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Mittwoch, 8. April 2020

Menschliches Glauben: Nur „Irrtümer“? (S.75)


November 1997

Vor Bischöfen aus Großbritannien äußerte der Papst „auf dem Weg zum Jahr 2.000 solle sich die Kirche von den Irrtümern der Vergangenheit reinigen“ und „um Vergebung für ihre Irrtümer und Sünden bitten“. („Neue Westfälische“, 24.10.97) Der Papst sagte nicht, worauf sich das konkret bezieht. Es dürfte sich wohl um die Altersheiligkeit handeln, die Gewissenserforschung hält, an Sünden leidet, die sie nicht definiert, die aber offenbar trotz des Unfehlbarkeitsanspruchs begangen worden sind.
     Ich erinnere mich an meinen kindlichen Beichtunterricht: Voraussetzung für Vergebung sind das klare Bekennen der Missetat, die Reue und der gute Vorsatz. Der Beichtvater wollte schon genau wissen, wie oft ich freitags Fleisch gegessen, wie und wodurch ich unkeusch gehandelt hatte. - Fazit: keine Absolution für den schweren Sünder in Rom!
     Derweil sorgt US-Präsident Clinton wieder einmal für ein aufgeheiztes Klima, und zwar durch aufgeblasene Ankündigungen, den amerikanischen Treibhausgas-Ausstoß zwischen den Jahren 2.008 und 2.012 auf das Niveau von 1990 zu senken. Ich mag nicht an einen Irrtum Clintons glauben. Gezielt geht er seine Umweltsünden an, dadurch zur Reue unfähig, und der gute Vorsatz heißt bei ihm persönlicher Machterhalt und Untermauerung der amerikanischen Vormacht. Dass seine Umweltvernachlässigung in Wirklichkeit Menschen trifft, kaschiert der Diktator des Kapitalismus mit breit grinsendem „God bless America“.
     Dagegen nimmt sich ein erneutes rechtsradikales Schmuddelvideo in Bundeswehrkreisen wie ein Bauklötzchenspiel aus, auf das nun in einem Entrüstungssturm der Meinungen eingedroschen wird. Allein die Scheinheiligkeit widert an: Ein paar Wirrköpfe bei den „Bürgern in Uniform“ stellen längst keine gravierende Gefahr dar, wenn man ihnen nur konsequent begegnete. Allein, der militärische Zinnober an sich fußt eindeutig auf rechtsnationalem Schwulst, und da beißt sich der mörderische Apparat selbst in den Stahlhelm; den man zum Töten aufsetzt. Nach der Schlacht heißt es: Helm ab zum Gebet!“ Selbstverständlich mit dem Gelöbnis, weiterzutöten.
     Scientologen, mühsam zusammengekratzt aus verschiedenen Ländern, forderten am 27. Oktober 1997 in Berlin „Religionsfreiheit“ à la USA: „Auch die Gedanken eines Ron Hubbert sind frei.“ Das trifft natürlich prinzipiell für jeden Idioten zu. Dass diesem okkulten Vorgehen im Einzelfall nicht Einhalt geboten werden kann, ist auch ein Resultat der allgemeinen Religiosität beziehungsweise Esoterikausrichtung, die noch jeden einverleiben möchte, so er nur frei genug ist, Logik und Kausalität zu verteufeln. Wenn „Religionsfreiheit“ als Schrankenlosigkeit der Dummheit akzeptiert wird, stellt Religionsfreiheit den entscheidenden Irrtum der Menschheit dar, der letztlich zum Untergang führen wird. So oder so steht aber die Freiheit des Denkens als Mut zur Entfaltung des Menschen im Gegensatz zu religiöser Leib- und Geisteseigenschaft.
     Eigentlich widerstreben mir derartig heroische Worte, aber ich fürchte, ohne Schwarzseher zu sein, dass uns die allgemein zugänglichen technologischen Fortschritte nur noch weitere okkulte und verblödete Abgründe als salonfähig eröffnen, deren Irrtümer in der Zukunft immer heftigere Verelendungen erzeugen werden. Jegliches Hoffen auf die Träume und Intentionen junger Generationen wird zum Trugbild.
Noch einmal „Schwarzseher“: Besteht die Welt nicht fort, trotz aller früheren Pessimisten? Ja, sie existiert, denn dem ungebremsten Drang nach Fortpflanzung gemäß rücken so viele neue Menschen nach, dass man die Zigmillionen Opfer von Grausamkeit übertüncht.
     Das sind Irrtümer, die nur durch Wachsamkeit zu überwinden sind, nicht allerdings mit einer Nachtwächtermentalität, die einerseits auf jugendliche Unerfahrenheit, andererseits auf Altersvergesslichkeit, oder sogar -resignation setzt.


© Raymond Walden