Immer wieder haben sich im Laufe der Menschheitsgeschichte Religionskritiker Gehör verschafft, doch waren es nur wenige, die zum Beispiel in die Literatur eingingen – quasi als Teil eines geistigen Erbes. Die meisten Skeptiker verschwanden einfach durch Nichtbeachtung oder durch die Gewalt der Obrigkeit.
Kommunisten wie Marx und Engels bilden insofern eine Ausnahme, dass sie zwar auf Distanz zum Gottesbegriff gingen, ihre Lehre aber genau nach kirchenerprobtem Muster gewaltsam zur Ersatzreligion umfunktioniert wurde. Nichts anderes stellte der Nationalsozialismus unter Berufung auf andere „Götterdämmerungen“ dar.
Seit Jahrtausenden haben sich die religiös rigorosen Unterwerfungsmethoden in die Menschheit, in alle Kulturkreise eingegraben, sie haben sich evolutionär dermaßen verankert, dass man mit Selbstverständlichkeit formuliert, es sei ein Wesensmerkmal des Menschen, nach Transzendenz zu verlangen.
Dass dies bisher so war und ist, bestreite ich nicht. Dass dies aber so bleiben müsse, bezweifele ich ganz entschieden.
Trotz und wegen der religiösen Einbettung der Staaten und Völker beklagt man immer wieder die menschliche Hybris, das sich selbst Überschätzen, die Arroganz, die Überheblichkeit als krasses Gegenteil von Demut vor Gott.
Diese Hybris wuchert weiter mit jedem wissenschaftlich-technologischen Fortschritt, denken wir beispielsweise an die Genforschung, besonders in der Humanmedizin mit den noch ungeahnten Möglichkeiten des im wörtlichen Sinne Missbrauchs.
Da helfen keine Ethik-Kommissionen irgendwelcher Popen und „Weltreligionen“, die ihre eigenen Autoritäten auf eben einer Hybris aufbauen, nämlich der irrwitzigen Selbstüberschätzung unter Berufung auf irgendwelche abstrusen Gottheiten. Es handelt sich um Herrscher, die das um Ehrlichkeit bemühte menschliche Individuum klein und dumm halten, es belügen, um egoistisch, gar Gott ähnlich oder in seinem Namen zu walten.
Der Zustand der Welt im Jahre 2010 trägt viele Merkmale der religiös stets beschworenen Apokalypse, denn Religionen feiern die Abkehr vom realen Leben, die Flucht ins fiktive Jenseits.
Bleiben wir unsererseits realistisch, ein Ende des Gotteswahns als Massenbewegung ist nicht in Sicht.
Ebenso wenig existieren aber Weltverschwörungen, denn die häufig postulierten Verschwörer wären auf Dauer mindestens so verfeindet wie die Religionen untereinander. Die in jedem Falle menschenverachtenden Gedankengebäude offenbaren eine Bewusstseinsspaltung, das heißt: Das an sich leistungsfähige Gehirn wird seit unzähligen Generationen auf Fehlhaltungen getrimmt. Der gesundheitliche Schaden des Menschenverstandes dokumentiert sich im gegenwärtigen Weltchaos deutlicher denn je.
Mich erreichte eine Zuschrift:
„Deine kosmonomischen Gedanken/Thesen sprechen mir aus der Seele! Mir ist jedoch keine Staatsform bekannt, die nach derart human-idealistischen Grundregeln handelt oder je gehandelt hätte. Ich befürchte auch, dass es viel zu viele Menschen gibt, die durch falsche, lieblose und aggressionsgeladene Prägung gar nicht in der Lage sind, Deinen kosmonomischen Gedanken zu folgen. Die Hirnforschung bringt diesbezüglich immer wieder interessante Erkenntnisse, wie durch frühkindliche Beeinflussungen ganze Hirnregionen günstig forciert werden können, aber genauso auch fatale Rückbildungen und Fehlentwicklungen möglich sind. Ich glaube, wir haben keine Vorstellung, wie viele kranke Gehirne weltweit unterwegs sind und die Hoffnung, dass Deine als „Kosmonomie“ bezeichneten Werte von so vielen Menschen „getragen“ würden, dass sich weltweit etwas positiv verändern könnte, erscheint mir gleich Null. ...“
Richtigerweise wird hier beschrieben, was ich mit dem Begriff „Interimsmensch“ zu charakterisieren versuche, nämlich einen unfertigen Status des Menschen, der definitiv eine evolutionäre Sackgasse darstellt. Er wird massenhaft zugrunde gehen, während sich aber zunächst nur zögerlich der aufgeklärte, der „sich humanisierende“ Mensch bewähren wird.
Durch Bildung wird er aus sich heraus erstarken, wird nicht indoktriniert, besser, wird sich nicht indoktrinieren lassen wie er auch keiner Partei angehören wird, weil seine individuelle Freiheit niemals einen Fraktionszwang akzeptiert.
Die Hybris des Interimsmenschen ist also eine doppelte: einerseits die wissenschaftlich-technologische Überdrehtheit und andererseits das Leben im Vertrauen und unter Berufung auf Götter. Diese Hirngespinste werden gelobt, um Gnade angefleht, obwohl sie in ihrer Allmacht nicht nur das Schöne, sondern objektiv auch das grausamste Leiden zu verantworten hätten, was jedoch glaubensmäßig zu verdrängen ist.
An „Ground Zero“, wo der Papst für die Opfer betet, hat genau der Gott zugeschlagen und den Terroristen ewiges Heil im Himmel eingeflüstert.
Für die Erdbebenopfer in Haiti beten die Gläubigen weltweit zu dem Gott, der diesen sowieso schon ärmlichsten Inselstaat durch seine unendliche Güte „gesegnet“ hat.
In dieser Bewusstseinsspaltung sich als Krone der Schöpfung aufzuspielen, ist die Hybris schlechthin.
2 Kommentare:
Kosmonomie, der Interimsmensch und die Evolution (Teil 1)
1. die Breite Masse des Volkes ist per im Artikel geschriebener Definition ein Interimsmensch
2. der Interimsmensch braucht Zuspruch jeglicher Natur, um sich mit seinen Ängsten und Problemen und v.a. seiner Unwissenheit auseinandersetzen oder – besser noch – sich davon abwenden zu können
3. diesen Zuspruch bieten ihm ideologische oder religiöse Gruppierungen, die ein Pseudowissen als einfache Antwort auf die grundlegendsten Fragen des Interimsmenschen anbieten
4. der Interimsmensch wird dadurch leicht beeinfluss- und lenkbar
5. dies wird gezielt von weltlichen und religiösen Oberhäuptern ausgenutzt, die die Schwächen und Ängste des Interimsmenschen erkennen und gewinnbringend für sich eingesetzen
6. diese Oberhäupter haben mit Humanität und Kosmonomie nicht viel im Sinn, erkennen aber jene, die ihnen mit diesem Gedankengut die Basis beim Interimsmenschen abgraben wollen
7. der Interimsmensch ist in der breiten Masse nicht für die Grundideen der Kosmonomie zu gewinnen – Gott versus Naturgesetze…
8. daher wird der Interimsmensch eher einem geschickten Populisten folgen als einem Kosmonomen – was ersterer gegen letztere einsetzen wird
9. das Ergebnis: diejenigen, die sich durch die Formulierung einer besseren Welt getragen durch Humanität, basierend auf dem "Glauben" an die Naturgesetze hervortun, müssen letztendlich unter Pseudonym in Chat-Foren auftreten, um sich Anfeindungen zu entziehen
10. ist das wirklich die nächste Stufe der Evolution? Während sich der Interimsmensch stärker fortpflanzt (Geburtenraten in der Mittelschicht klar höher als in der intellektuellen Schicht) ziehen wir uns in den Untergrund zurück, um ungemerkt von der breiten Masse unsere Ideale und Ideologien auszutauschen. Wir werden zahlenmäßig immer in der Unterzahl bleiben, werden per Einschüchterung durch Interimsmenschen, geführt durch die entsprechenden Oberhäupter, immer wieder an unserem eigenen humanen Grundgedanken scheitern müssen. Eine Begegnung der Einschüchterungen mittels Gewalt verbietet sich von selbst, es bleibt das geistige Exil.
Kosmonomie, der Interimsmensch und die Evolution (Teil 2)
11. die breite Masse der Menschen einen "unfertigen Status des Menschen, der definitiv eine evolutionäre Sackgasse darstellt" zu bezeichnen hebt sich in nicht von den Floskeln der oben angeführten Oberhäupter ab, ähnelt Sprüchen wie "der Ungläubige atmet nur mit einer Lungenhälfte". Diese Bezeichnung ist daher eher Ausdruck des einen Teils der angeführten menschlichen Hybris – Selbstüberschätzung, Arroganz und Überheblichkeit – als Ausdruck einer wissenschaftlich begründbaren Notwendigkeit. "Er wird massenhaft zugrunde gehen, während sich aber zunächst nur zögerlich der aufgeklärte, der „sich humanisierende“ Mensch bewähren wird.": Ausdruck einer Realitätsferne, wieso müssen im Sinne einer humaneren Weltordnung ebenfalls (wie bei nahezu allen Religionen) die Plattitüden des Massensterbens und der Überlegenheit der eigenen Ideologie, die den Fortbestand sichern wird, herangezogen werden? Sollen hier die Ängste beim Interimsmenschen im Sinne des Punktes 5.) ausgenutzt werden?
12. Evolution wird getrieben durch Überlegenheit von Fähigkeiten, Geschicklichkeiten, Kraft in einem definierten Umfeld, die über einen langen Zeitraum hinweg einen Selektionsvorteil verschafft – was ist der Selektionsvorteil der kosmonomischen Weltanschauung? Die Ideologie als solche verbietet eine gezielte Einschränkung des heranzuziehenden Gedankenguts, mit dem ein jeder Mensch sich seine eigene Vorstellung der Welt, der Gesellschaft und des Lebens zusammenfügen darf – und der Interimsmensch wird die zentrale Rolle eines Gottes zwanglos kaum aufgeben. Fehlende Intelligenz kann im Zeitalter der käuflichen Technologie durch skrupellose Bedienung derselben überkompensiert werden, stellt also auch keinen notwendigen Selektionsvorteil dar. Ergo: auf eine Blütezeit des kosmonomischen Gedankens basierend auf einer evolutionären Erkennung der Überlegenheit desselben in der breiten Masse sollte nicht gewartet werden – und eine gedankliche "Säuberung" widerspräche jeglichem humanen Gedankengut.
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