Montag, 3. Mai 2010

Abseits vom Ethos

Das Ethos – einst griechischer Inbegriff von moralischen Werten – scheint sich mit der Blüte der hellenistischen Hochkonjunktur verausgabt zu haben. Allgemeine Wertenormierungen heute sind heruntergekommenes Geschwätz, zumal religiöse „Sittlichkeit“ seit jeher zweierlei Maß praktiziert: das der Herrscher und das der Unterdrückten.

Ausgehend von den hohen Ansprüchen in der Antike hat die Menschheit global im gesellschaftlichen Miteinander keine Weiterentwicklung erlebt, stattdessen bremsten sich Religionen regional aus, indem es jeweils nur um eigene Ausbreitung (Mission) und Machtuntermauerung ging. Dieser Status quo ist aktuell und gewinnt als das „Abseits vom Ethos“ immer deutlichere Konturen, weil moderne Technologien die katastrophalen Ergebnisse von Fehlverhalten beschleunigt und schonungslos vor Augen führen.

Die Signifikanz von „normierter“ Unverbindlichkeit der Machthaber in allen politischen Systemen zum jeweils nur eigenen Vorteil nimmt Ausmaße an, die so erdrückend erscheinen, dass Gelehrte genauso verunsichert agieren wie die maßlos ungebildete Allgemeinheit.
Apropos: „Gelehrte“: Wie viele der klugen Köpfe prostituieren sich, stehen in Diensten von Ideologen und Konzernen, vertreten bestenfalls noch fachidiotische Prinzipien?!

Die Freiheit von Forschung und Lehre existiert nicht; lediglich die zweifelhafte Freiheit von Geldgebern regiert gemäß eines perversen Kapitalismus’, der inzwischen in allen Gesellschaftsstrukturen der Welt, sogar im Kommunismus wuchert.

Wenn allein Gewinnoptimierung und permanentes Wachstum die anerkannten Normen darstellen, Einschaltquoten und Umsatzzahlen als Gütesiegel gelten, die zu oft durch getürkte Statistiken belegt werden, darf man sich nicht wundern, dass auf einem begrenzten Planeten der weitaus größte Anteil der Menschheit in unwürdigen Verhältnissen haust, dass darüber hinaus in der so genannten Zivilisation die Humanität, die Achtung vor Natur und Leben abhanden kommen.

Europa als „Abendland“ macht dem Namen alle Ehre: Sonnenuntergang! Das „Morgenland“ verschleiert sich, das „Reich der Mitte“ steckt mitten drin in allen negativen Entwicklungen, und die „Neue Welt“ schwadroniert in religiöser Dekadenz, denn „Religionsfreiheit“ besitzt keinerlei Freiheitswert, sondern beinhaltet de facto auch die Nötigung der Andersdenkenden.

Für den kosmonomisch argumentierenden Menschen bietet logischerweise das Kosmonomische Manifest den Ansatz zu Problemlösungen, doch bleibt festzuhalten, dass es sich hierbei um einen futuristischen Gesellschaftsentwurf handelt. Er ist nicht zur direkten politischen Umsetzung geeignet, da er von längerfristigen gesellschaftspolitischen Fortentwicklungen ausgeht.

Um dennoch einen Ausweg aus dem „Abseits vom Ethos“ anzubieten, stelle ich einmal einige Minimalforderungen zusammen, Punkte, die nicht nur für Deutschland existenzielle Dringlichkeit besitzen:

1. Lernen bedeutet Arbeit und nicht Spielerei.
2. Leistung ist differenziert zu fördern, zu fordern, anzuerkennen und nicht zu nivellieren.
3. Statt antiautoritärer Orientierungslosigkeit brauchen wir lebenserfahrene Richtungsweisung und Vorbildfunktion.
4. Hinter „Selbstverwirklichung“ verbirgt sich oft eine gefährliche Tarnung von Egoismus.
5. Freizeit wird sinnvoll durch freie Ruhephasen, kreative Aktivität und nicht durch Medien- und Konsumfetischismus.
6. Die mitmenschliche Achtung und Wertschätzung beginnt öffentlich in einer unverlogenen Politik, im fairen Wettbewerb, in korrekten Finanz- und Wirtschaftsverträgen für jedermann, in gerechten Entlohnungen und transparenten Preisen.
7. Das Gesundheitswesen hat sich am Menschen und nicht am Profit zu orientieren.

Solche und weitere humane Verbesserungen werden nur gelingen, – und das füge ich mit besonderem Nachdruck hinzu – wenn
8. die Gesellschaft über eine wirklich freie, nicht manipulierende Presse verfügt und
9. der Staat über eine vollwertige, nicht interpretierbare Souveränität.

„Abseits vom Ethos“ darf kein endgültiges Urteil sein, sondern ist das Signal zum Aufbruch, wie es inzwischen aus zahlreichen Fachkreisen gefordert wird.
Machen wir uns aber – speziell in Deutschland und Europa – nichts vor: Die Politiker des gegenwärtigen Zuschnitts sind überfordert, denn sie gingen durch das verspielend versagende Bildungssystem, das sie sogar weiter ausbauen: „Das beste Bildungssystem der Welt!“ tönte schon vor fünf Jahren eine dieser Kompetenz-Granaten ohne jeden Selbstzweifel: Dr. Jürgen Rüttgers, CDU-Ministerpräsident NRW. In anderen Ländern stellen andere Parteien gleiche Sprücheklopfer.

Solange allerdings – ich spitze bewusst zu – eine verschlafene und hinters Licht geführte Öffentlichkeit neuerliche Kriegsaktivitäten und extensive Waffengeschäfte dieses ungeläuterten Deutschlands hinnimmt, bleibt Ethos vom Ursprung und von der Semantik her ein Fremdwort.

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