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Montag, 13. Januar 2020

Menschliches Glauben: Demokratische Scheingefechte (S. 41)


März 1995

Regelmäßig wiederholen sich im kapitalistischen System Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten unter Berufung auf die „Tarifautonomie“ der oft streitbaren, auf Selbstdarstellung bedachten Partner. Die historische Bedeutung der Gewerkschaften ist anzuerkennen, haben sie doch die Unternehmer ein ums andere Mal gezwungen, ihre Profite mit den Arbeitern und Angestellten „zu teilen“. Freilich wurde nicht immer gerecht geteilt. Zur Jahrtausendwende, am Epochenbeginn der elektronischen Totalinformation, stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher Lohnspektakel, denn nach wie vor gilt: Höhere Löhne, steigende Preise, höhere Lohnforderungen, letztlich Geldentwertung!
     Kein Wirtschaftsexperte kann allen Ernstes behaupten, Inflation sei eine demokratische Notwendigkeit, wenngleich bisher quer durch alle demokratischen Staaten die Tarifpoker für das Funktionieren der pluralistischen Gesellschaftsordnung überhöht werden und die Kaufkraft der Währung sinkt – „Wachstum paradox“.
     Im Hinblick auf die umfassende elektronische Datenverarbeitung sind die Profite jedes Unternehmens schnell und objektiv zu beziffern; es muss also nicht über die Gewinne der Arbeitgeber gestritten werden. Aufgabe der Tarifpartner bleibt es, über angemessene Gewinnbeteiligung unter Berücksichtigung von unternehmerischen Investitionskosten zu verhandeln, ohne damit den Unternehmern Gründe für die Rechtfertigung von Preissteigerungen zu liefern. Streiks zeugen in diesem Zusammenhang von veralteten Denkstrukturen, die nicht von demokratischen Prinzipien geprägt sind.
     Gewinne und Löhne müssen in einer Demokratie öffentlich transparent werden, um ungerechtfertigte Bereicherungen auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen. Von Politikern, die selbst in Aufsichtsgremien von Industrie und Gewerkschaften sitzen und nicht über den Rand ihrer jeweiligen Verbände schauen können oder wollen, ist natürlich keine Änderung zu erwarten.



© Raymond Walden