moralische Pflicht einer humanen Gesellschaft, die entsprechenden juristischen und humanmedizinischen Absicherungen zu schaffen, um Missbrauch so weit wie möglich auszuschließen, um sich optimal der Leidenslinderung und –verkürzung zu widmen.
Dazu bedarf es klar vorgegebener Möglichkeiten der freien Willensverfügung eines jeden Menschen, mit regelmäßig schriftlichen Aktualisierungen während der Zeit seiner vollen geistigen Bewusstheit.
Dazu bedarf es einer zu etablierenden Vernetzung der Entscheidungen unter Mitwirkung des Betroffenen (Vorausverfügungen), Angehöriger, Mediziner, Juristen, gegebenenfalls weiterer Gutachter.
Eine Gesellschaft , die sich des Einsatzes von Hightech rühmt, muss auch diesen Apparat zum Vorteil Leidender dahingehend verwenden, dass sinnloses Leid ein menschenwürdiges leichtes Ende hat.
Wer in seinem religiösen Glauben lieber leidend dahinsiechen möchte, dem darf ebenso konsequent nichts anderes aufgezwungen werden.
Es geht um nichts weniger als den selbst bestimmten würdigen eigenen Tod. Wer um aktive Hilfe bittet, muss sie in gesichertem gesellschaftlichen Rahmen bekommen.
Alles andere ist eine unterlassene Hilfeleistung.
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