Posts mit dem Label Tourismus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Tourismus werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 14. Februar 2020

Menschliches Glauben: Unwürdig so oder so (S. 58)


Oktober 1995

DER SPIEGEL 38/1995: „Rimini ... ist zum Sex-Dorado geworden ... gilt als Europas längster Strich. ... nehmen vier Huren aus Nigeria am Strand fest. Für 50.000 Lire machen die jedes Sexspielchen ohne Kondom mit. In dieser Nacht werden wieder 60 bis 70 Prostituierte im Gefängnis landen. ... Die Anschafferinnen aus Russland und Brasilien kassieren bis zu 12.000 Mark pro Woche. Noch mehr nehmen die Topmodelle aus Österreich ein. ... Heute muss der notgeile Mitteleuropäer nicht mehr nach Bangkok, ... Rimini bietet alles ... machten weit über 300.000 Urlaub am verrufenen Abschnitt des Teutonengrills – 25% mehr als im Vorjahr. ... Tausend Gaffer etwa fanden sich zum Sex-Höhepunkt der Sommersaison ein, um Italiens Porno-Stars E.H. und C.B. bei den Bühnenshows in den Schritt zu fassen. ....“


© Raymond Walden



Samstag, 28. Dezember 2019

Menschliches Glauben: Das Glück zu reisen (S.26)


Mai 1998

Gedanken wurzeln in Traditionen und Herkunft, sie fliegen in Hektik und Raffgier, sie schweben in Träumen und Visionen, aber sie befreien sich, so ein Reisender denkt, ein Denkender reist. Dies meint nicht das bekannte Sprichwort „Reisen bildet“, sondern das Umschalten aus provinziellen oder urbanen Zwängen auf Eventualitäten, die in der modernen Zeit bis zu einem gewissen Grad kalkulierbar sind, aber letztlich immer eine Herausforderung in sich bergen. Freilich ist durch die Berechenbarkeit das Reisen für den Menschen von heute gegenüber früheren Generationen zur hellen Freude geworden. – Daher ja auch der Massentourismus, der dann aber wegen seiner Stupidität sofort in Nervenbelastung umschlägt.
     „Wie man sich bettet, so schläft man“ besitzt eine übertragbare Wahrheit: „Wie man seine Erwartungen begründet und die Wege plant, so ist die Lebensqualität während und nach der Reise“. Das bezieht sich zunächst vordergründig auf die Reiseroute, gilt aber viel gravierender für das gesamte Umfeld. Ich habe bisher das Glück gehabt, häufig und auch weit zu reisen; „Erhebet die Herzen“, heißt es an einer Stelle der katholischen Messfeier, an die ich mich erinnere, weil ich als Kind in die katholische Gemeinschaft eingebettet war. Heute weiß ich, dass dieser liturgische Schnickschnack nichts bedeutet gegenüber dem wirklichen Erleben dieser Erde, mit ihren Klima- und Kulturzonen, und nichts ist erbaulicher, als mit Überblick und Verständnis die jeweiligen lokalen Vorgänge annähernd, auch historisch, zu begreifen, ohne in diese wie auch immer verwickelt zu sein. Gedankenfreiheit kann erst zu einer solchen werden, hat sie das Wesen möglichst vieler Regionen „erfahren“. Literatur und andere geistige Quellen können in seltensten Fällen in Konkurrenz mit der konkreten Reise treten, wohl aber profitiert die Reise von zuvor angelesenem Wissen.
     All jenen stetig Nörgelnden, die da meinen, zu reisen sei ein Faktor der Umweltzerstörung, könnte man vielleicht entgegnen, dass bestimmte touristische Wachstumsbranchen neben der Landschaft auch den Geist (so überhaupt noch vorhanden) schädigen, doch würde dies zu einer Diskussion über die Mündigkeit der dumpfen Masse führen, die nicht reist, die verfrachtet wird, weil sie es in ihrem Unvermögen gar nicht anders erwartet. Echtes Reisen meint ja auch innehalten, verweilen, wird dadurch alles andere als mondän, gar überheblich. Wie auch immer – zu reisen meint weitverzweigte Verwurzelung des Ichs, schöner noch des Wirs, meint das extensive Erleben des Hier und Jetzt, eingewoben in die eigene Geschichtlichkeit, aufgebrochen, um der Zukunft etwas gewachsen zu sein, denn sie ist zwar begrenzt, ungewiss, hält letztlich aber für jeden den Tod bereit – am Ende aller Reisen.


© Raymond Walden



Mittwoch, 23. Oktober 2013

Sequenzen von Skepsis (153)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:


1939
Eine Regierung, die ohne Menschenopfer auskommt, wäre wählbar.

1940
Wer sich in hohen Türmen verwaltet, im edlen Nachthemd oder feinsten Zwirn, wer sinnlos Städte im Meer aufschwemmt, U-Bahnen mit nach Geschlechtern getrennten Waggons in die Wüste konstruiert und auch sonst nach Irrwitz selektiert, hat den Status Mensch nie erlangt, vollendet lediglich die Koalition von barem Geld und imaginärem Gott. Es geht um Aufschneidung, beschnitten gemäß gestriger Gesellschaftsordnungen.

1941
Nicht wählbare inkompetente Politiker verfügen darüber hinaus über die Potenz der Zeugung von Nichtwählern.

1942
Auch freiheitliche Medien unterliegen einem System, vertreten tendenzielle Wahrheiten, die nur der nicht systemische Leser als solche wahrnimmt.

1943
Prüderie und Spießigkeit diskreditieren die Nacktheit, denn sie projizieren ihre eigenen Hässlichkeiten hinein.

1944
Sinnhaftes Entspannen begünstigt das erneuernde Aufladen.

1945
Vor der Wahl gelogen und nach der Wahl ganz ungeniert, und zwar selbstlos im Dienste der Staatsräson, die man höchstpersönlich bestimmt.

1946
Der Lärm im und um den Massentourismus ist schon eine Erholung wert.

1947
Werbung ist zeitraubend mit der Energie der Nötigung. Im Kapitalismus nicht nur straffrei, sondern steuerlich absetzbar.

1948
Schönheit formt nicht nur Äußeres; die menschliche Schönheit erfüllt sich in einer diskreten Gefühlstiefe, die der Vergänglichkeit des Glamours widersteht.

1949
Geschehenes bleibt geschehen, dokumentiert im kosmischen Lustspiel und Drama der Zeit: Jeder Mensch lebt vergänglich zwar, aber niemals unwiderruflich.

1950
Selbstbewusst erhebt sich der neue Tag auf dem Fundament einer stillen Nacht.


Copyright: Raymond Walden,  www.raymond-walden.blogspot.com