Erst recht eine freiheitliche Grundordnung verlangt nach ständiger Kultivierung, die einerseits Gedankenlosigkeit, Mitläufertum und Passivität eindämmt und andererseits Ideologien, Indoktrination, Dogmatismus und Korruption aufdeckt. Nur ein wissbegieriger und gebildeter Mensch als aufrechte und standfeste Persönlichkeit kann dem Anspruch gerecht werden. Die Besinnung auf die eigentlichen und nicht die „offenbarten“ Werte des Lebens stellt die wesentliche Herausforderung für eine menschliche Zukunft dar.
Als Kind glaubte ich, ein erdverbundener Mensch zu sein, konnte ich mir doch kaum ein Leben woanders als am Gudelacksee in Lindow/Mark vorstellen. Die politischen Verhältnisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlösten mich glücklicherweise, seinerzeit aber sehr schmerzlich, und sollten mich zu völlig anderen Horizonten führen. Nie vergaß ich jedoch so ganz den Duft der harzigen Kiefern und der blühenden Linden. Manche tiefe Ahnung über das Sein entnahm ich dem märkischen Sand, den Seen und den Wasserwegen. Die Menschen empfand ich eher untergeordnet, ohne sie dadurch abzuwerten.
Das war im Alter von dreizehn Jahren.
Heute noch – oder jetzt gerade – relativiere ich Grund und Boden, das Land, im Bewusstsein der kurzen menschlichen Lebensperiode, schöpfe daraus Verbundenheit wie Distanz, vor allem aber klare Positionen gegenüber erdigen Traditionen, einfältigen Deutungen und unsinnigen Religionen.
Es gibt keine anderen Religionen als unsinnige.
Erst in reiferem Alter konnte ich wirklich dazu stehen, besonders wegen der Rücksichtnahme auch auf meine Familie.
Seit einigen Jahrzehnten lebe ich auf einem Grundstück von gut tausend Quadratmetern mit dem schönen Namen „Hohefeld“, einem ehemaligen Acker- und Weidestreifen auf einem Hügel, von dem der Blick Richtung Westen über das tiefer liegende Dorf schweift.
Laut irgendeiner Statistik befinden wir uns in der katholischsten Gegend Deutschlands, also im „schwarzen“ Paderborn.
Ich wünschte vielen Regionen eine ähnlich gute Infrastruktur und eine sich daraus ableitende Lebensqualität!
Geistig allerdings regiert hier die naive katholische Gläubigkeit, mit der man einen Kompromiss schließt, weil man viel reist und Kontakte außerhalb pflegt.
Dennoch, hier kann man Freiheit leben. Der Preis, sollte man sagen, „der Lohn“, ist die weitgehende öffentliche Nichtbeachtung, nicht etwa Verächtlichmachung, eher vielleicht eine Zurückhaltung aus Verunsicherung. Aber das beeinträchtigt nicht meine kleine Freiheit, pardon, es ist eine grandiose Freiheit.
Täglich genieße ich den Blick aus dem großen Westfenster meines Hauses, betrachte die Natur, lese, schreibe, höre Musik (oder nicht), weiß mich, wenn nötig, jederzeit mit aller Welt über vielfältige Kommunikations- und Massenmedien verbunden: Diese Zeit, sie ist Teil meiner Lebenszeit, teile ich nur mit mir lieben Menschen, in meiner eigenen Besinnung und Bestimmung, nie vergessend, dass auch diese Freiheit keine Absolutheit bedeutet.
Aus dem Dorf reckt sich keck ein spitzer Kirchturm in die Himmelsgegend, wo von meinem Logensitz aus die Sonne etwa zur Tagundnachtgleiche, also zum Frühlings- und Herbstanfang untergeht. Im Jahreslauf schwankt der Sonnenabstand zum Turm eindrucksvoll weit nach Süden im Winter und nördlich im Sommer. Die farbenprächtigen Einspielungen des täglichen Sonnenabschieds stehen keiner Urlaubsregion nach, besonders wenn sich die Häuser, Bäume und Felder vor der untergehenden Tagesregentin märchenhaft abdunkeln, hier und da noch ein Glimmen zwischen Giebeln oder Ästen. Auf der Horizontlinie oberhalb des Dorfes verraten weiße und rote Autobeleuchtungen, dass genau hier eine Straße entlang führt. Diffundierende Kondenzstreifen von Flugzeugen durchfurchen die sich immer dunkler öffnenden Himmelstiefen, hin und wieder erstrahlt für kurze Momente einer der Flieger in punktueller Reflexion. Oder Venus als glänzender „Abendstern“ demonstriert – nicht zuletzt an meiner Kirchturm-Bake – ihre Gesetze der Bahngeometrie. Selten lässt sich Merkur, der innerste Planet, entdecken. Und immer wieder der ästhetische Anblick der schmalen Mondsichel nach Neumond, bald auch bei anschwellender Nacht mit aschgrauem Licht der übrigen Mondlandschaften.
Eine Westströmung bestimmt hier zumeist das Wetter, Wolkenformationen werden herangetrieben, bauen sich aber auch erst hier auf, denn vom fernen Meer steigt die Luft erstmals am Eggegebirge empor, dem südlichen Ausläufer des Teutoburger Waldes. Oftmals wirken die Wolkenturbulenzen bedrohlich in ihren Aufhäufungen und Walzen bei stürmischen Lüften. Aufkommende Gewitter zaubern Wetterleuchten weithin, um oft vorbeizuziehen, sich woanders zu entladen.
Beinahe jede der heute modischen „Unwetterwarnungen“ war hier unbegründet, die Winter brachten mehr oder weniger Schnee, die Sommer auch Hitze, manch einer hat sich erkältet oder seinen Kreislauf überanstrengt. Die Sterberate entspricht dem natürlichen Werden und Vergehen.
Das schon allgegenwärtige „Unwetterpotenzial“ fällt trotzdem auf fruchtbaren Boden: Die christliche Gläubigkeit konjungiert mit dem Klimawahn und erzeugt Allianzen von schrulligsten esoterischen und sogar dem Christentum widersprechenden Sichteinengungen. Über solche Blickwinkel lässt sich nicht ernsthaft diskutieren; ich toleriere sie, indem ich sie ignoriere.
Der Morgen lässt das Dorf gegenüber von der Sonne aufwachen, es steht für mich quasi in astronomischer Opposition, in hellstem Licht. Bei ruhigem Hochdruck steigen die Heizungsabgase aus den Schornsteinen senkrecht ins Blau, das Bellen des Kirchturms schallt herüber, das eine oder andere ferne Fenster blendet im Sonnenlicht. Oft jedoch ziert die Szene ein Einheitsgrau; Nebel, Wolken verdecken sogar die modernen Windmühlenflügel rundherum, mit denen Alternative die Strompreise auf Niveau trimmen. Die Totenglocke schlägt um elf Uhr, Pferde wiehern auf der Weide, Schafe blöken, halbstündlich hört man den Bus in die Stadt, im Landeanflug auf Paderborn rauschen vereinzelt Flugzeuge vorüber. Das Radio bringt kilometerlange Verkehrsstaus, Werbung, Katastrophenmeldungen oder Gottes Wort, also gleichbleibend Ähnliches. Getrost schalte ich aus. So frei bin ich ja.
Niemand wirft mir klappernd eines der bunt bebilderten Provinzblättchen in den Briefkasten, ich muss nicht wissen, wer den Vogel abschießt, noch welche Bratwurst gesegnet wird.
Ich suche nach hintergründigen Zusammenhängen, und so nutze ich die reichlichen Optionen des Internets und ausländischer Fernseh- und Rundfunksender. In ihrer offensichtlichen Gleichschaltung werden mir deutsche Medien nur noch suspekter, eine Zumutung auch an Verflachung. Auswärtige Medien sind keineswegs besser, doch im Vergleich ihrer jeweiligen Einfärbungen kommt man dem eigentlichen Wahrheitsgehalt ein gutes Stück näher.
Im Winter zieht das Futterhäuschen am Gartenteich eine bunt gefiederte, hungrige Gesellschaft an: ein fortwährendes Kommen und Gehen von lebensfrohen und lebenstüchtigen Gesellen, schüchtern und scheu, andere frech und dominant, eitel und futterneidisch. Aber keiner geht leer aus; es gibt keine vernichtenden Rivalitäten.
Manche lieben es, zum Eisloch im gefrorenen Teich zu fliegen, um zu trinken und zu baden. Im Wasser verweilen Zierfische, denen die Luftzufuhr eines tiefer liegenden Ausströmsteinchens offensichtlich gefällt.
Unter der Schneedecke schlummert auf den Feldern nördlich meiner „kleinen Freiheit“ die Wintersaat, Spuren im Schnee dokumentieren vielfältiges Leben. In südlicher Richtung, jenseits eines kleinen Tales trotzt ein dichter Mischwald allen Wettern, er sollte gemäß seinerzeitig üblicher Prognosen längst „gestorben“ sein, steht heute stolz wie eh und je und könnte die Menschen „was lehren“.
Schmilzt der Schnee dann irgendwann, beweisen Maulwurfshügel und Verwerfungen von Wühlmäusen, dass auch unterirdisch ein Universum seinen Rhythmen folgt. Noch mit Eisresten in der Uferzone erhält der Teich Besuch von liebestollen Kröten. Die Männchen sind oft so unwirsch, dass sie zu mehreren auf ein Weibchen losgehen, es arg in Bedrängnis bringen, dass es dabei sogar ertrinken kann. Ich beobachtete derartig verblendete Männchen, die auf alles aufzusatteln versuchten, was sich im Wasser bewegte, so auch auf Fische, die sich am seichten Ufer aus winterlicher Trägheit lösten.
Einige Wochen später erst blasen sich die Wasserfrösche begattungsbeflissen auf und quaken ihre Stimmung hinaus in das allgemeine Frühlingserwachen.
Unkenrufe erschallen bereits wieder über die Gefährlichkeit der Sonnenstrahlen. Ozon am Boden oder als Loch in der Hochatmosphäre ist so schädlich, dass es einem den Frühling und Sommer verhageln könnte. Und ach, die Scharen von Wetterfühligen und Wetterfürchtenden, die sich von telegenen Wetterschwätzern einnebeln lassen! Mehr noch die Schadstoffverzeichner, die überall Gift erschnüffeln, verantwortlich für Allergien und Krankheiten und vor allem psychische Schäden. Man glaubt nicht, wie dramatisch ein Wespenstich wird, welche Lebensbedrohung ein Waldspaziergang durch Zeckenalarm darstellt und welche Waldbrandgefahr nach einer Woche ohne Regen emporknistert.
Das Leben, empfunden als ein einziges Risiko, lässt sich versichern gegen alles, vor allem gegen Geld. Und zu Risiken derartiger Verunsicherungen „fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“, lesen Sie Gesundheitsmagazine, lassen Sie sich von windigen Geschäftspraktikern übers Ohr hauen, falls Ihre Lauscher nicht sowieso zugedröhnt sind von den Schmerzensschreien der Weichlings-Gesellschaft.
Die wuchernde Bürokratie dieser Spezies regelt Ihre Beziehungslosigkeit zur Natur auf umweltgerechten Papierstößen, ideologisch grün in tristem Grau und alternativer Hoffnungslosigkeit.
Geld verrottet nicht, es verflüchtigt sich wie Alkohol als Schnapsideen umwelttrunkener Weltfremdheit, während es noch rasanter verdampft in hemmungslosen kapitalistischen Schändungen von Mensch und Natur. Das können nicht einmal seriös wirkende Parkettauftritte von Börsenanalysten vertuschen, deren hochtrabendes Aktien-Palaver in den Tagesnachrichten höchstens raffgierige Insider, nicht aber die Allgemeinheit interessieren kann.
Meine Zeit messe ich in wahrer Ortszeit anhand einer individuell gestalteten Sonnenuhr, welche neben der Tageszeit auch das Datum und den Sonnenort im entsprechenden Sternbild zeigt. Ich spreche nicht von sterndeuterischen Sternzeichen, deren Verschrobenheiten auf meiner libertären Terrasse auch nicht ein Pünktchen Platz beanspruchen können. Die Sonnenuhr ruht auf einem Lava-Basaltblock, der für mich gleichzeitig die gewaltigen geologischen Zeitspannen verkörpert, während ich mit meinen bescheidenen Lebensjahren zu Gast bin auf dem „Hohefeld“.
Lange beobachtete ich hier durch das Teleskop meiner kleinen Sternwarte den aktuellen Sternenhimmel, heute richte ich vermehrt meinen Blick auf den Menschen, die Menschheit vor dem Hintergrund des Kosmos und einer technologisch bedingten Globalisierung.
Während unsere Gärten und Felder in der Regel blühen und Früchte zeitigen, stellen sich die Verhältnisse in vielen Teilen der Welt bescheidener dar, und nicht immer sind klimatische Auswirkungen dafür verantwortlich, sondern Weltanschauungen der Bewohner und ideologische Regierungsprinzipien, die nicht selten aus Kolonialzeiten herüber reichen und oftmals nicht ohne europäische Verantwortung die heutigen Notlagen eskalieren lassen. Entwicklungshilfe verpufft, als hätte sie die vorrangige Aufgabe, die reichen Gesellschaften hier in ihrer ungebremsten Ausbeutermentalität moralisch zu beruhigen.
Zu solchen und ähnlichen Gedanken gelange ich, wenn beispielsweise Kraniche über meine „kleine Freiheit“ ziehen oder wenn auf einem entfernten Hügel das britische Militär seine Hubschrauber-Besatzungen etwa für den in nichts zu rechtfertigenden Irak-Krieg trainiert. Nun, könnte man einwenden, es sind doch nur die ausländischen Besatzertruppen, vor allem die amerikanischen, welche die umerzogenen Deutschen gar nicht mehr als Besatzer empfinden, nein, Deutschland führt ja ebenso bereits wieder mit eigenen Soldaten Krieg. – Es regt niemanden auf.
Aber die heraufbeschworene Terrorgefahr trifft die träge Masse tief in ihre verfettete Bequemlichkeit.
Immer wieder verblüffen mich die Intelligenz und das Geschick der Tiere, wie Elstern oder Krähen ihre Nester sturmsicher im Baum verankern, wie die Spechte genau wissen, wo sich das Hämmern lohnt, wie die Schwalben im Sommer Insekten direkt von der Teichoberfläche abfischen. Das Kaninchen nutzt die Deckung einer Senke in absoluter, wacher Bewegungslosigkeit, der Frosch im Moos tut es ihm gleich. Klugheit und Instinkt schützen im Tierreich das Überleben, denn andererseits lauern die taktierenden Jäger überall.
Eigentlich ganz anders der Mensch, er könnte es sich intelligent und entspannt menschlich einrichten, denn unmittelbare Jagdverfolgung hat er im normalen Alltag nicht zu fürchten. Stattdessen aber leidet er in einer intelligent verlogenen und hemmungslosen Gesellschaftsform unter fortwährender Rivalität, die sich vor allem auf beruflicher Ebene gnadenlos stilisiert. Nicht der Geeignete, der Qualifizierte, sondern der Stärkere, der Mächtigere, der skrupellos Gerissenere, der Gefügige, auch der Schleimigere bekommt zu oft den Posten. Die Existenz steht auf dem Spiel, nicht viel anders als beim Tier, das sich tarnt und taktiert. Im modernen Lebenskampf geht es vor allem um eine ungenierte Gier nach materiellem Reichtum, der weltweit die Unterlegenen unter die sogenannte Armutsgrenze zwingt und auch den Hungertod ohne sonderliche Aufregung achselzuckend hinnimmt.
Vergleichsweise wenigen Menschen gelingt es, sich irgendwann aus solchen Gesellschaftszwängen zu lösen, wenn sie bereit sind, ihre eigenen Ansprüche neu zu sortieren, auch mit Traditionen und Tabus zu brechen.
Ausgeprägte Winter zeigen, wie anfällig beispielsweise das Verkehrswesen ist, sie beweisen aber auch, wie die Zivilisation sehr effektiv Schutz vor der Kälte, Nässe, Dunkelheit und auch vor Hunger ermöglicht. Dem Massenmenschen, zumindest in Mitteleuropa und Nordamerika, kam allerdings das Einfühlungsvermögen in die Jahreszeiten abhanden, trotz oder gerade wegen technischer Ausstattungen ist das Verhalten von stupidem, den natürlichen Verhältnissen gegenüber unangepasstem Forderungscharakter geprägt. Läuft es dann nicht mehr so ganz rund, ist ein sinnloses „Spezial“ im Fernsehen die zusätzlich aufbauschende Folge. Dabei könnten einfachste, rechtzeitige Vorsorgemaßnahmen so manchem „Chaos“ von vornherein jegliche Grundlage entziehen.
Der Wechsel der Jahreszeiten inszeniert ein ergreifendes Schauspiel, dem von massenmenschlicher Seite her die Zuschauer mehr und mehr weglaufen – als eine Folge um sich greifender Ignoranz. Damit verliert der Interimsmensch wesentliche Hintergründe der Selbstfindung, er vegetiert im aufgeblasenen Sensationsvokabular von Gedankenlosigkeit und Massenkonformität, die fragwürdig mit Konsumrausch kompensiert werden sollen.
Oft liege ich mit geschlossenen Augen in meiner Sauna, während ich über globale, auch kosmische Zusammenhänge nachdenke. Beim Blick auf die Sanduhr an der Wand kann ich manchmal nicht glauben, dass sie schon wieder abgelaufen ist. Wird eine Abkühlung im Schnee möglich, empfinde ich das folgende Wiederaufwärmen umso anregender. So manches Konzept, so manche Idee verdanke ich diesem kleinen Refugium. Anschließend am offenen Kamin, der durchaus auch eine Absicherung für einen eventuellen Heizungs- oder Stromausfall bedeutet, setze ich meine Entwürfe im Geiste fort oder höre wirklich zu bei einem klassischen Konzert, vielleicht auch bei nostalgischem Rock und Pop. Selten lese ich Romane, denn das Leben schreibt genügend echte. Ich kann mich aber tief einlassen auf bestimmte Sachthemen, das geht so weit, dass ich mich mit den beschriebenen Phänomenen identifiziere, etwa mit der gesicherten Erkenntnis, dass auch der Mensch aus Sternenmaterie besteht. Oder, dass wir ungeahnt viele Gemeinsamkeiten mit den Tieren aufweisen.
Aufbauend auf all den großen und kleinen Zusammenhängen entwickelte ich die kosmonomische Philosophie, eine logische und einfühlsame Sichtweise der Welt.
Ich bin ein Freigeist. Und so sagte mir erst dieser Tage ein Zeitungsredakteur sehr treffend: „Einige Freigeister muss unsere Gesellschaft vertragen können. Es mag schon sein, dass der eine oder andere Sie deshalb auch schneidet.“
Was geschähe wohl, kam mir der Gedanke spontan, wenn kurzfristig immer mehr Freigeister auftauchten?
Doch ich bin Realist, unsere Zahl wird noch über Generationen verschwindend klein bleiben. Denn ein Freigeist, der den Namen verdient, denkt immerhin so komplex, dass er sich keiner Ideologie, damit keiner Partei und schon gar keiner Religion anschließt.
Die Grundfläche meiner „kleinen Freiheit Hohefeld“ erweitere ich im Sommerhalbjahr gerne um knapp zehn Quadratmeter meines Wohnwagens. In diesem Sinne bin ich ein begeisterter Europäer, der den Einigungsgedanken vor allem nach der grausamen Geschichte des Abendlandes zu schätzen weiß. Die Brüsseler Bürokratie jedoch sehe ich als Gefahr für die Bürger, für den Fortbestand der Europäischen Union überhaupt.
Unter den zahlreichen Reisezielen ist seit langer Zeit Südfrankreich mein Favorit, alljährlich verbringe ich mehrere Wochen an der Cote d’Azur und häufig auch im Roussillon.
Das hat fast unbewusst etwas mit den französischen Freiheitsidealen zu tun, aber besonders mit der Freiheit des kultivierten, keineswegs spartanischen Campings. Kontakte ergeben sich zu allen möglichen Nationalitäten und zum Gastland und seinen Leuten, ohne zu eng und aufdringlich zu werden. Reiserouten und Termine stimme ich oft mit Campingfreunden ab.
Fasziniert bin ich seit jeher von der Meeresküste und der nicht zuletzt durch weltberühmte Maler dokumentierten Einzigartigkeit des Lichts in der Provence und an der Cote d’Azur.
Immer wieder zieht es mich noch vor dem Frühstück an den Strand. Früher joggte ich, doch immer häufiger verweile ich einfach stehend, sitzend, liegend, atme die kühle Luft, vergesse die Zeit, empfinde die sanfte Wärmestrahlung der aufgehenden Sonne, beobachte den Horizont, vereinzelte ferne Schiffe und Boote, die weite Dünung, Möwen und springende Fische, begegne eher selten menschlichen Frühaufstehern, vielleicht einem stillen Angler. Sogar bei Seenebel lockt der Strand mit seinen verhaltenen Lebenszeichen im Hintergelände oder durch das Plätschern, auch das aufschäumende Rauschen des Meeres. Skurril meditierende Sonnenanbeter sah ich und überbliebene Strandschläfer der vergangenen Nacht und auch Müllreste der Trinkfesten.
Bei sommerlichen Temperaturen begrüße ich meinen Tag ganz speziell während des unmittelbaren Sonnenaufgangs und schwimme dem Widerschein des Lichts auf dem Wasser entgegen, unbekleidet, in der meiner Meinung einzig natürlich gerechtfertigten Weise. Als ich eines Sonntagmorgens in Kroatien an der Felsenküste eintauchte, klangen von jenseits der Bucht Kirchenglocken herüber. „Natürlich auch hier“, mäkelte ich innerlich, und einige Möwen, nicht weit über mir spotteten. Wahrscheinlich aber über mich – oder vielleicht einfach nur ihrer Gewohnheit folgend.
Gleichgültig, wo ich mich aufhalte, versuche ich so intensiv wie möglich die Situation zu erfassen, ich nenne es, Leben zu vergegenwärtigen. Doch immer wieder zweifle ich auch an meiner Auffassungsgabe, wenn ich in nachfolgenden Erinnerungen Einzelheiten offensichtlich doch nicht so ganz verinnerlichte.
Freiheit kann nur wurzeln in persönlichen bewussten Erfahrungen und Kenntnissen, vor allem in interessierter Wachheit.
Wach kann man überall sein, aber nicht zu jeder Zeit. Man braucht Ruhephasen und Ruheorte.
Ich beklage, dass die gegenwärtigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten, dem nicht entsprechen können.
Übrigens Freiheit misst man natürlich nicht in Quadratmetern und nicht in Reisekilometern, sondern verbindet sie mit Eigenverantwortung und Eigeninitiative, den eigentlichen Antrieben bewusster Lebensführung.
Viel zu kurz ist die Zeit, als dass ein gesunder Mensch sie sich selbst überlassen könnte.
Erkennt der Mensch die gegenwärtigen Zusammenhänge, ihre Herleitungen aus der Historie, in ihrer Bedeutung für die Zukunft, entdeckt er die Kräfte, besonders auch die Drahtzieher im Hintergrund, so erlangt er einen freien Überblick, der ihm freiheitliche Entscheidungsmöglichkeiten erschließt, das religiös-traditionelle Jammertal des Mainstreams zu überwinden.
Nicht die eingeschweißten vorgetäuschten Lebensweisheiten, angefangen beim Osterhasen, über Weihnachtsmänner, Engel, Heilige, Wunder, Geister, Dämonen, Teufel, Götzen und Götter bis hin zum reinkarnierten oder „ewigen“ Leben, berühren das Gemüt, sondern die Lebensfreude an aufgeklärter Analyse und einer fundierten, weitgehend angst- und furchtfreien Lebensführung. Die freie Hinwendung zum Leben und nicht zum Totenkult oder zur hohnsprechenden Apokalypse, sondern zur eigenen Wertschätzung wie der des Mitmenschen begründen ohne alberne Verdrängungsmechanismen die Anerkennung, dass auch der Tod sinnvoll und logisch ist.
In konkreten humanen Maßnahmen, Verhaltensweisen und in menschenwürdiger Vorsorge lässt sich das häufige Leiden vor dem Tode nicht nur lindern, sondern minimieren.
Das bisherige Hauptproblem eines Freigeistes besteht in der völligen Unvereinbarkeit seiner Welt mit den „geoffenbarten“ Scheinwelten. Er wird darüber hinaus nicht ohne gewisse Irritationen feststellen, dass mancher angebliche Freigeist so frei war, mit ziemlicher Dünkelhaftigkeit seine Ansichten als „Lehre“ anzupreisen, sodass sich missionierende „Jünger“ und „Gemeinden“ um ihn scharten. Philosophen, Psychologen und Soziologen sind da federführend: Freudianer, Kantianer, Hegelianer oder Epikureer, Marxisten oder „Frankfurter Schule“ und so weiter. Oft erscheint die Sprache solcher Autoren dogmenhaft, absolut, als hätten die Urheber mathematische Beweise für ihre Behauptungen zur Hand.
Die kosmonomische Philosophie ist keine Lehre, sondern eine Art der Weltbetrachtung, die sich aus der Welt selbst ergibt. Das bedeutet konkret:
Das Leben strebt zum Leben, beim Menschen aber nicht raubtiergemäß, sondern unter menschenwürdiger Nutzung von Intelligenz, Wissenschaft und Technologie zur Abmilderung und Beseitigung natürlicher Widrigkeiten. Solche Anstrengungen können vielfältigster Art sein, sie gehen alle davon aus, dass das Individuum wie die gesamte Menschheit vor allem Teil des Kosmos ist und alles Leben, besonders aber das humane hauptsächlich vor diesem Hintergrund und nicht auf der Provinzbühne unsinniger Götterkreationen gestaltet werden kann.
Meine kosmonomischen Ausführungen haben zum Ziel, den Menschen für das Leben anzuregen, unter allen Umständen Menschenopfer im weitesten Sinne zu verhindern und zu einem neuen Bewusstsein wirklichen Friedens, achtungsvollen Miteinanders, optimistischer Schaffensmoral, angst- und gewaltfreier Entfaltung und gelassenen Alterns aufzumuntern.
Als Autor benötige ich dazu keine Netzwerke und keine Parteien oder Vereine, keine Institutionen. Ich führe auch keine Kampagnen, wie ich sie seinerzeit gegen die Astrologie, sogar durch Medienspektakel in Szene setzte. Ebenso sehe ich inzwischen wenig Sinn, mich etwa wie früher in der „Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ (GWUP) oder in anthroposophiekritischen Gruppierungen aufklärerisch zu engagieren, denn mit „Glaubenden“ kann man nicht sinnvoll diskutieren, da ihr Selbstverständnis auf gänzlich anderer Ebene ruht. Meine Lebenszeit verschwende ich nicht mehr dafür, weil ich weiß, dass ich niemanden aus den Millionen von Religiösen, Esoterikern und Ideologen bekehren kann. Lediglich Zweiflern mag ich vielleicht Entscheidungshilfen anbieten und den sowieso Aufgeklärten vielleicht eine willkommene Bestätigung.
So ist das Niederschreiben meiner kosmonomischen Sicht nichts anderes, als Signale nach Außen zu setzen, Signale aus meinem eigenen Selbstverständnis, das es mir verbietet, mich einzuigeln, etwa das Leben eines schrulligen Einsiedlers zu führen.
Ich habe der Welt etwas zu sagen, nicht weil ich einer Idee folge, sondern weil ich ein inzwischen in freiheitlichen Wurzeln verankertes persönliches Leben errungen habe, das durch die Veröffentlichungen keineswegs einem „Outing“ gleichkommt, sondern eher der Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Hineinschauen müssen die Menschen schon selbst, und wer das nicht kann oder will, bleibt für mich immer noch ein Mensch, mit gleichen Rechten und Pflichten wie alle zivilisierten Bürger der Welt.
Menschenverachtung, Ausbeutung, Unterdrückung, Verlogenheit und Indoktrination erfordern aber entschiedenen menschenwürdigen Widerspruch, nicht Gewalt, aber klare, eindeutige, nicht diplomatisch verkorkste Sprache als einziges Mittel von Verständigung.
Verständigung ist nur durch Verstehen möglich, durch Verstehen der Natur, von der wir Menschen, ich erwähnte es bereits, ein nicht unwesentlicher Teil sind. Und besonders in dem Zusammenhang erscheint die Zeit als weiterer Faktor der Natur. Schnelllebigkeit meint letztlich, ob man es wahrnimmt oder nicht, Leblosigkeit in der Form des Vegetierens.
Auch meine „kleine Freiheit“ muss ständig kultiviert werden, soll sie nicht ihren Status verlieren. Das bedeutet auch körperlich-handwerkliche Arbeit und ebenso wirtschaftliches Kalkulieren, und es verdeutlicht auch unvermeidbare Abhängigkeiten. Diktaten von Öl- und Stromkonzernen kann ich mich kaum entziehen, propagierte „Anbieterwechsel“ stellen in der Praxis Augenwischerei dar, Steuer- und Finanzgebaren sind durch mich nicht beeinflussbar.
Eine alte Weisheit empfiehlt zu erkennen, was man nicht ändern kann, um sich nicht sinnlos aufzureiben. Das aber, was man mit lebendigen Sinnen und erfahrenem Urteilsvermögen zu ändern vermag, ist eine solche Vielfalt, dass es keinen Grund zum Fatalismus gibt.
Ich kann mich jedoch nicht von der Sorge befreien, dass im globalen Maßstab zwar nicht die Mehrheit der Menschen, aber sehr wohl die meisten politisch Mächtigen rundheraus friedensunfähig sind.
Unfähig, weil sie Gefangene ihrer egoistischen Eitelkeiten sind und nicht die Spur einer kosmonomischen Erkenntnis, geschweige denn Empfindung besitzen.
Nicht wenige dieser Narzissten spielen ihre Rollen als Marionetten, deren Strippen die Clans der archaischen Denkmuster ziehen.
Aufklärung gibt es vereinzelt schon immer, als gesellschaftliches Gütekriterium muss sie erst noch auf die Welt kommen.
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