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Mittwoch, 7. Oktober 2020

Menschliches Glauben: Anthro-Astrologie (S. 169)

 

Juni 2001


Astrologie ist für keinen aufgeklärten Menschen ein ernst zu nehmendes Thema, doch nimmt weltweit im Rahmen der Bevölkerungsexplosion und regional im Rahmen ideologisch und kommerziell verlotternder Bildungssysteme der prozentuale Anteil der logisch und kausal denkenden Bürger trotz wissenschaftlich-technologischer Fortschritte ab und keineswegs zu. Entsprechend erblüht die Sterndeutung, nicht zuletzt durch die Medien, deren Nutzungsmöglichkeiten sich auch den Astrologen erschließen, in an sich widersinniger Intensität. Mag der einzelne Sterndeuter dies im Hinblick auf seinen finanziellen Gewinn begrüßen, mag er die Tatsache, dass so viele an die Aussagekraft der Gestirne glauben, als Beweis für die Richtigkeit astraler Analysen und Beratungen ansehen, so gibt es Gruppierungen, die seit jeher die Sterndeutung als Unterstützung ihrer okkulten Weltanschauungen nutzen, sie einbauen in die wirren Vorstellungen von vergeistigtem Dasein, von Schicksal durch Karma und Wiedergeburt. Alle derartigen Ansprüche entbehren weder der Tragik noch der Komik: In der Offenbarung wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit, daraus erwachsender Wissenschaftsfeindlichkeit und einer sich hemmungslos ausbreitenden, gefühlsbedingten Flucht aus der faktischen Welt zu tröstend abgehobenen Ufern von Scheinkontinenten und Zukunftsvisionen wandeln diese Geister- und Dämonenabhängigen vergleichsweise in einer immerwährenden „Love-Parade“, die Berge von Müll – so oder so – erzeugt.

     Innerhalb solchen Szenarios spielen Anthroposophen unter Berufung auf ihren Begründer und Guru, Rudolf Steiner, keine unbedeutende Rolle – vor allem als Multiplikatoren, die über alle möglichen Kanäle wirken. In der Öffentlichkeit bemüht man sich in diesen Kreisen eher um ein Herunterspielen der Astrologie, die esoterische Praxis der Anthroposophen stellt sich anders dar. Das soll hier einmal demonstriert werden am Programm eines „Paritätischen Bildungswerkes, Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.“ und seines Studienhauses Rüspe:

     Kurs 3 „Einführung in die Astrologie unter anthroposophischen Gesichtspunkten“

     Kurs 42 „Spirituelle Psychologie – die Verbindung von irdischem und kosmischem Menschen“

     Aus dem Inhalt: Die Verbindung des Menschen zu den Elementen, Planeten und dem Tierkreis – Was teilt sich aus dem Ätherischen und Seelisch-Geistigen des Menschen mit usw.

     Kurs 52 „Sinn und Nutzen der Astrologie durch Deutung des eigenen Horoskops“

     Aus dem Inhalt: Sie (die Astrologie) ermöglicht Einsicht, um in Kontakt zum eigenen Wesenszentrum zu gelangen, ...

     Kurs 74 „Wie deute ich mein Horoskop? Ein Kurzlehrgang für Einsteiger“

     Kurs 77 „Astrologie und Karma – Haben Sie einen „Drachen“ in Ihrem Geburtsbild?“

     Kurs 113 „Dem Leben Tiefenschärfe geben“

     Aus dem Inhalt: Die Wirkungen zwischen Kosmos und Mensch, die Zusammenhänge zwischen den Tierkreiskräften und die Sprache zwischen den Planetensphären wollen wir uns als Hintergrundwissen unter anthroposophischen Gesichtspunkten erarbeiten.

     Kurs 116 „Der schwarze Mond im Horoskop“ – Astrologische Studien über Adams erste Frau, Lilith, und das archaisch Weibliche im Menschen

     Kurs 125 „Seelische Muster und Konstitutionsfragen aus astrologischer Sicht“

     Kurs 128 „Menschliches und kosmisches Denken“ – Eine Einführung in kosmische Gedankenformen auf der Grundlage der ‘Philosophie der Freiheit’ Rudolf Steiners

     Aus dem Inhalt: In der Eurythmie werden die Tierkreis- und Planetenqualitäten anhand der entsprechenden eurythmischen Gesten erübt.

     Kurs 129 „Einführung in die Astronomie und anthroposophische Kosmologie“

     Aus dem Inhalt: Dabei werden wir immer wieder die vielfältigen Beziehungen der astronomischen Erscheinungen zum Menschen, den Naturreichen und der Erde aufsuchen, um dadurch mit Hilfe der Anthroposophie ein spirituelles Verständnis des Kosmos und des Menschen zu entwickeln.

     Kurs 144 „Partnerschaftsvergleich im Horoskop“

     Kurs 151 „Individuelles Schicksal und Zeitgeist im Horoskop“

     Kurs 159 „Sensitive Menschen im Erkenntnislicht der Sterne“

     Kurs 187 „Die zwölf Qualitäten des Tierkreises“

     Aus dem Inhalt: Kunsttherapeutische Ansätze zur individuellen Erweiterung der persönlichen Effektivität in der therapeutischen Praxis

     Kurs 190 „Ganzheitliche Astrologie: Der Mensch und die Sterne“

     Aus dem Inhalt: Die Sternbilder und die Tierkreiszeichen – Prägende Trigone: Feuer, Wasser, Erde, Luft – Heilende Quadrate: kardinal, fest und beweglich – Sieben oder neun Planeten? – Die Wesensglieder des Menschen und die Sinne

Als einführende Literatur wird empfohlen: „Mensch und Sterne“, Themen aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners, herausgegeben von Dr. Hans Herbert Schöffler. „Rudolf Steiner und die Astrologie“ von Dr. Hans Herbert Schöffler. „Kosmische Aspekte von Geburt und Tod“ von Dr. G. Wachsmuth. „Astrologie und Anthroposophie“ von Dr. Elisabeth Vreede.


     Einmal ausgestiegen aus jeglicher Vernunft, krönt sich der Wahnsinn durch Kurs 181 „Kurs für Eurythmisten und eurythmisch Fortgeschrittene“

     Aus dem Inhalt: Neben der Eurythmie der sichtbaren Sprache gibt Rudolf Steiner eine Eurythmie aus dem Wesen des Menschen: zwölf Seelenformen und sieben Seeleninhalte, eine Seelenkunde der Eurythmie für die künstlerische Praxis. Besser bekannt sind die Gesten als Tierkreisgesten und Planetengebärden. Sie umfassen das gesamte menschliche Seelenwesen im Fühlen, Verstehen und Handeln in dieser Welt und der Welt des Überzeitlichen und Überräumlichen.

     Es verwundert nun keineswegs, wenn im Kurs 183 endlich das anthroastrologische Weltbild definiert wird: „Kosmologische Menschenkunde und die Ich-Werdung des Menschen“, Arbeitsgrundlage: Rudolf Steiner, „Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos. Der Mensch – eine Hieroglyphe des Weltenalls“, GA 201

     Das ist der gefährliche Ungeist! Der Mensch, die Verkörperung der Menschlichkeit, die auf Humanismus, auf den Menschenrechten, auf Emanzipation und intelligenter Entfaltung basiert, wird zur „Hieroglyphe des Weltenalls“ herabgewürdigt. Und so etwas geschieht unter staatlicher Förderung und Anerkennung, weil die anthroposophischen Kraken die Demokratie längst im Würgegriff haben und die sonst angeblich so wachsamen (Schein-)Demokraten wieder einmal verschlafen, was selbst ernannte Gralshüter tatsächlich zu verantworten haben.


     Astrologie besteht keineswegs aus harmlosen Zeitungshoroskopen, über die man schmunzelt, sondern ist eine knallharte Entmündigung des Individuums unter dem Deckmantel der Esoterik, sie ist als Vorbereitung auf praktizierte Menschenverachtung zur Verankerung und Stabilisierung konkret diesseitiger Machtansprüche anzusehen. Die erleuchtet dahintrottenden Massen sind bequem vertröstet, schlichtweg überbelichtet und nicht einmal als „Hieroglyphe“ ernst zu nehmen. So lässt sich trefflich regieren!


© Raymond Walden



Samstag, 3. Oktober 2020

Menschliches Glauben: Astrologie, eine chaotische Weltreligion (S. 162)


Mai 1995


Die Sterndeutung mag aus historischer Sicht nachvollziehbar erscheinen, ihre entwicklungsgeschichtlich geradezu zwingende Notwendigkeit ist begründ- und erklärbar wie die jeder Religion. Während sich jedoch zahlreiche Religionen auf eine recht straffe ideologische und strenge organisatorische Ordnung gründen, unterliegt die Astrologie von Beginn an einer ungezügelten Deutungsfreiheit, sodass es nicht möglich ist von der Astrologie zu sprechen, sondern nur von einem astral-chaotischen Durcheinander religionsähnlicher Glaubensmechanismen.

     Es geht kein Mensch aus purer Neugier zum Wahrsager oder Sterndeuter, sondern vorwiegend aus Notlagen heraus, denn die Beratungen sind ja nicht billig. Bedingt durch eine Zwangssituation oder durch bereits in früher Jugend eingeübte Hinwendungen zum Irrationalen, ist die Glaubensbereitschaft unkritisch oder sogar euphorisch. Auf diese breite Basis stützt sich der Erfolg selbst von Jahrmarkts- und Automatenastrologie. Der sogenannte Unterhaltungswert ist bei der unüberschaubaren Verbreitung ein von den Verantwortlichen heuchlerisch vorgetäuschter Rechtfertigungsgrund. Gemessen an der Erscheinungsvielfalt des Obskuren, handelt es sich hierbei nicht mehr bloß um die Befriedigung eines „Unterhaltungsbedürfnises“ (es überträfe alle anderen Unterhaltungssparten), sondern offenbar um ein schwerwiegenderes Phänomen. So gibt denn das geduldige Ertragen oder das „Vergessen“ von selbst drastischen Fehlprognosen durch die astrale Glaubensgemeinschaft bereits erste Hinweise auf die unerschütterliche Glaubenssucht. Sie hat, je nach Positionierung innerhalb der Weltfremdheit, zwei Ursachen: Verunsicherung und Hilflosigkeit, aus denen der Wunsch nach geistigem Geführtwerden entsteht, und auf der anderen Seite die Unfähigkeit zum objektivierbaren Denken, die manchmal sogar eine an sich unbegründbare Selbstsicherheit erzeugt.

     Für den Sterndeuter Niehenke beispielsweise ist es unwesentlich, dass seine Doktorarbeit über die Stimmigkeit von Horoskopdeutungen ein negatives Ergebnis gezeitigt hat (Psychologische Fakultät Universität Bielefeld, Deutschland); die berufliche Praxis als Astrologe verhindert jeden Selbstzweifel; er praktiziert nun als „kritischer Astrologe“ mit Doktorwürde.

     Die Lebensuntüchtigkeit so vieler Zeitgenossen muss hier nicht untersucht werden, sie zeigt sich auch in deprimierenden Scheidungsraten. Für viele Menschen stellt sich der Alltag als Abfolge beruflicher Überforderung einerseits und Eintönigkeit andererseits dar, geprägt von Konsum- und Konkurrenzdenken, Kommunikationsarmut in der Familie und zweifelhaften Freizeitverhaltensmustern: Fernsehen, Alkohol, Nikotin, weitere Drogen etc. Aus diesen tristen Kreisläufen resultieren Krankheiten, Verzweiflung und die Bereitschaft, jeden noch so albernen Strohhalm als Rettung zu ergreifen. Da im Abendland die christlichen Kirchen logischerweise jetzt an Einfluss verlieren, entstehen in den über Generationen hinweg geprägten Denkstrukturen gewaltige Hohlräume, in denen nun eine Art Glaubenswildwuchs dominiert. Unzweifelhaft ist die Glaubensbereitschaft, an Unlogisches – an Wunder, die es nicht gibt – zu glauben, ein Erbe der religiösen Vorgeschichte.

     So wie die Alchimie durch die exakte Chemie abgelöst wurde, so wie der Medizinmann im Arzt seinen Nachfolger fand, so erlebte die Astrologie das Ende ihrer Daseinsberechtigung durch die Astronomie und die ihr verwandten Naturwissenschaften. Kein einziges Faktum des gestirnten Himmels ist durch die Astrologie erforscht worden; ein Merkmal übrigens für die Forschungsunfähigkeit der Sterndeuterei. Sie ist in allen ihren himmelsbezogenen Aussagen wissenschaftsfremd, in ihren Übertragungen auf das menschliche Leben für jegliche Willkür offen und somit unverantwortlich. Weder der astrologische Tier- noch der Häuserkreis sind am Himmel auffindbar, die Planeten besitzen alle anderen als die durch Astrologen propagierten Eigenschaften, die symbolistischen Analogien der Planeten, der Tierkreiszeichen mit den Trigonen und Kreuzen, die Aszendenten, Deszendenten, Himmelsmitten und horoskopischen Nadire sind wie die Transite und Häuseraspekte leere, wissenschaftlich klingende Worthülsen, Hirngespinste einer überholt geglaubten Zeit. Doch was nützt alle astronomische Argumentation, wenn Sternmystiker Analogien als einzige Lebensweisheiten gelten lassen? Die Astronomie liefert Beweise gegen das mystische Sternenverständnis, mithin liegt die Ursache für das allgegenwärtige Wiederaufleben der Astrologie nicht in der Naturwissenschaft, sondern in anderen gesellschaftlichen Problemen.

     Der Jahrmarkt menschlicher Eitelkeit floriert mit dem allgemeinen Wohlstand, denn auch Eitelkeit kostet ja Geld. Dem Besitzenden öffnen sich die Konferenz- und Ballsäle, die Aufsichtsräte und die Redaktionen. So erleben wir immer wieder, dass Personen, die auf irgendeinem Sektor Herausragendes leisten, plötzlich zu allen möglichen Themen öffentlich Stellung beziehen, ja sogar trotz ihrer Inkompetenz mitentscheiden. Nicht immer sind die so in Verantwortung gehievten Stars und Sternchen schuldig, denn sie gelangen selten zu der Einsicht, dass ihr Verhalten problematisch ist. Für die Schickeria ist es allemal interessant, was der Bodybuilder S. über die Reinkarnation, die Schauspielerin K. über Esoterik, der Politiker R. über Horoskope verbreitet, ob nun auf großem Parkett oder auf einer Provinz-Party. Zwar ist man vor Ort im „kleinen Schwarzen“ oder im Frack das Übersinnliche betreffend nicht ungeteilter Meinung, doch wenn die Prominenten „da oben“ schon darüber laut spekulieren, dann „ist was dran“. Dabei zeigt uns jede beliebige Klatschspalte in den Medien, wie kaputt, wie psychisch angeschlagen diese Menschen mit dermaßen verkorksten Weltbildern sind.

     Aus dem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf heraus haben die Medien ein Interesse an Sensationen und Außergewöhnlichem. Meldungen über eine „UFO-Landung“ oder astrologische Prognosen erwecken mehr Aufmerksamkeit als die Gegendarstellung: keine UFOs, Astrologie als Unsinn enttarnt. So betrachtet, kann man den Medien einiges Verständnis entgegenbringen. Es bleibt aber die Frage nach der Verpflichtung zur Wahrheit. Machen wir uns nichts vor: Wann immer es opportun erscheint, belügen die Medien die Öffentlichkeit „wie gedruckt“, ob nun auf Papier, auf dem Bildschirm oder über Lautsprecher. Die Öffentlich-Rechtlichen tun dies, indem sie sich von Parteien, Kirchen und sonstigen Gruppen in den Rundfunkräten einen „demokratischen Proporz“ absegnen lassen, die Privaten verkaufen ihre ganze Unseriosität allein mit der Berufung auf Einschaltquoten. Qualität wird bewusst zugunsten der Quantität abgestuft. Das kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Nazis erkannten als erste die Massenwirksamkeit der Medien und setzten sie skrupellos ein. Die Anwender heute wissen noch detaillierter über ihre Möglichkeiten Bescheid.

     Was die verantwortlichen Verleger und Redakteure mithilfe des Okkulten betreiben, ist eine gezielte Desinformation, Massendesorientierung unter dem Vorwand demokratischer Meinungsfreiheit. In Wirklichkeit wird das Prinzip demokratischer Selbstbestimmung mit Füßen getreten, um die Vorherrschaft der jeweiligen „Meinungspäpste“ zu untermauern. Eine verunsicherte, darüber hinaus gewaltüberflutete Bevölkerung, durch astrologische Orakel verblendet, lässt sich leichter lenken.

     Es ist falsch verstandene Bescheidenheit, wenn seriöse Wissenschaftler zu all den verbreiteten Unsinnstheorien der Esoterik schweigen. Zwar weiß der Wissenschaftler um die tatsächliche Begrenztheit des menschlichen Verstandes und ist sich der steten Gefahr der Irrung bewusst, doch muss er – wer sonst? – zu den offensichtlichen Fehlinterpretationen Stellung beziehen. Das setzt freilich fachliche Selbstsicherheit und zusätzlich Zivilcourage voraus. Außerdem muss man den Gegner kennen! Das heißt, man sollte sich schon vor dem Einstieg in die öffentliche Diskussion mit den schrulligsten Argumenten auseinandersetzen. Das nun mag vielen Forschern zuwider sein, aber im eigenen Interesse bleibt der Wissenschaft kein anderer Weg als die interdisziplinäre Widerlegung des Okkulten.

     Die heute weit verbreitete schmale fachliche Spezialisierung bei abnehmender Allgemeinbildung verstärkt jedoch sogar die gegenteilige Tendenz: Auch Akademiker wenden sich verstört und überfordert an Wahrsager und esoterische Aussteiger. So gibt es sie wirklich, die Gurus als Kronzeugen mit astro-physikalischer Ausbildung. Innerhalb dieses Szenarios von Verunsicherung, Medienabhängigkeit, Glaubenslust und -frust, von zuverlässigen wissenschaftlichen Entwicklungen und zugleich technologischen Fehlanwendungen wie Überschätzungen, entpuppen sich chaotische Koalitionen. Da veranstalten Kirchen – offiziell Astrologie ablehnend – astrologische Bildungsseminare und verkünden, auch die okkulten Begabungen seien Schöpfungen Gottes. Die staatlich geförderten Volkshochschulen werden zu esoterischen Heilsverkündern, gestandene Industrieunternehmen bemühen Firmenastrologen, Politiker regieren mit astralem Zepter.

     Erzählt man das dem Normalbürger, der es eigentlich längst gemerkt haben müsste, schaut er ungläubig. Hier nur drei Nagelproben: An der Decke im Kreißsaal des neuen katholischen Krankenhauses einer deutschen Stadt empfängt ein blinkender astrologischer Tierkreis die neuen Erdenbürger. An einer süddeutschen Universität bastelt eine Astrologin unter professoraler Anleitung an einer Doktorarbeit mit astrologischem Thema. Die „Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht“ (ZFU) in Köln, Deutschland, lässt unter der Nummer 741094v einen Fernkurs „Astrologische Menschenkunde“ zu (Quelle: Pressemitteilung Deutscher Astrologenverband) und bestärkt dadurch den unzutreffenden Eindruck, Astrologe sei ein seriöser Beruf.

     Die Astrologie erlebt eine weltweite Reinkarnation in einer für sie typischen Verwirrung sämtlicher erforschter natürlicher Gesetzmäßigkeiten, als hätte die Menschheit wirklich nur dies eine Ziel: die eigene Vernichtung. Denn keine der bohrenden Zukunftsfragen lässt sich astrologisch lösen: weder der Bildungsnotstand noch die sozialen Probleme in den Industrienationen, nicht der Hunger und die Epidemien weltweit, keine Umweltzerstörung und keine Kriegsmaschinerie. Astrologie selbst bedeutet geistige Zersetzung.


© Raymond Walden

 

 


 

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Menschliches Glauben: Exemplarisch: Astrologische Dummheit (S. 161)

 


März 1995


Der angebliche Diplompsychologe und Astrologe Hans J. Andersen ist mit der Prophezeiung, dass in der zweiten Aprilhälfte 1995 ein mit schweren Erdbeben verbundener Vesuv-Ausbruch stattfinden würde, an die Öffentlichkeit getreten. Als Begründung gibt er Planetenstellungen auf der „ekliptikalen Länge“ an, konkretisiert „Jupiter 120 Grad (= 0 Grad Löwe) und Pluto 240 Grad (= 0 Grad Schütze)“ und so weiter. Ein „Zusammenwirken“ von Jupiter und Pluto solle erhöhten tektonischen Plattendruck bewirken.

Dazu ist festzustellen:

  1. Die Ekliptik ist die astronomisch definierte scheinbare Sonnenbahn und nicht der astrologische Tierkreis.

  2. 120 Grad markieren auf der Ekliptik das Sternbild Krebs und 240 Grad das Sternbild Skorpion.

  3. Tektonischer Plattendruck ist eine physikalisch definierbare, nicht symbolhafte Größe, die aufgrund der Planetenentfernungen nicht durch Gravitation anderer Planeten beeinflusst wird, trotz der Riesenhaftigkeit des Jupiters. Pluto als Winzling in weitaus größerer Distanz entzieht sich jeglicher Erwähnung im Hinblick auf irgendwelche Kraftauswirkungen auf die Erde.

  4. Es kommt hinzu, dass Ende April Jupiter und Pluto auch in ihren Koordinaten, nicht zuletzt wegen der starken Plutobahnneigung gegen die Ekliptik, drastisch voneinander abweichen: In Rektaszension (grob Ost-West) um mehr als 50 Minuten, entsprechend etwa 25 Vollmonddurchmessern, und in Deklination (grob Nord-Süd) um mehr als 15 Grad, entsprechend 30 Monddurchmessern!) Jupiter bewegt sich durch den Schlangenträger, Pluto im Grenzgebiet Waage/Schlangenträger.

  5. Die astrologischen Ausführungen sind derart absurd, dass es nur zwei Erklärungen dafür gibt: entweder bewusste (böswillige?) Verunsicherung der Öffentlichkeit zum eigenen Vorteil oder explizite Dummheit und Ahnungslosigkeit.

     Hier manifestiert sich exemplarisch die esoterische Schizophrenie, die astrologischen, faktisch nicht nachweisbaren Symbolfelder mit astrophysikalischen Parametern zu vermengen und daraus konkrete geophysikalische Vorgänge abzuleiten.


© Raymond Walden 

 

 



Donnerstag, 11. Juni 2020

Menschliches Glauben: Der Stern der Weisen (S. 93)


Dezember 1998

Folgt man alten Überlieferungen, so befand sich zur Geburtszeit Christi ein besonders auffallender Stern am Himmel und wies bekanntermaßen den Weisen aus dem Morgenlande den Weg nach Bethlehem. Mit dem heutigen Kenntnisstand lässt sich ziemlich sicher nachweisen, dass es keinen derartigen Stern gab, sodass der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem Symbolgehalt des Phänomens ruht. Die Gelehrten oder Weisen vor 2.000 Jahren waren oft auch Himmelskundige, deren Weisheiten jedoch weniger einer Wissenschaft in heutigem Sinne als vielmehr einer Deutungskunst genügten; Astronomie und Astrologie entsprachen noch ein und demselben. Davon aber unabhängig ist der philosophische Wert des zitierten Himmelslichts als Zeichen der Freude, des Optimismus, der menschlichen Wärme zu sehen. Sterne allgemein hoben sich ab vom Alltäglichen als überirdisch oder gar göttlich, charakterisiert als Garanten des Guten wie des Bösen.
     Heute wissen wir um die gewaltigen Energieprozesse innerhalb und außerhalb von Sternen. Wir kennen den segensreichen, einzig Leben ermöglichenden Erdabstand zur Sonne, unser Planetensystem haben wir sehr gut verstanden und auch schon manche Struktur unserer Heimatgalaxis definiert. Daher wissen wir: Es gab keinen physikalischen „Weihnachtsstern“; weder als Supernova, noch als Kometen (der sowieso kein Stern ist).
     Nun kennt man das Geburtsjahr Christi nicht so genau, so dass drei etwa 7 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung zu beobachtende enge Jupiter/Saturn-Konjunktionen, also Zusammentreffen der Planeten am Firmament, die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Viele populärwissenschaftliche Darstellungen folgen dieser Erklärung für die Existenz des Weihnachtssterns, doch erscheint dies eher opportunistisch, denn über einen Zeitraum von nur wenigen Jahren existieren am Himmel derart viele Zyklen, sodass sich zu beinahe jedem irdischen Geschehen irgendeine, oft auch an den Haaren herbeigezogene, Himmelsentsprechung konstruieren lässt, so man nur will.
     Das wiederum ist das Geheimnis der heutigen Astrologie als Täuschung auf der ganzen Linie, begünstigt durch die Mentalität einer Gesellschaft, die millionenfach Weihnachtssterne aufhängt im kalten Geschäftslicht, das jeden Sternhimmel, selbst den in unserer Seele, niederstrahlt. Glücklich waren die Weisen damals; sie folgten einem klaren, verzaubernden Sternhimmel und einer freudigen Hingabe. Die Marksteine heute sind zum Beispiel kommerzielle Skybeamer, die den Nachthimmel dem Menschen entfremden. Die Lichtverschmutzung geht einher mit unsäglichen Abfallmassen, die wir in den Himmel und wieder herabbefördern durch militärische Projekte, extensiven Menschen- und Gütertourismus und durch geistige Verseuchungen, die via Satellitenfernsehen die Menschen befallen. Der Massenmensch verfügt über entrückte und verrückte Weltbilder, obgleich ihm die moderne Forschung wirklich grandiose Weiten eröffnet, denen er sich aber verschließt. Das ist die eigentliche Tragik.
     Schon ein bescheidenes Fernglas kann zu Einsichten führen, denn die überwältigende Anzahl der verschiedenen Himmelsphänomene hat allemal die Qualität eines Weihnachtssterns, den eigenen Standort physiologisch wie psychologisch-philosophisch zu bestimmen. Man muss sich allerdings, frei nach Kant, bemühen: Sapere aude – wage es, deinen Verstand zu gebrauchen!


© Raymond Walden 


 

Montag, 11. Mai 2015

Sequenzen von Skepsis (204)


Aphorismen zum Nachdenken und Zitieren:

2579
Klimawahn und Gotteswahn,
Gesundheits-, Ernährungs- und Jugendwahn
und Rassenwahn und Wachstumswahn!
Soldatentum.
Status quo der Menschheit in unendlicher, unüberwindlicher Realitätsferne.
Die verheerendste Naturkatastrophe auf Erden.
Wirklich kluge Menschen jedoch
könnten vorbeugen.

2580
Der sich modern wähnende Mensch jagt und sammelt wie in alten Zeiten nunmehr vor allem die Quote. Qualität aber wäre Modernität, wäre neue Lebensgüte.

2581
Das Wort „wähnen“ kam aus der Mode, denn es trifft das irrationale Selbstverständnis der Menschen, ihre wahnsinnige, sehr moderne Abkehr von schlüssigen und wirklichen Wahrheiten.

2582
Jedes Medium, ausdrücklich jede Redaktion, die Astrologisches verkündet, erklärt sich selbst für verrückt.

2583
Sorgen zeichnen ihr eigenes Gesicht und formen sogar das Körpergewicht.

2584
Oberflächlichkeit gebiert Fehler, die sie mühelos verdrängt und dann vergisst, bis nach einer Zeit vergeblichen Wartens die ganze Zeugungsunfähigkeit gnadenlos in alle Tiefen einbricht.

2585
Mancher läuft und läuft, jagt seinen Gedanken hinterher.
Ich verweile entspannt, und die Gedanken kommen zu mir.

2586
Wen oder was der Volksmund als Experten bezeichnet, beweist nicht selten Humor, politisch angepriesene Experten stellen zu oft das bitterernste Gegenteil dar.

2587
Den Schrei des Menschen hört die Menschheit nicht.
Nichts ändert sich.

2588
Um das kurze Leben rankt und windet sich ein langer Abschied. 


Copyright: Raymond Walden,  www.raymond-walden.blogspot.de